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Claude Bühler – Premiere am Theater Basel

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Theater Basel, Schauspielhaus

"Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui"

von Bertolt Brecht

Regie: Robert Gerloff
Dramaturgie: Bettina Ehrlich
Bühne: Gabriela Neubauer
Kostüme: Johanna Hlawica
Musik: Polly Lapkovskaja
Video: Heta Multanen
Live-Kamera: Janis Huber

Mit Simon Bauer, Hans-Peter Grothe, Zoe Hutmacher, Polly Lapkovskaja, Marcus Rehberger, Johannes Schäfer, Cathrin Störmer, Jan Viethen


Kifferwitz mit Kettensäge

Erst in der letzten Saison von Direktor Georges Delnon scheint man die bühnentechnischen Möglichkeiten des Basler Schauspielhauses voll ausschöpfen zu wollen. Nach Frankensteins wuchtigem Käfig bestimmt nun Chicagos Gangsterviertel die Szene (Bühne: Gabriela Neubauer).

Das Auditorium sitzt in L-Form nahe, teilweise an Tischchen, um die ebenerdige, grosse Spielfläche, die von einer breiten Bar dominiert wird. An den Wänden zucken im Dauerbetrieb Videobilder und hängen Werbeaufschriften, wie sie in den dreissiger Jahren modisch gewesen sein mögen. In der einen Ecke erhebt sich ein Turm mit der Cristo Redentor-Statue von Rio de Janeiro, an dessen Seite hängt eine Sex-Club-Reklame, im Innern flackern Videobilder in Echtzeit. Von der anderen Ecke beschallt die Musikerin Polly Lapkovskaja von einer kleinen Showbühne herunter die Szene mit Popsongs. Schon beim Eintritt spielt die Musik, rennen Kellner mit Wodka-Gläsern umher, bewirten das Publikum. Es geht offenbar um das Spiel von Gegenwart und Vergangenheit.

Auf den ersten Blick scheint die Inszenierung vernünftig angelegt. Sie geht vom allgemeinen Wissen aus, dass die "Historienfarce" (Brecht) Stationen Adolf Hitlers auf dem Weg zur Macht als brutale Gangsterstory in Chicago nachzeichnet – und von der Idee, dass fast 80 Jahre nach Hitlers Tod die genauen, historischen Details nicht mehr in aller Schärfe gegenwärtig sind und wir sie daher nicht sofort auf die Verbrecherchronik des fiktiven Arturo Ui übertragen können.

Auf diesen Schlüsselreiz der biographischen Parabel, auf den Brecht beim Schreiben im Exil 1941 setzte, geht der 32-jährige Regisseur Robert Gerloff bei seiner ersten Basler Arbeit also nur oberflächlich ein, um aber stattdessen einen lauten, schrillen, multimedialen Kirmes zu veranstalten. Wie ein Orkan wirkt das, in dessen Auge der Titelheld sich gleichsam tatenlos an die Spitze schaukelt.

Und der Effekt gelingt wunderbar. Tatsächlich staunt man. Man fragt sich, wie so einer an die Macht kommen kann. Ist das überhaupt jemand? Johannes Schäfer spielt den Arturo Ui als einen Mann ohne Eigenschaften, dessen Persönlichkeitsvakuum bei der Aussenwelt den Sog bewirkt, seine Leere für tiefen Ernst zu halten, seine Reglosigkeit für Noblesse, seine Kälte für Neutralität, seine soziale Isolation für höhere Bestimmung. Es sind die anderen, seine Zudiener und die Leute, die er mit Gewalt und Einschüchterung dazu macht, die dem Mann ein Charisma verleihen. Er braucht nichts weiter zu tun, als sich in der Gruppe immer in die Mitte vorn zu manövrieren, nur das Nötige zu sagen, die anderen wie selbstverständlich für die Morde, Erpressungen, Brandanschläge einzusetzen. Ja, sie denken sogar von sich aus für ihn.

