Zoff um Kultur-Rezension offenbart die Auswüchse der Medienkrise
Die Zeitung bz und der Kulturveranstalter Offbeat streiten sich öffentlich um eine Konzertkritik.
Patrick Marcolli, Chefredaktor der bz, und Urs Blindenbacher, Konzertveranstalter der Offbeat-Reihen, leisten sich am Mittwoch einen offenen Schlagabtausch.
Am Morgen schreibt Blindenbacher in einer Mail an Partner und Sponsoren, man bedaure sehr, «dass der Feuilleton-Journalismus, der Musikjournalismus quasi am Absterben ist». Jene wenigen Konzertkritiken, die heute noch erscheinen, würden «von Leuten geschrieben, die von Musikgeschichte, von Musikstilen, von gutem Journalismus wenig Ahnung haben, die auch scheinbar über ein minderwertiges Musik-Gehör verfügen». Die gleichentags erschienene Kritik des Offbeat-Konzerts von Gitarrist Al Di Meola sei «der beste Beweis dafür». Der «recht befremdende Journalismus» sei «ein Armutszeugnis für die Musik- und Kulturstadt Basel».
Journalist Marcolli reagiert am Nachmittag mit einem offenen Brief. Er kritisiert, dass es in der Kulturbranche «sehr in Mode» sei, sich über den Kulturjournalismus zu beschweren. Die «meisten Kulturunternehmenden» wünschten sich «ausschliesslich positive Vermittlungsarbeit durch Journalistinnen und Journalisten».
Es ist nicht das erste Mal, dass sich der bz-Chef vor seine Mitarbeitenden stellt. Im April verteidigte er einen kritischen Meinungsbeitrag einer Journalistin aus seinem Team, nachdem «der Manager» des Basler Sinfonieorchesters offenbar interveniert hatte. Und im Herbst 2023 machte das Blatt publik, dass ein Kulturhaus nach einem Artikel keine Inserate mehr schalten wollte.
Es droht ein irreparabler Schaden bei der Medienqualität
Sowohl Blindenbacher als auch Marcolli haben recht. Der Spardruck bei den Medien führt zu einem Abbau in allen Ressorts und wohl überproportional in der Kultur. Ältere Journalisten mit grossem Fachwissen werden nach der Pensionierung oder ihrem Abgang nicht ersetzt, und die jungen, günstigen Übriggebliebenen müssen sich das Wissen selbst aneignen.
Hier droht ein irreparabler Schaden in der Medienwelt. Hat eine Redaktion ihre Expertise auf einem Gebiet einmal verloren, ist sie kaum mehr zurückzugewinnen. Denn an Medienschulen lernt man zwar das technische Handwerk, nicht aber die Eigenheiten eines Fachgebiets, insbesondere auf lokaler Ebene. Wie die Chefredaktoren die Sparpakete, die sie von ihren Verlagen auferlegt bekommen, heute umsetzen, hat also einen entscheidenden Einfluss auf die Medienqualität von morgen.
Der Medienplatz Basel weist zwar eine vergleichsweise grosse Vielfalt an Titeln aus. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zahl an Journalistinnen und Journalisten auch hier insgesamt immer kleiner wird. Die Medienkrise betrifft die Region Basel im gleichen Mass wie andere Orte.
Nun ist die Konzertbesprechung des bz-Journalisten, um die es in diesem Streit geht, keinesfalls dilettantisch. Der Autor ist selbst Musiker und spielt in der Band einer bekannten Nordwestschweizer Sängerin. Die Reaktion Blindenbachers auf die ihm unerwünschte Kritik bestätigt Marcollis Punkt. Die Kulturunternehmen vergessen, dass journalistische Medien – im Gegensatz zu hauseigenen PR-Publikationen – nicht zur Kulturszene gehören und es ihre Aufgabe ist, aus der Distanz kritisch zu berichten und zu rezensieren. Die Journalistinnen und Journalisten stehen im Dienst ihrer Leserinnen und Leser – und keinesfalls der Veranstalterinnen und Veranstalter. Das gilt übrigens genauso für die anderen Ressorts: Medienschaffende sind weder Partei-Sympathisantinnen noch Sportclub-Fans.
Es ist allzu leicht, Medien unter Druck zu setzen
Abgesehen davon machen Kulturveranstalter den Denkfehler, dass nur eine gute Rezension für sie von Vorteil sei. Das Gegenteil ist der Fall: Mit einem kritischen Bericht steigen Glaubwürdigkeit und Interesse. Die Leserinnen und Leser können selbst denken und sich eine eigene Meinung bilden.
Es ist heute allzu leicht, die Medien unter Druck zu setzen. Vor allem kleine Redaktionen nehmen kritische Artikel vom Netz, weil sie es sich nicht leisten können, sich vor Gericht gegen eine Klage zur Wehr zu setzen – obwohl die Chancen, den Prozess zu gewinnen, das Risiko einer Niederlage überwiegen. Drohungen, Inserate zu entziehen, sind nicht nur geschmacklos, sondern verstärken die Existenzängste von Medienschaffenden. Die Arbeitszufriedenheit in der Branche ist schlecht, viele gute Journalistinnen und Journalisten verlassen den Job.
Die Diskussion, ob und wie die Medien gerettet werden sollen, kreist derzeit hauptsächlich um das Finanzielle. Tatsächlich hilft es, wenn Kulturorganisationen, die Kantone und Unternehmen ihr Werbebudget nicht vollständig bei Elon Musks und Mark Zuckerbergs Sozialen Medien oder auf Google platzieren, sondern auch die regionalen Zeitungen, Radiosender und Fernsehstationen berücksichtigen. Auch staatliche Förderung, das zeigen Beispiele anderer Länder, kann Nachrichtenwüsten vorbeugen.
Ebenso wichtig ist aber auch, dass die Journalistinnen und Journalisten und ihre Titel keine Repressalien erfahren, auch wenn eine Kritik scharf ausfällt. Solange die Regeln und der Branchenkodex eingehalten werden – und das tun sie im vorliegenden Fall zweifellos –, müssen die journalistischen Beiträge akzeptiert werden.
Zur Linderung der Krise hilft auch, die Medien ihre Arbeit machen zu lassen.