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Claude Bühler – Premiere am Theater Basel

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Theater Basel
Ehemalige Gemeindeverwaltung Birsfelden                              

 

"Abteilung Leben"

 

Von Christoph Marthaler und Ensemble

 

Inszenierung: Christoph Marthaler

Bühne: Duri Bischoff

Kostüme: Sara Kittelmann

Musik: Martin Schütz

Lichtdesign: Mario Bubic

Ton: Arev Imer

Dramaturgie: Malte Ubenauf, Timon Jansen

 

Mit Jan Bluthardt, Karl-Heinz Brandt, Carina Braunschmidt, Raphael Clamer, Vera Flück, Martin Hug, Ueli Jäggi, Jacob Maison (Tasteninstrumente), Jörg Pohl, Martin Schütz (Cello), Gala Othero Winter
 


Unentrinnbar in einer Schlaufe

Kein Applaus zum Ende dieses Marthalers. Warum auch? Denn was sich in der alten Gemeindeverwaltung Birsfelden in unserem Beisein abspielt, wird sich ganz bestimmt wiederholen, auch wenn kein Publikum da ist. Nachts, morgens, immerzu, im Dauerloop. Bis der Bagger irgendwann das Gemäuer endlich abreisst. So der bestimmende Eindruck eines Abends unter einer untoten Beamtenbelegschaft, deren Automatismen und Automaten ähnlich wie die Skulpturen Jean Tinguelys scheinbar ohne Anlass zappeln, hampeln, kreischen.

 

Wir erleben nur in Teilen eine Aufführung, wir begehen in Gruppen eine Installation: durch leere Büros, in denen Telefonhörer auf Bürotischen einen melancholischen Dialog ("ich glaube, ich hörte weinen") führen, Frauen entseelt in Bürosesseln hängen oder über Ordnern liegen, in denen das Chaos aus Partyschlangen, Gläsern und Flaschen, Festgelächter ab Tape eine Belegschaftsfeier bis in die Unendlichkeit ziehen.

 

Eine Frau repetiert automatenhaft in den Telefonhörer: "Entschuldigen Sie bitte, mein Name beginnt mit B." Eine weitere Beamtin, so bieder gewandet, dass es weh tut, hält uns, immer wieder vom penetranten "Zsch" der Kaffeemaschine unterbrochen, einen Monolog: Ein fantastischer Untext aus amtlichen Formeln und PR-Floskeln, ohne Sinn und Rhythmus.

 

Ein Prinzip, das sich an diesem Abend öfters wiederholt. Denn Marthaler ist die Sprache als gültiges Kommunikationsmittel abhanden gekommen, seine Abstraktion ist beim Zeichen angelangt. Reissen die Beamten ihre Bürotüren zur Wartehalle auf, stammeln alle nur Laute, irgendwas mit "E". Oder skandieren Wortverbindungen, "Zwangsräumung – Bandbreite – Geduldsfaden – Lastenausgleich", die sich in der Wiederholung wie Unsinn anhören. Dazu sondert ein Cellist hin und wieder dunkle Eruptionen ab, als wollte er uns sagen, dass in den steifgescheitelten Graugesichtern mit Hornbrille eingesperrtes Leben wuchere.

 

Einer schreit laut nach "Rebekka", ein anderer lockt seinen Kollegen sechs Mal ins Büro, um ihm jedes Mal die Türe vor der Nase zuzuschlagen, ein dritter fällt mit einem riesigen Ordnerstapel flach auf den Boden, bleibt wie tot liegen, ein vierter steckt seine Geldscheine nur ein, um sie gleich wieder zu verlieren. Alle leben nur im eigenen Film, unentrinnbar in einer Schlaufe, wie ab Schaltuhr funktionierend.

 

Nur gelegentlich kommen sie zusammen, um vor einem Büro ein inbrünstiges "Happy Birthday" anzustimmen oder ein trauriges "Wir sitzen alle so fröhlich beisammen". Dazwischen schnarren absurde Durchrufe über die Hausanlage. Marthaler zelebriert virtuos die Unergründlichkeit der geheimen Vorgänge und Abläufe, die im Ganzen wie eine halbverborgene Musik komponiert wirken.

