Gold für Trump: Korruption wie aus dem Bilderbuch
Schweizer Unternehmer scheuten sich nicht davor, den US-Präsidenten vor laufenden Kameras zu bestechen. Das hat es in der Geschichte der Eidgenossenschaft noch nie gegeben.
Wir Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten von Informationen können kaum behaupten, wir seien über die Schweizer Reisediplomatie um Donald Trumps Zoll-Diktat aktuell, umfassend und wahrheitsgetreu informiert worden.
Das Informations-Rinnsal, das uns aus verschiedensten interessengesteuerten Quellen erreichte, hinterliess weit mehr Verunsicherung als Vertrauen. Ob sich nun Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter im Ton mit Trump vergriffen hat, und ob Wirtschaftsminister Guy Parmelin vielmehr der «Dealmaker» war, bleibt uns nicht erschlossen.
Vielleicht war Parmelins Verhandlungserfolg von 15 Prozent nur möglich, weil Keller-Sutter dem mächtigsten Politiker zuvor die Zähne gezeigt hat. Vielleicht war die Schweizer Wirtschaftsdelegation, die – ohne Auftrag, wohl aber in Absprache mit dem Bundesrat – im Oval Office vorsprechen durfte, gar matchentscheidend. Wir wissen es nicht.
Seit eine goldene Rolex-Uhr und ein Goldbarren aus der Alpenrepublik im Wert von 150'000 Franken Trumps Arbeitstisch zieren, wissen wir aber mit Sicherheit eines: Schweizer Unternehmer scheuten sich nicht vor dem Versuch, den US-Präsidenten vor laufenden Kameras zu bestechen.
Vielleicht war es Kalkül, vielleicht schiere Verzweiflung über die dramatischen Folgen, die dauerhafte Zölle von 39 Prozent für die Schweizer Exportwirtschaft haben könnten. Denn dass sich das Herz des Handelskriegers Trump erwärmt, wenn ihm Hochkarätiges in Gelb entgegen funkelt, weiss hierzulande jedes Kind.
Unklar ist nur, ob sich die Schweizer Wirtschafts-Exponenten der Tatsache bewusst waren, dass jede amtliche Zuckung des mächtigsten Mannes der Welt in Form von Fotos oder Videos festgehalten wird.
Wie kamen Schweizer Unternehmer dazu, dem zweifelhaften Herrscher, der Wochen zuvor Keller-Sutter auf eine Weise heruntergeputzt hatte, die in der Schweiz ihresgleichen sucht, mit Prunk die Aufwartung zu machen?
Egal, auf welchem Weg die von der Schweizer Unternehmens-Delegation in Washington dargebrachten Opfer öffentlich wurden – sie zeigen eines: Noch nie in der Geschichte der Eidgenossenschaft hat die Bevölkerung so unverfroren aktive Behörden-Bestechung vorgeführt bekommen, die dazu dient, wirtschaftliche Ziele zu erreichen.
Man mag einwenden, die edlen Souvenirs seien eine Kleinigkeit gemessen am enormen volkswirtschaftlichen Nutzen, den eine Tarifsenkung auf 15 Prozent der gesamten Bevölkerung und ihren Unternehmen bringe.
Doch darum geht es nicht. Entscheidend ist eine andere Frage: Wie kamen Schweizer Unternehmer dazu, dem zweifelhaften Herrscher, der Wochen zuvor Keller-Sutter auf eine Weise heruntergeputzt hatte, die in der Schweiz ihresgleichen sucht, mit Prunk die Aufwartung zu machen? Die Schweizer Bundespräsidentin ist auf Behörden-Ebene immerhin Trumps hierarchisches Äquivalent.
Dass eine hochkarätige Schweizer Unternehmergruppe bei US-Behörden für günstige Zollbedingungen lobbyiert, ist ihr nicht vorzuwerfen.
Unerträglich – ein hoher früherer Bundeshaus-Insider hält es vielmehr für «geradezu obszön» – ist vielmehr, mit welchen Beigaben die Bittsteller den Kotau machten gegenüber einem kriminellen Präsidenten, der systematisch auf einen Bürgerkrieg hinzuarbeiten scheint: Er lässt die Nationalgarde in demokratisch regierte Bundesstaten einmarschieren, schwarze und lateinamerikanische Bürger durch die bewaffnete Migrationsbehörde verhaften und seine Justiz an prominenten politischen Gegnern Rache nehmen.
Narzisst Trump dürfte die Gold-Gabe als Unterwerfungsgeste empfunden haben.
Narzisst Trump, der als US-Präsident private Vermögensvermehrung als Geschäftsmodell praktiziert und seine politische Macht schamlos zelebriert, dürfte die Gold-Gabe als Ehrerbietung, ja als Unterwerfungsgeste empfunden haben.
Wenn der Schweizer Bundesrat zu befreundeten Regierungen auf Besuch geht, bringt er jeweils auch ein Gschänkli mit – allerdings in landesüblicher Bescheidenheit: Sein Wert erreicht höchstens dreistellige Höhe, also ungefähr den Preis eines guten Konzerttickets.
Gerade die offizielle Schweiz, die sich gern als vorbildlichen Rechtsstaat mit ethisch basierter Werteordnung darstellt und die weltweite Korruption beklagt, blamiert sich jetzt vor den Augen der ganzen Welt.
Nein, Edelmetall darzubieten, war kein Ausdruck «patriotischen Handelns» wie Parmelin die Bestechungs-Avance in den CH-Media-Titeln peinlicherweise herunterspielt. Es war ein für die Schweiz noch lange nachwirkender moralischer Sündenfall, der zeigt, was in gewissen Wirtschaftskreisen offenbar noch immer Courant normal ist.
Dabei wäre es längst an der Zeit, dass die internationale Staatengemeinschaft (Schweiz inbegriffen) den Handelskrieger von Washington wehrhaft in die Schranken weist. Aber offensichtlich sind falsche Lobhudelei, Unterwerfungsgesten und Bestechung immer noch das wirkungsvolle Mittel der Wahl, um dafür anfällige Entscheidungsträger günstig zu stimmen.
Für die Art, wie Trump sein Land totalitär umpflügt, eine ABC-Journalistin nach mutigen Fragen als Schweinchen («Quiet, Piggy!») beschimpft und die ganze Welt seit Monaten in Atem hält, fehlen uns die Worte. Mir fehlen die Worte selbst für das Schweizer Gold auf dem Pult dieses Mannes.