Der Kanton soll dies und das

Andrea Strahm, Kolumnistin
(Bild: Eduardo Elia)

Meine zweite Legislatur im Grossen Rat ist in vollem Gange, ich bin also im fünften Jahr, langsam werde ich zur «habituée», wie die vornehme Baslerin zu sagen pflegt.

Anfangs staunte ich Bauklötze, denn dieser Grosse Rat kam mir vor wie ein grosser Kindergeburtstag, an dem Wünsche in Erfüllung gehen sollen. Inzwischen sehe ich es etwas differenzierter. Kürzlich habe ich sogar selbst einen Wunschzettel abgegeben, der an Wichtigkeit kaum zu überbieten ist: Auf dem Wielandplatz soll, bitte, anstelle des Chromstahl-Spucknapfs, der in einem gestalterischen Höhenflug der Behörden dort platziert wurde, ein Basiliskenbrunnen installiert werden.

Die FDP erkundigte sich, ob ich demnächst per Vorstoss ein Vogelhäuschen in einer Tanne des Schützenmattparks verlangen würde. Ich muss zu meiner Ehrenrettung sagen, dass ich tatsächlich versucht habe, diesen Brunnenwechsel auf bilateralem Weg mit dem Bau- und Verkehrsdepartement zu erreichen. Fehlanzeige! Man beschied mir dort, ich solle einen Vorstoss einreichen. Aber lassen wir das.

Mein Anzug wurde überwiesen, und wir hoffen nun, dass das Chromstahl-Scheusal noch zu Lebzeiten der derzeitigen Anwohnenden verschwindet.

Eine unkontrollierte Privatwirtschaft würde die Ellbogen ausfahren und Gewinne auf Kosten der Bevölkerung optimieren.

Der Kanton soll also dies und das, so wollen wir das, wir Grossrätinnen bis Grossräte, wie ein Grossratskollege jeweils sagt. Es ist tatsächlich die vornehme Aufgabe der Legislativen, des Parlaments, der Regierung die rechtlichen Vorgaben zu machen. Gewaltentrennung, so soll zu viel Machtfülle auf einer Seite verhindert werden. Und das ist gut so.

Die andere Gewaltentrennung sollte zwischen Kanton und Privatwirtschaft spielen. Eine unkontrollierte Privatwirtschaft würde die Ellenbogen ausfahren und Gewinne auf Kosten der Bevölkerung optimieren. Es gäbe Absprachen, eine Hand würde die andere waschen.

Als Studentin arbeitete ich als Alleinsekretärin in einem Handwerksbetrieb. Es funktionierte so: Eine Arbeit wurde ausgeschrieben, wir mussten offerieren. Und telefonierten: Den letzten Auftrag hattest du, ich habe jetzt Zeit, oder vielleicht will der Hans, dem haben sie doch den letzten Auftrag gestrichen. Man einigte sich, wir offerierten 10 Prozent über Tarif, die anderen vielleicht 10 Prozent darunter. Das sprach man ab, man wusste ja, wie die Kriterien sind: Der teuerste und der billigste Handwerker fliegen raus, und dann noch ein paar Trickli, und es kam, wie wir es geplant hatten.

Der Mensch ist ein Selbstoptimierer. Jeder Mensch.

Es gab die Vitamin-Kartelle, in die Roche involviert war, Absprachen kontrollierten den Markt. Heute geht das nicht mehr, es ist verboten, und das ist gut so, denn die Zeche bezahlte damals der Endverbraucher über einen künstlich erhöhten Preis.

Es ist menschlich, dass Grenzen ausgelotet werden. Der Mensch ist ein Selbstoptimierer, jeder Mensch. Deshalb ist es umso wichtiger, dass der Privatwirtschaft Grenzen gesetzt und diese vom Staat durchgesetzt werden.

Und nun soll Grund und Boden allen gehören. Der Kanton soll Grundstücke aufkaufen, so will es der Grosse Rat, so will es das Volk. Und danach Baurechte vergeben, er müsse ja nicht selbst bauen. Nett zu hören, angesichts all der kantonalen Baudebakel, die wir in der Pipeline haben. Bernoulli habe das schon gesagt, so hört man. Die Macht über den städtischen Grund und Boden den Behörden, so das Credo.

Wer aber sind «die Behörden»? Eine wachsende Ansammlung von Menschen, die genauso funktionieren wie alle anderen auch. Du suchst eine Wohnung? Wir haben da gerade eine bei Immobilien Basel-Stadt, wird gar nicht erst inseriert, weg ist sie. Das Reihenhäuschen eines Verbeiständeten musste verkauft werden, keine Angehörigen. Es wurde nicht, wie erforderlich, öffentlich versteigert, sondern ging wie durch Zauberhand an jemanden aus der Verwaltung. Wer kontrolliert, wer sanktioniert? Niemand.

Oder die Genossenschaftsfrage. Die Genossenschaftsauflage sei bei einer Überbauung – so erzählte man mir – durch einen Mitarbeiter der Verwaltung so erfüllt worden, dass er mit Freunden eine Genossenschaft gegründet habe. Nun hätten sie so eine Art Super-WG, staatlich gefördert und unterstützt. Sozial? Nein. Wer kontrolliert das? Keiner.

Ich habe diese Beispiele nicht erfunden, und es gibt weitere, immer zum Nachteil des Bevölkerungsteils, der nicht in der Verwaltung arbeitet. Auch die Verwaltung ist nicht anders als die Privatwirtschaft: Sie schaut für sich, optimiert ihre Gewinne, wenn sie dies unkontrolliert tun kann. Und das kann sie.

Wenn also der Kanton auf dem Immobilienmarkt aktiv wird, können wir davon ausgehen, dass jener Teil der Bevölkerung, der beim Kanton arbeitet, direkt oder indirekt am meisten profitiert. Das kann niemand verhindern, denn es gibt keine Kontrolle.

Wollte Bernoulli dies? Ich denke nicht.

Kolumne: «Alles mit scharf»

Kommentare

Peter Waldner
21. April 2025 um 09:22

Der Staat ist keine Firma

Zweifellos braucht es Regeln; auch in der Privatwirtschaft. Aber: Nur so viel wie nötig – und nicht so viel wie möglich. Bei jeder gesetzlichen Regel muss (müsste!) die Legislative jeweils Rechenschaft ablegen, wie sie durchgesetzt, kontrolliert wird, wer das tun muss und wieviel es kostet. Mir scheint, dass wir zu viele Gesetze haben, welche die Mehrheit der Bevölkerung gar nicht kennt oder nicht versteht (... unverständlich formuliert auf tausend Seiten); oder weil sie – ganz simpel – wider dem «gesunden Menschenverstand» sind, weil sie irgendeine Minderheit schützen will, die sich selbst nicht im Griff hat. Das Resultat sehen wir doch: Überforderte Exekutive und Judikative; nur die Legislative «spielt» fröhlich weiter «Wunschzettelchen-schreiben». Wirtschaft: Ist es wirklich notwendig, dass der Staat sich zunehmend auferlegt, zum Beispiel Bewilligungen für dies und das fordert und verwaltet, möglichst rentabel? Der Staat ist keine Firma! Vermieter spielen und dabei die eigene Vetternwirtschaft «übersehen» – das zerstört Vertrauen in den Staat. Unser System basiert auf der freien Marktwirtschaft – und die ist «privat»! Des Staates Aufgabe ist, das zu unterstützen (Dienstleistung!) nicht zu behindern.