Während das Gericht auf sein Geheiss einen Unschuldigen aburteilt, für den von seinen Gangstern verübten Brandanschlag auf einen Speicher (übersetzt: Reichtagsbrand), lässt er sich (in Grossprojektion) den Bart rasieren: glatt und blass ist die Haut, ausdruckslos sind die Augen, quasi ambitionslos der Gemütsausdruck. Johannes Schäfer bellt nur ganz selten quasi-hitlerisch; um so wirkungsvoller ist es, wenn er es tut. Nach und nach formt er sich vom strubelköpfigen Stotterer in Versandhaus-Lederjacke zum glattgescheitelten Wohlklang-Politiker in asketischem Designerlook (Kostüme: Johanna Hlawica), der wenig an Hitler, mehr an den Nazi-Chic der Neuen Deutschen Welle in den achtziger Jahren erinnert.

Hält er am Ende die berühmte Schlussrede, in der Ui seinen Anhängern Frieden verspricht, seinen Gegnern aber "Konsequenzen" androht, leise untermalt von einer getragenen symphonischen Dichtung, da wird es unheimlich: Man will das Böse, wie es sich so banal offenbart, nicht glauben. Johannes Schäfers reife Leistung hält nicht nur die Spannung über die knapp zweistündige Aufführung aufrecht, sie ist es, die uns glaubwürdig vermittelt, dass uns Robert Gerloff und die Dramaturgin Bettina Ehrlich uns auch etwas sagen wollten. Sie gibt Anlass, der eigenen Verführbarkeit, der persönlichen und politischen Hierarchiegläubigkeit nachzuspüren.

Der Rest ist leider wenig mehr als ein Kifferwitz, ein zum Dauerkichern reizendes Assoziationsgewuchere, das mehr Fragen aufwirft als es Bezüge ermöglicht: Alle paar Sekunden ein neuer Einfall, mit jedem zweiten Einfall ein neuer Stil, sei es Rock-Musical, Cartoon, Revue, TV-News oder Geisterbahn. Geht der Ui etwa zum Schauspieler (Hans-Peter Grothe), um von ihm den staatsmännischen Auftritt mit Sprechen, Gehen, Sitzen zu lernen, so wachsen die Sprechübungen mit "Einstürzenden Plattenbauten" oder "Zoologischer Schrebergarten" zum uferlosen, wortspielerischen Kuriositätenkabinett aus. Ist die Welt aus den Fugen oder hatten die Macher Angst vor Langeweile?

Wenn aber Ui/Hitler daraufhin eine Schauspielkarriere in Hollywood angedichtet wird, in der er die Hauptrollen in Hitchcocks "Psycho", Kubricks "2001: A Space Odyssey", Leones "Once upon a time in the west", aber auch in Filmen von Autoren wie Kaurismäki oder van Trier etc. verkörpert, so fragt man sich: War Hitlers Gesicht und Persönlichkeit das, respektive die Bestimmende für unsere westliche Nachkriegskunst? Wird nicht geklärt.

Videofilmerin Heta Multanen stellte in vorproduzierten Clips eine Vielzahl bekannter Filmklassiker nach. Die Ermordung des Reeders Sheet zitiert die Splatterszene von Brian de Palmas "Scarface", wo ein Gangster mit der Kettensäge zerkleinert wird. Immer wieder begleitet ein Filmteam mit Live-Kamera den Ui. Könnte ja bedeuten, dass in unserer Welt das Bildzitat zum alles entscheidenden Machtfaktor geworden ist. Ja klar, und weiter.