 

Beunruhigend ist der Besuch beim Archivar, dem isolierten Eigenbrötler des Betriebs. In seiner Tasche hält er – wohl verbotenerweise – irgendein Tier, mit dem er zärtlich spricht. Die Insekten bekämpft er mit Sprühmittel, rattert Amtsbescheide aus der Archivapparatur herunter und beschimpft mit "Grrr"-Lauten das Bild des forsch ausschauenden Chefs. Dieser Untertan-Typen erlebt auf einmal einen Bruch, erschreckt vom Klang der eigenen Stimme aus dem Archivkasten. Seine Sätze "Das ist falsch. Das ist Lauf der Dinge" erscheinen selbstbewusst – und arrogant gegenüber dem Leben.

 

Vieles an dem Abend erscheint bekannt aus Marthalers Repertoire: Der romantische Liedvortrag, das liebevoll inszenierte Scheitern des tapferen, aber beschränkten Subjekts am Objekt, gewisse Gags (Kastentür auf – Applaus ertönt aus dem Kasten – Kastentüre zu), die mehr zum Schmunzeln als zum Lachen anregen.

 

Neu ist der unterschwellige Schrecken, nicht nur beim Archivar, auch bei uns, den er hervorruft: Die grotesk erscheinende, aber durchformatierte "Abteilung Leben", die hier vorgestellt wird, ist als Bild völliger Lebensvergeudung unserem Erleben, die wir manchmal wie im Wartsaal zusehen und dabei gleichsam auf etwas warten, gegenübergestellt. Gelegentlich werden wir dabei selbst zu Marthaler-Figuren unter den anderen.

Das ist meisterhaft. Die komplexe, detailverliebte Durchführung, in der auch Musik oder Geräusche aus anderen Gebäudeteilen genau abgestimmt hereinwirken, erzeugen zuweilen den Eindruck eines Irrenhauses.

 

Da verschmerzt man die länglich geratene Monolog-Revue am Ende, die virtuose Textkomik, aber kaum mehr einen substantiellen Beitrag hervorbringt. Mit dem Epilog, einer Parade vollbeladener Aktenwagen, die das Personal durch den einstigen Parlamentssaal fährt – und sich darauf wie auf Rollatoren stützt –, bringt die Essenz dieses frischen Marthalers nochmals auf den Punkt. Hingehen.

3. Juni 2023
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Claude Bühler, ist Journalist und Schauspieler in Basel. Er arbeitete erst als Freier Journalist bei Printmedien sowie als Medienverantwortlicher von act entertainment. Lange Jahre war er Redaktor und Produzent bei Telebasel. Heute arbeitet er als Redaktor bei "Prime News". Als Schauspieler war er in verschiedenen Regie-Arbeiten der Basler Schauspielerin und Regisseurin Ingeborg Brun sehen, beispielsweise als Jean in "Fräulein Julie" (A. Strindberg), aber auch als Professor Siebegscheit im Märli "Froschkönig" des Theater Fauteuil oder als Lucky in "Warten auf Godot" (S. Beckett) des Theater Marat Sade. © Foto by OnlineReports.ch

Claude.Buehler@gmx.net

(Die Kolumnisten sind in ihrer Meinung frei;
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"Stimmiger geht’s nimmer!"

Marthalers Inszenierung, der besondere Aufführungsort mit seinem ganz besonderen Genius loci und – als i-Pünktchen – selbst einmal auf eben diesem Kanzleigestühl gesessen zu  haben: Stimmiger geht’s nimmer! Dies alles zusammen muss unter die Haut gehen, auch mir! Ich bin jedenfalls sehr gespannt!


Pius Helfenberger, Münchenstein


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Melanie Nussbaumer

Es geht um Macht
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"Mienenfeld"

bz
vom 4. Dezember 2024
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Gute Miene zum bösen Spiel?

