Theater Basel, Schauspielhaus
Premiere
"Ein Sommernachtstraum"
Autor: William Shakespeare
Regie: Markus Heinzelmann
Bühne: Gregor Wickert
Kostüme: Christoph Ernst
Dramaturgie: Bettina Ehrlich
Konzeptionelle Mitarbeit und Stückfassung: Saskia Taeger
Mit Ariane Andereggen, Carina Braunschmidt, Dirk Glodde, Martin Hug, Zoe Hutmacher, Joanna Kapsch, Vincent Leittersdorf, Lorenz Nufer, Mareike Sedl, Judith Strössenreuter, Gunnar Titzmann
Musiker/DJ: Viktor Marek
Hobbits in Unterhosen
Gemächlich und leise plätscherte der Applaus dahin. Ganze Sektionen im gut besuchten Auditorium blieben still. Zwei, drei Buhs gingen an den Karlsruher Gastregisseur Markus Heinzelmann, der erstmals hier inszenierte. Nun floh er fast von der Bühne. Eine Dame beim Herausgehen:"Schon nach fünf Minuten wollte ich wieder raus".
Schlechter Lohn für viel Bemühung, diesen Shakespeare von 1595 griffig in eine aktuell gängige Formensprache zu übersetzen. Zuviel, muss man sagen. Vielleicht auch personell. Nicht nur Regie und Dramaturgie steuerten Einfälle bei, sondern auch eine "konzeptionelle Mitarbeiterin". Zum Beispiel: Ein Mann, der während fast der ganzen Dauer des Stücks im hinteren Bühnenbezirk in Unterwäsche auf einem Laufband joggte. Nicht das einzige Rätsel des Abends.
Was sollten auch diese Ohren und diese Nasen? (Zu sehen auf der Homepage des Theater Basel.) Der Eindruck von Hässlichkeit ist über die ganzen zwei Stunden nicht wegzubekommen. Und auch die Frage nicht: Alle Bühnenfiguren sollen wir unterschiedslos als "Hobbits" aus der Fantasy-Filmwelt von "Lord of the rings" annehmen? Egal, ob Athens König Theseus oder die Wesen des Feenreichs, ob die jungen Liebespaare oder die schauspielernden Handwerksgesellen?
Aus diesen entstellten Gesichtern kann man die Sprache Shakespeares nicht ernst nehmen. Soll man es hier überhaupt? Wohl nicht. Alles soll von vorneherein als Spiel und auch als unecht gemeint sein, als betont abstrakte Bühnenwelt. Aber damit verflacht die Dynamik, die das Stück ausmacht: Dass es hier nicht nur eine Welt gibt, sondern wie die Welten mit ihren eigenen Gesetzlichkeiten ineinander greifen, wenn etwa die bürgerlichen Liebespaare im Wald in ein Feenreich geraten, die Männer im Schlaf vom Fabelwesen Puck verzaubert werden und sich darum beim Erwachen wie aus dem Nichts beide in Helena verlieben. Oder die plebejischen Handwerksgesellen vor dem König ein antikes Drama aufführen wollen, und sich bei den Proben fürchten, der Bühnenlöwe könnte die Damen bei Hofe erschrecken.
Besteht der Charme von Shakespeares Sommernachtstraum nicht gerade darin? Unser Naives, obgleich wir wissen, dass alles Spiel ist, das tastend fragt: Was ist real, was Traum, was Spiel, was hoch, was tief? Und auch: Wie gut kennen wir uns mit uns und unseren Gefühlen selber aus? Aber dieses Naive erlebt hier nichts, weder unbefangenes Spiel noch Zauber. Vor uns dröhnt eine kalte, laute Bühnenmaschine, die einiges zitiert, aber nur für sich selber steht. Das Einzige, was zaubert, ist die Bühnentechnik, die Figuren via Hebebühne versenkt um sie am anderen Ende wieder auftreten zu lassen.
Grob gegeneinander inszeniert und ausschliesslich sind die verschiedenen Reiche dieser Bühnenwelt. Die Handwerksleute in Cowboykluft, mehrheitlich von Frauen mit kurzer Körperlänge gespielt, sind zu putzigen "Hobbits"-Märchenzwergen reduziert, die wie in einem Comic bei ihren Theaterproben eifrig herumwuseln. Das Feenreich bricht wie eine Ufo-Invasion herein: Die hintere Wand öffnet sich mit Rauch und grellem Licht, glatzköpfige "Hobbits"-Aliens, abgesehen von den Feinripp-Unterhosen wie einer "Star Trek"-Serienfolge entsprungen, tanzen auf hohen Hacken und singen zu den Stampfrhythmen des DJs. Wenn diese Wesen den Handwerker Zettel in einen Esel verwandeln, so sieht hier Vincent Leittersdorf wie ein Folteropfer aus: gedemütigt in Unterwäsche, mit Klebebändern über dem Gesicht, die seine Züge verziehen.
Wenn die Liebesleute Lysander und Hermia, Demetrius und Helena von Liebe reden, Schönheit anbeten, verzweifelt ihr durcheinandergeratenes Liebeslos erörtern, sind sie von vorneherein als "Hobbits"-Witzfiguren diffamiert. Überhaupt nicht greifbar wird der Hof von Theseus, der in High Heels herumstakst, und sich nach der Startszene für den Rest des Abends auf dem erwähnten Laufband trimmt – oder ist das gar nicht die selbe Figur?
Die einzige Szene, der die Regie etwas Zerbrechlichkeit und Charme zubilligt, steht am Schluss, ist die Aufführung der Handwerker vor Theseus, die die Tragödie von Pyramus und Thisbe mit kindlichem Ernst geben.
Das hebt aber den Gesamteindruck nicht auf, dass man sich vor der Sprache Shakespeares in der traditionellen Schlegel-Übersetzung fürchtete, besonders vor der Lyrik, und sich gegen die Erlebniswelten, die sie eröffnet, sperrte. Wie etwas lästiges Sperriges, werden die Sätze gelegentlich hingespien oder auch verschludert. Die vernachlässigte Textarbeit rächte sich an der Premiere mit einigen Stolperern. Versöhnlich kann man sagen, der Abend hängt trotz Längen und einiger Unklarheiten nicht durch. So leicht lässt sich Shakespeares Kunst des Stückeschreibens nicht totkriegen.
4. April 2014