Wenig Vertrauen investierte die Regie – wie oben erwähnt – in die Spielszenen, die die Handlung vorantreiben, die Stationen des Aufstiegs vorstellen. Diejenigen im Publikum, die das Stück vorgängig nicht gelesen hatten, dürften froh um die Zwischentitel gewesen sein, um überhaupt folgen zu können. Die Szenen werden mit verhetztem Tempo verhuscht, mit Klamauk angefüllt, bis die scharf geschnittene Farce zur Klamotte zerfällt. Soll das heissen, es ist eh wurst, ob wir all die kleinen Wortgefechte, die Zwischentöne, die Cleverness von Uis Spielzügen plastisch mit vollziehen können?

Damit folgte aber auch das Schulterzucken auf die Frage, ob Uis Aufstieg ein aufhaltsamer ist. Und das macht den zwiespältigen Abend zynisch.

1. November 2014
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Claude Bühler, ist Journalist und Schauspieler in Basel. Er arbeitete erst als Freier Journalist bei Printmedien sowie als Medienverantwortlicher von act entertainment. Lange Jahre war er Redaktor und Produzent bei Telebasel. Heute arbeitet er als Redaktor bei "Prime News". Als Schauspieler war er in verschiedenen Regie-Arbeiten der Basler Schauspielerin und Regisseurin Ingeborg Brun sehen, beispielsweise als Jean in "Fräulein Julie" (A. Strindberg), aber auch als Professor Siebegscheit im Märli "Froschkönig" des Theater Fauteuil oder als Lucky in "Warten auf Godot" (S. Beckett) des Theater Marat Sade. © Foto by OnlineReports.ch

Claude.Buehler@gmx.net

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"Wegen tiefer Pünktlichkeit der Eurocity-Züge von Mailand nach Bern und Basel werden ihre Fahrzeiten verlängert."

bz und CH-Media-Zeitungen
am 9. April 2024
in einem Untertitel
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Wegen hoher Augenbrauen kommt dieser Satz jetzt im "Gelesen & gedacht".

RückSpiegel


Die bz verweist in einem Bericht über die Kita-Krise im Baselbiet auf OnlineReports.

BaZ, Baseljetzt und Happy Radio nehmen die OnlineReports-News über das geplante Ministertreffen in Basel auf.

Der Sonntagsblick zitiert OnlineReports in einer grossen Recherche über die Baselbieter SVP-Politikerin Sarah Regez.

Baseljetzt verweist im Bericht über Basler Schiffsunfälle auf ein OnlineReports-Video.

Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Interview zu den Gemeindefusionen auf OnlineReports.

persoenlich.com und Klein Report vermelden mit Verweis auf OnlineReports die Personalrochade bei Prime News.

Die Volksstimme schreibt über die Wahl von Claudio Miozzari zum Grossratspräsidenten von Basel-Stadt und zitiert dabei OnlineReports.

In einem Artikel über die Leerstandsquote bei Büroflächen in Basel nimmt die bz den Bericht von OnlineReports über einen möglichen Umzug der Basler Polizei ins ehemalige Roche-Gebäude an der Viaduktstrasse auf.

Das Regionaljournal Basel und die bz berichten über die Bohrpläne der Schweizer Salinen im Röserental und beziehen sich dabei auf OnlineReports.

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In einem Satz


Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

Die Basler Sozialdemokraten haben die SP queer Basel-Stadt gegründet und als neues Organ in den Statuten der Partei verankert.

Eiskunstläuferin Kimmy Repond und Wasserfahrer Adrian Rudin sind Basler Sportlerin beziehungsweise Basler Sportler des Jahres.

Jean-Luc Nordmann übergibt das Präsidium der Stiftung Tierpark Weihermätteli per 1. Januar 2024 an Martin Thommen.

Iris Graf steigt von der Projektleiterin und akademischen Mitarbeiterin der Baselbieter Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern zur Leiterin auf.  

Sonja Kuhn,
ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

Mohamed Almusibli übernimmt ab März 2024 die Direktion der Kunsthalle Basel von Elena Filipovic.

Marilena Baiatu ist neue Kommunikationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland und ersetzt Thomas Lyssy, der Ende November pensioniert wird.

 

Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).