RückSpiegel

 

Das SRF-Regionaljournal Basel und die bz greifen die OnlineReports-Recherche zum Helene-Bossert-Buch auf.

BaZ und Baseljetzt nehmen den OnlineReports-Artikel über den Rückzug von Pick-e-Bike aus dem Laufental auf.

Die BaZ zitiert in einer grossen Hintergrund-Geschichte zur Basler GLP aus einem Artikel von OnlineReports.

bz, BaZ und Volksstimme beziehen sich in ihren Artikeln zum Jakobushaus in Thürnen auf die Recherche von OnlineReports.

Die BaZ nimmt in einem Artikel über die Wirtschaftskammer Bezug auf ein Porträt aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Volksstimme zitiert die OnlineReports-Recherche zum neuen Konzessionsvertrag der Elektra Baselland.

Bajour bezieht sich im Wochenkommentar auf die OnlineReports-Analyse zu den Basler Grünen.

Die bz zitiert die OnlineReports-Recherche zu den geplanten Beschwerden gegen die Salz-Sondierbohrungen im Röserental.

Die BaZ bezieht sich in einer Meldung über den neuen Geschäftsführer der Aids-Hilfe beider Basel auf eine Recherche von OnlineReports.

BaZ, bz, Baseljetzt und Happy Radio nehmen die Recherche von OnlineReports über den Abgang des Finanzchefs Tim Kretschmer beim Kunstmuseum Basel auf.

Die BaZ bezieht sich in einem Artikel zur Abstimmung über das Baselbieter Gesundheitsgesetz auf eine Recherche von OnlineReports zum Mangel an Kinderärzten im Oberbaselbiet.

Die BaZ zitiert die OnlineReports-Meldung über die Nachfolgelösung beim BackwarenOutlet.

Telebasel bezieht sich in einem Beitrag über Ticket-Betrüger beim Källerstraich auf ein Bild von OnlineReports.

persoenlich.com nimmt die Meldung von OnlineReports über den Wechsel des BaZ-Journalisten Sebastian Briellmann zur NZZ auf.

persoenlich.com bezieht sich auf die OnlineReports-Meldung über den Stellenantritt von Martin Regenass bei Prime News.

Die bz zitiert OnlineReports bei einer Meldung zur Wahl des neuen SVP-Fraktionschefs im Baselbieter Landrat.

20 Minuten, Baseljetzt und Happy Radio nehmen Bezug auf die OnlineReports-Recherche zur tanzenden Wagenführerin der BVB.

Das SRF-Regionaljournal Basel, die BaZ, die bz, Happy Radio und Baseljetzt zitieren die Recherche von OnlineReports zum Interimschef der Kantonspolizei Basel-Stadt.

Das SRF-Regionaljournal Basel verweist auf die OnlineReports-Recherche zu den finanziellen Problemen bei der Aids-Hilfe beider Basel.

20 Minuten und zentralplus zitieren die OnlineReports-Recherche über die Baselbieter Obstbauern, die ihre Kirschen nicht verkaufen können.

Die BaZ und 20 Minuten beziehen sich in einem Artikel über den tödlichen Unfall im St. Johann auf einen Bericht aus dem OnlineReports-Archiv.

Die bz nimmt die OnlineReports-Recherche über den Kunst-Coup der Stiftung Im Obersteg auf.
 

Weitere RückSpiegel







In einem Satz


Die Baselbieter Regierung hat den Verein "Repair Café Binningen-Bottmingen" mit dem mit 8000 Franken dotierten Freiwilligenpreis 2024 ausgezeichnet.

Der Basler Stern 2024 geht
an den "Floss"-Kapitän
Tino Krattiger für seine Pionierarbeit im Bereich Kultur und Stadtleben sowie für sein Engagement für die Aufwertung der Rheingasse. 

Das Drum'n'Bass-Produzentenduo QZB gewinnt den Basler Pop-Preis 2024 und erhält die mit
20'000 Franken dotierte Förderung und Auszeichnung des Musikbüro Basel.

