Basel-Stadt erhält einen Prämiendeckel
Die Krankenkassenprämien sollen künftig maximal zehn Prozent des Einkommens ausmachen. SP-Grossrätin Melanie Eberhard kommt äusserst knapp mit ihrer Forderung durch.
Es ist ein höchst knapper Entscheid mit weitreichenden Konsequenzen: Der Grosse Rat beschliesst am Mittwoch, dass Baslerinnen und Basler künftig nur noch maximal zehn Prozent ihres Einkommens für Krankenkassenprämien ausgeben müssen – die Differenz bezahlt der Staat.
Das Parlament überweist eine Motion der Sozialdemokratin Melanie Eberhard mit 46 zu 44 Stimmen an die Regierung. Diese muss die Forderung nun umsetzen. Der Entscheid, ob das Geschäft in der abgeschwächten Form als Anzug weiterbehandelt werden soll, fällt mit 45 zu 44 Stimmen noch knapper aus.
Die GLP und alle Fraktionen rechts von ihr stimmen geschlossen gegen die Überweisung als Motion. Vier bürgerliche Politikerinnen und Politiker sind nicht anwesend – bei der Linken fehlen drei. Wäre ein bürgerliches Parlamentsmitglied mehr an der Sitzung gewesen, hätte Grossratspräsident Balz Herter den Stichentscheid fällen müssen. Der Mitte-Vertreter wäre wohl seiner Fraktion gefolgt und das Geschäft als Anzug an die Regierung gelangt.
Sutter fürchtet Systemwechsel
Heute beträgt die durchschnittliche Prämienbelastung im Kanton 17 Prozent des verfügbaren Einkommens. Wie genau das System künftig ausgestaltet werden soll, ist noch nicht klar – die Motion lässt hier einigen Spielraum. Die Regierung mit dem zuständigen Sozialdirektor Kaspar Sutter (SP) rechnet vor, dass eine Umsetzung in der «grosszügigsten Variante» jährlich bis zu 170 Millionen Franken Mehrkosten mit sich bringt. Es ist aber zu erwarten, dass die Vorlage am Ende einen Vorschlag für eine moderatere Umsetzung enthält.
Kaspar Sutter argumentiert in der Ratssitzung letztlich vergebens – gegen die eigene Partei –, dass der Kanton «bereits sehr viel Geld in die Hand nimmt», um mit den Prämienverbilligungen gezielt einkommensschwache Haushalte zu unterstützen. Vergangenes Jahr waren es 220 Millionen – im Jahr 2001 hatte Basel-Stadt noch 90 Millionen ausgegeben. Mit Eberhards Forderung würde das System «ziemlich komplett umgestellt». Sutter und die Regierung wollten hingegen moderatere Massnahmen ergreifen, um die Prämienlast zu senken, «ohne die Vorzüge des bewährten Basler Systems der aufeinander abgestimmten Sozialbeiträge umgestalten zu müssen».
Linke gewinnen – auch ohne GLP
Mit dem Anzug wäre auch die GLP einverstanden gewesen. Bei der Erstüberweisung gab es noch Grünliberale, die für die scharfe Motion stimmten. Nun aber schwenken diese einhellig um. Tobias Christ sagt, das Problem der hohen Belastung beim Mittelstand sollte über die Steuern und nicht über die Gesundheitskosten angegangen werden.
Vertreter aus dem rechten Spektrum wollen Eberhards Vorstoss sogar ganz abschreiben. Der Preis ist ihnen zu hoch. Ausserdem könnten davon auch Personen profitieren, die gar nicht auf die Unterstützung angewiesen sind, sagt etwa Michael Hug von der LDP.
Der Ratslinken mit SP, Grünen und Basta wiederum sind die Zugeständnisse der Regierung zu lasch, weshalb sie an der Motion festhält. Basta-Vertreter Oliver Bolliger: «Wir sind überzeugt, dass der Regierungsrat nur so in Bewegung kommen wird und etwas Handfestes entstehen kann.»
Die SP stellt sich auf den Standpunkt, dass die Forderung auch ohne Systemwechsel umgesetzt werden könne. Die Prämienbelastung sei im Kanton Basel-Stadt besonders hoch, deshalb sei das Anliegen so wichtig. Mehrere Linke verweisen in der Debatte auf die nationale Abstimmung vom Juni 2024. Die Prämien-Entlastungs-Initiative wurde zwar abgelehnt, doch im Kanton Basel-Stadt fand sie eine Mehrheit.
Sutter erklärt, dass die Initiative eine völlig andere Finanzierungslösung vorsah, denn hier hätte der Bund zwei Drittel der Kosten übernommen. Allein in Basel-Stadt umgesetzt, wäre die Vorlage für den Kanton also dreimal so teuer ausgefallen.
Eberhard sorgt sich nicht um Referendum
Für Melanie Eberhard ist die Abstimmung vom Mittwoch ein grosser Erfolg. Die 34-Jährige politisiert seit 2021 im Basler Kantonsparlament. Sie ist eine aktive Grossrätin, die regelmässig mit Vorstössen auffällt. SP-intern machte sie sich für Mustafa Atici als Regierungskandidaten bei den Wahlen im Frühling 2024 stark. Dieser setzte sich nicht nur in der Parteiversammlung, sondern schliesslich auch bei der Wahl durch.
Eberhard ist etwas überrascht vom neusten Erfolg im Grossen Rat: «Es sah nicht danach aus, dass wir den Vorstoss ein zweites Mal als Motion überweisen können», sagt sie nach der Sitzung zu OnlineReports. Sie freue sich nun sehr über das Ergebnis – «und dass wir in dieser Thematik einen Schritt weiterkommen».
Die SP-Grossrätin unterstützt die Aussage, dass das heutige System der Prämienverbilligung grundsätzlich gut sei, indem es sich etwa automatisch an die Teuerung anpasse und vor allem den unteren Einkommensschichten zugutekomme. Doch ein «sehr grosser Teil der Bevölkerung» falle durch die Maschen. Sie erwartet nun, dass der Kreis an Bezugsberechtigten erweitert wird und künftig mehr Menschen von den Prämienverbilligungen profitieren.
Dass die Vorlage am Ende mit einem Referendum bekämpft werden könnte, bereite ihr angesichts der vergangenen nationalen Abstimmung keine Sorgen.