Der Leistungsdruck nimmt zu

Der Kolumnist spürt den Stress gerade überall. Und tappt auch in seiner Freizeit in die Optimierungs-Falle.

Ein vollgestellter Schreibtisch, symbolisch für Stress und Leistungsdruck
Symbolfoto.

Vielleicht liegt es daran, dass ich selbst zurzeit volle Wochen habe und deshalb schnell gestresst bin. Ich nehme aber auch in meinem Umfeld wahr, dass viele am Anschlag sind. Stress und Leistungsdruck sind gerade überall spürbar.

Kaum sind die Sommerferien vorbei, sind wir wieder erschöpft. Schon auf der Heimfahrt aus dem Urlaub beginnt das Beantworten von privaten und beruflichen Nachrichten, um die Zeit im Zug zu nutzen. Vielleicht wurde ja etwas Wichtiges verpasst. Mich würde wunder nehmen, wie viele von euch Leser*innen das Gefühl kennen, wegen einer Abwesenheitsmeldung oder dem Ausschalten der Benachrichtigungen im Büro-Kommunikationstool ein schlechtes Gewissen zu haben. Ich vermute: bedenklich viele.

In meinem Soziologiestudium werden genau die gesellschaftlichen Entwicklungen behandelt, die für zunehmenden Druck sorgen. Leistungsgesellschaft, Entwertung von Bildungstiteln, das heisst Praktika unter dem Mindestlohn mit einem Masterabschluss und so weiter. Auch aus einem – nicht zu vergessen! – privilegierten Zuhause wird es einem nicht gleich gut gehen wie der Elterngeneration, die irgendwie immer einen Weg fand.

Bin ich on track? Bin ich schnell genug und auf dem richtigen Weg unterwegs?

Ironischerweise trägt so ein Studium aber auch zum Stress bei. Was nach der Universität kommt, ist nicht mehr ein weit entferntes, hypothetisches Szenario, an dem verspielt rumgesponnen wird, sondern rückt immer näher. Dazu wurde uns schon in der Schule ansozialisiert, dass wir uns stets fragen: Bin ich on track? Bin ich schnell genug und auf dem richtigen Weg unterwegs? Hättest du doch «öbbis Rächts» gemacht, höre ich die Boomer schon flüstern. Schon aus Trotz nicht. Und meine Freund*innen, die Ius oder Wirtschaft studiert haben, wirken nicht wirklich weniger gestresst.

Momente der Unklarheit und Überforderung gehören zu einem Lebenslauf dazu. Wie präsent Erschöpfung und Ausbrennen in meiner Bubble sind – und sicher auch darüber hinaus –, finde ich aber immer wieder beängstigend. Die einen sehnen sich nach einem Job mit geregeltem Arbeitsalltag und hoffen, «einfach mal zu arbeiten» und bei Feierabend richtig abschalten zu können. Andere fangen ein zweites Studium an, weil der Start ins Berufsleben beängstigend ist.

Aber auch im Alltag ist es die grosse Kunst, einen Gang runterschalten zu können. Was hilft mir dabei? Ich habe angefangen, mit einer Freundin in einen Body-Pump-Kurs zu gehen. Innerhalb einer Stunde wird der ganze Körper trainiert – Effizienz pur. Überall Leistung und Optimierung, und ich falle noch im entspannenden Ausgleich voll drauf rein. Ärgerlich.

Kolumne: «Aus meiner Bubble»

Kommentare

Ueli Keller
Bildungs- und Lebensraumkünstler

Es geht um nichts bis gar nichts.

Leistungsdruck und Stress sind die eine und materielle Seite der Medaille. Die andere ist die, dass es dabei in der Regel substanziell um nichts bis gar nichts geht.

Beatrice Isler
15. September 2025 um 08:40

Resilienz?

Und wie steht es heute eigentlich mit der Resilienz? Ich finde – und das ist meine subjektive Wahrnehmung –, dass die Resilienz verloren geht. Wir täten gut daran, diese mit den Kindern zu trainieren, damit sie lernen, schwierige Situationen auszuhalten.

Ich vergleiche ab und zu mit den Menschen in den Kriegs- und Krisengebieten: Es ist unglaublich, was diese aushalten müssen. Wenn ich dann höre, über was hier in unserer schönen und bislang sicheren Schweiz gejammert wird, dann frage ich mich, ob das nicht Jammern auf hohem Niveau ist?

Ich möchte keineswegs abwerten, was im Beruf und beim Studium geleistet wird. Der Druck nimmt zu, das Tempo auch – zurückschalten wäre wohl entlastend.