Basel-Stadt
braucht einen neuen IT-Chef: Der jetzige Dienststellen-Leiter Mario Magnanelli verlässt den Posten per Ende Mai 2025.

Die Jungen Grünliberalen beider Basel haben Timon Bischofberger neben Eileen Fischer ins Co-Präsidium gewählt.

Die Architektin und Stadtentwicklerin Barbara Buser erhält den Basler Kulturpreis 2024.

SRF-Literaturredaktor und Drummeli-Regisseur Michael Luisier ist neu Mitglied des Schnitzelbank-Comités.

Der frühere Diplomat Paul Seger übernimmt das Präsidium der Winterhilfe Basel-Stadt von Marianne Eggenberger.

Grünen-Politikerin Natalie Oberholzer aus Liestal rückt für Erika Eichenberger in den Landrat nach.

Beatrice Stirnimann, CEO der Baloise Session, wird zur "Ehrespalebärglemere 2024" ernannt.

Eventmanager Beat Läuchli wird Projektleiter des Eurovision Song Contest (ESC) 2025 in Basel.

Michael N. Hall vom Biozentrum der Universität Basel erhält den Balzan-Preis 2024 für seine Forschung zu den biologischen Mechanismen des Alterns.

Der 27-jährige Journalist Maximilian Fankhauser übernimmt im Oktober die Leitung von Baseljetzt, der Online-Newsplattform von Telebasel; die jetzige Stelleninhaberin Lea Meister wechselt zu Prime News.

Manuela Witzig, bisherige Leiterin der deutschsprachigen Unternehmenskommunikation, übernimmt per 9. September 2024 von Direktor Matthias Suhr die Leitung der Kommunikation und Public Affairs beim EuroAirport.

Evelyn Borer,
Synodenpräsidentin der Evangelischen Kirche Schweiz, ist neue Präsidentin des Vorstands von Mission 21.

Markus Habegger übernimmt am 2. August die Leitung des Tageshauses für Obdachlose in Basel als Nachfolger von
Paul Rubin.

Der Basler Rechtsanwalt und Baurechtsexperte Daniel Gebhardt wird neuer Verwaltungsratspräsident der Rhystadt AG, der grössten Eigentümerin auf dem Klybeck-Areal. 

Die Baselbieter Grünen-Landrätin Erika Eichenberger tritt im September zurück, Natalie Oberholzer rückt nach.

Ass. Prof. Dr. Prisca Liberali wird für ihre Forschung auf dem Gebiet der Gewebebildung mit dem Wissenschaftspreis der Stadt Basel ausgezeichnet.

Sarah Mehler folgt am
1. Oktober als neue Geschäftsführerin der Kaserne Basel auf Eva Heller.

Markus Jordi,
langjähriges Mitglied der SBB-Konzernleitung, übernimmt am 1. Januar 2025 den Vorsitz des Fachhochschulrats der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Karoline Sutter und Urs Berger treten nach über zehn Jahren per 31. März 2025 aus dem Bankrat der Basler Kantonalbank zurück, die Vakanzen werden demnächst ausgeschrieben.

Jacqueline Herrmann und Alexander Bieger lösen Brigitte Jäggi ab, die als Rektorin des Gymnasiums Muttenz in Pension geht.

Bettina Zeugin folgt als Präsidentin von insieme Baselland auf Röbi Ziegler.

Der frühere Baselbieter SP-Regierungsrat Peter Schmid gibt das Präsidium des Freundevereins Zoo Basel an seine Parteikollegin und Landrätin Miriam Locher ab.

Eine Findungskommission sucht eine Nachfolge für Anna Schmid, Direktorin des Museums der Kulturen Basel, die 2025 in Pension geht.

Grünen-Politikerin Flavia Müller aus Allschwil rückt für Biljana Grasarevic in den Baselbieter Landrat nach.

Doppel-Pensionierung am Euro-Airport: Direktor Matthias Suhr geht Ende März 2025, sein Stellvertreter Marc Steuer Ende Dezember 2025 in den Ruhestand.