Mit der "Ricola"-Strategie ist kein Staat zu machen
Von PETER KNECHTLI
Es gibt kein Wenn und kein Aber: Rot-grün ist in den Basler Regierungsratswahlen 2008 der Durchmarsch grandios geglückt: Zwei Bisherige - die SP-Finanzdirektorin Eva Herzog und der grüne Justizdirektor Guy Morin erzielten das Spitzenergebnis, beide neuen SP-Kandidaten Christoph Brutschin und Hans-Peter Wessels schafften den Sprung in die Regierung gleich im ersten Wahlgang. Derweil musste sich der liberale Erziehungsdirektor Christoph Eymann, vor vier Jahren noch Spitzenreiter, mit dem vierten Platz begnügen, noch hinter dem soliden christdemokratischen Gesundheitsdirektor Carlo Conti.
Für die bürgerlichen Parteien Basels wurden die Wahlen 2008 nicht gerade zum Waterloo, aber zum Fingerzeig dafür, dass es auch in vier Jahren schwierig werden wird, die während 54 Jahren gehütete Regierungsmehrheit zurückzuerlangen. Denn - und dies ist das Bemerkenswerte - der SP ist innerhalb der Regierung die massive Erneuerung geglückt: Sie liess gleichzeitig zwei von drei Regierungsräten - Barbara Schneider und Ralph Lewin - zurücktreten. Die Strategie, mit zwei neuen Kandidaten anzutreten, war ganz und gar nicht risikolos, aber sie hat sich als erfolgreich erwiesen. Dies ist nicht zuletzt das Verdienst des schlauen Parteipräsidenten Thomas Baerlocher, der dezidiert auf einen finanzerfahrenen und einen wirtschaftsfreundlichen Kandidaten setzte. Diese Rechnung ist voll und ganz aufgegangen.
Wo aber blieb die Taktik im bürgerlichen Lager? Es war weit und breit weder eine Sieges-Idee noch ein Sieges-Wille erkennbar. Während SP-Kandidaten kurz vor Urnenöffnung noch im Regen Flugblätter verteilten, sassen die meisten bürgerlichen Kandidierenden schon auf dem Trockenen - und jetzt stehen sie im Regen. Mehr noch als vor vier Jahren entstand zudem der Eindruck, dass die bürgerlichen Parteien, bloss auf die eigenen Interessen bedacht und jedes Flair für für einen taktischen Schulterschluss verloren haben.
Dieser endlose Streit mit der schier unaufhaltsam wachsenden SVP, der nie wirklich bereinigt wurde. Dieses galoppierende "Ricola"-Syndrom, das sich darin äusserte, dass sich die Parteien gegenseitig serienweise um die Vaterschaft der Themenfühererrolle stritten. Und diese Mutlosigkeit, einen vierten Kandidaten aufs Ticket zu nehmen, obschon etwa in der Person des Freisinnigen Christophe Haller ein Kandidat zur Verfügung gestanden wäre. Zwei Sitze hätten die Freisinnigen auch mit Haller zwar nicht geholt, aber das Wahlvolk hätte den Eindruck erhalten, seine Stimme gelte einer kämpferischen, von ihren Idealen überzeugten politischen Kraft. Statt dessen die klassische Besitzstands-Verteidigung von Parteien, die nichts mehr zu gewinnen, aber viel zu verlieren haben.
Wenn es schon unmöglich ist, die SVP als stärkste bürgerliche Kraft ins Boot oder Bett zu holen, ist noch weniger ergründlich, wie sich in Basel bürgerlicher Erfolg einstellen soll, wenn sich immer mehr Parteien von Mitte bis Rechts auf den Füssen herumtreten. Beim in Basel-Stadt starken traditionell starken links-grünen Lager bleibt der Raum für bürgerlichen Machtanspruch zwar endlich. Auch ist mit der Forderung nach immer neuen Steuersenkungen auf Dauer keine mehrheitsfähige Politik zu machen. Aber es ist nun an der Zeit, dass die bürgerlichen Parteien programmatisch ernsthaft die ökologische Herausforderung anpacken und nicht nur davon reden, sie entdeckt zu haben. Der souveräne Erfolg der Grünliberalen bei den Grossratswahlen sollte ein deutlicher Fingerzeig sein.
Dass es der freisinnige Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass schwer hatte, das absolute Mehr zu erreichen, war abzusehen. Seine Amtsführung war in keiner Weise von einer Qualität, dass sich eine Abwahl rechtfertigte, wie die Jungsozialisten in ihrer wenig überzeugenden Kampange verlangten. Im Gegentel: Wo sein Polizeikommandant patzerte, liess Gass untersuchen und schaffte schonungslos Transparenz.
Dennoch braucht der höchste Basler Polizist nicht um seine Wiederwahl zu bangen: Sein Ergebnis war beachtlich und ernsthafte Rivalen sind nirgends in Sicht. Im zweiten Wahlgang, in dem das relative Mehr zählt, wird ihn keiner schlagen - selbst wenn, was gemunkelt wurde, die SVP das Pferd Patrick Hafner nach seinem sehr bescheidenen Ergebnis wechselte und allenfalls mit Ex-FDP-Grossrat Felix Meier anträte. Die SVP tut gut daran, entgegen ihren apodiktischen Ankündigungen im zweiten Wahlgang nicht mehr anzutreten und Gass die stille Wahl zu ermöglichen. Tritt sie doch an, kann sie nur verlieren. Unter Rot-Grün käme es trotz "Sheriff"-Kampagne zu einer gewissen Solidarisierung mit Gass, die für jeden SVP-Kandidaten vernichtend wäre.
In diesem Lichte ist auch der grosse Bestätigungs-Erfolg von Rot-grün zu sehen: Auch die Linke backt nur kleine Brötchen, aber sie backt sie als Gemeinschaftswerk. Man kann es drehen, wie man will: Die spektakulärsten Regierungs-Erfolge der SP bestanden in einem Steuersenkungsprogramm und in der Pensionskassen-Sanierung. Eva Herzog hat, dies ist ihr zugute zu halten, beide Projekte klug angepackt und energisch durchgezugen. Aber ist das die links-grüne Wende? Nein, nur duldet unsere politische Kultur keine grossen Umschichtungen, sondern nur die Politik der kleinen Schritte. Deshalb kam Herzogs Finanzpolitik auch bei den bürgerlichen Wählenden an: Sie scheint es - entgegen Unkenrufen bei ihrer Wahl vor vier Jahren - mit Basel durchaus gut zu meinen. Und lernfähig ist sie dazu.
Ins gleiche Kapitel gehört der unerwartete Erfolg des grünen Justizministers Guy Morin: Es war nicht Verwaltungs-Reorganisation, die ihm die Wählenden hoch anrechneten. Obschon er mittlerweile unverkennbar gouvernementale Züge angenommen hat, ist es seine wohlmeinende Art, mit der er sich im guten Sinne in die Herzen der Bürgerinnen und Bürger menschelt.
Bericht Regierungsratwahlen 2008
Bericht Grossratswahlen 2008
14. September 2008
"Die Recht würde dies nie akzeptieren"
So, wie die Linke bürgerliche Politik pragmatisch integriert hat, würde die Rechte niemals linke Politik-Elemente akzeptieren.
Peter Thommen, Basel
"Es braucht eine starke Allianz der Mitte-Parteien"
Ich gehe mit dem grössten Teil des Kommentars von Peter Knechtli einig. Doch meine ich, dass das Bündnis Rot-Grün nicht mit demjenigen auf bürgerlicher Seite verglichen werden kann. Zwischen SP, Grünen und Basta ist die Politik weniger weit auseinander als zum Beispiel zwischen einer CVP und der SVP. Etwas, was nicht vergessen werden darf, ist, dass das Wahlvolk primär die die nationale Politik beurteilt. Und hier besteht eben das Problem auf bürgerlicher Seite. Die SVP auf Bundesebene attackiert und beleidigt sowohl die CVP wie auch die FDP. Das nimmt die bürgerliche Wählerschaft wahr.
Wer die "Brasserie"-Beiträge der SVP auf onlinereports.ch mitverfolgte, stellte fest, dass die SVP-Exponenten mehrheitlich nicht die politische Linke angriffen, sondern die traditionellen bürgerlichen Parteien. Wie soll nun den eigenen Stammwählerinnen und -wählern erklärt werden, warum nun gerade mit der SVP eine Listenverbindung eingegangen werden soll. Reaktionen aus den letzten Nationalratswahlen haben gezeigt, dass dies nicht goutiert wird.
Für mich stellt sich vielmehr die Frage, ob zukünftig nicht eine starke Allianz der Mitte-Parteien geschlossen werden muss, um als Gegenkraft zu Rot-Grün auftreten zu können. Hier besteht meine grosse Hoffnung, dass sich die Vertreterinnen und Vertreter der Grünliberalen Partei einer solchen Allianz der Mitte anschliessen werden. Ich wünsche mir deshalb, dass in vier Jahren diese Mitte-Allianz die rot-grüne Mehrheit brechen wird. Wenn alle mitziehen, wird dies gelingen.
Stephan Gassmann, Basel