Kolumne: «Alles mit scharf»

Die bösen jungen Männer aus Nordafrika

Die Kolumnistin will das Asylthema nicht den Polparteien überlassen. Sie fordert eine sachliche und zielorientierte Diskussion.

Symbolfoto: Nordafrikanischer junger Mann
Neugierig, aufgeregt und oft auch schüchtern: junge Männer aus Nordafrika. (Symbolfoto: ZVG)

Es gibt diese Themen, bei denen man sich als differenziert denkender Mensch nur die Finger verbrennen kann. Also schweigen, wegschauen, wie dies alle tun, ausser die, die sich das fragliche Thema auf die Fahne geschrieben haben? Tun wir moderateren Politikerinnen dies, überlassen wir die Diskussion den Polparteien – und dann entstehen Fronten, keine Lösungen. Also schauen wir hin und kriegen halt Haue, von links bis rechts.

Ich wollte bloss wissen, warum es bei den Zugewanderten, die Sozialhilfe erhalten, je nach Herkunft massive Unterschiede gibt. Jede dritte zugewanderte Person aus arabischen und afrikanischen Staaten benötigt Sozialhilfe, von allen anderen Herkunftsländern sind es maximal zehn Prozent.

Was sind die Gründe, was tut die Regierung, was wird unternommen?, fragte ich, um diese auffällige Häufung zu erklären. Prime News berichtete, dass die betroffene Gruppe gemäss amtlicher Auskunft zu einem grossen Teil aus jungen Maghrebinern im Asylverfahren besteht. Die ersten fünf Jahre werden Asylsuchende aber von der Flüchtlingshilfe des Bundes unterstützt, erst danach greift die kantonale Sozialhilfe. Diese jungen Männer – beschränken wir uns in dieser Kolumne auf sie – sind dann also bereits über fünf Jahre hier, unterstehen einem Beschäftigungsverbot und erhalten einfach Geld. Jedenfalls ist dies mein Wissensstand; anderes erfuhr ich nicht.

Im Zug von Lugano nach Basel sehe ich sie oft und werde von ihnen zuweilen auch angesprochen. Es sind neugierige, aufgeregte, auch schüchterne junge Männer mit Zetteln in der Hand. Manchmal holt sie die Polizei aus dem Zug, manchmal schaffen sie es bis Luzern, Olten und Basel. Sie sind noch nicht abgebrüht, nicht kriminell. Diese jungen Menschen sind nicht anders, als es die Freunde meiner Töchter in diesem Alter waren. Sie sind abenteuerlustig, wollen die Welt erobern. Natürlich beantragen sie Asyl, man hat es ihnen vermutlich so geraten. Sie würden Geld und einen gut bezahlten Job erhalten, ihrer Familie viel Geld schicken. Als reiche Männer, Helden, zurückkommen. Träume. Die gleichen, die die Schweizer des vergangenen Jahrtausends hatten, als sie in die USA auswanderten.

Wir schützen diese jungen Männer nicht, und damit schützen wir uns nicht.

Nur: Bei diesen jungen Nordafrikanern wird sich wahrscheinlich nichts von alledem erfüllen. Sie werden in einer endlosen Warteschlaufe landen, zur Untätigkeit verdammt, mit etwas Geld versehen, zu wenig und zu viel zugleich. Jahrelang. Fünf Jahre sind eine Ewigkeit, wenn man zwanzig und voller Lebendigkeit ist. Was passiert in dieser Zeit mit ihnen? 

Es liegt auf der Hand: Sie kommen auf dumme Ideen und sind ein gefundenes Fressen für das organisierte Verbrechen. Wir schützen sie nicht, und damit schützen wir uns nicht. Wir verhindern nicht, dass sie in eine Abwärtsspirale geraten, süchtig, depressiv und kriminell werden. Wer würde das nicht, in dieser Situation.

Pranger und Finger-Pointing ist absolut fehl am Platz. Was kürzlich geschah, diese unglaubliche Hatz von rechts auf Männer mit dunkler Hautfarbe aus Afrika, ist unerträglich. Das Verbrechen an dem kleinen Mädchen auf der Basler Oekolompadmatte war grauenhaft, zweifellos, aber es kann nicht angehen, dass Private Bilder von unschuldigen Menschen ins Netz stellen und diese an den Pranger stellen, nur weil sie die Hautfarbe des gesuchten Täters haben. 

Was macht diese Hatz mit den dunkelhäutigen Menschen in der Stadt? Es sind viele: Ausländerinnen, Schweizer, Einheimische, Expats. Forschende am Swiss TPH. Ärztinnen und Pfleger. Coiffeure, Tänzerinnen, Künstler. Sie sind in jedem Beruf zu finden. Manche haben aber keinen Job und benötigen Sozialhilfe, wie hellhäutige Blonde auch, gewöhnliche Bewohnerinnen und Bewohner unserer Stadt. Anders als alle anderen aber gehen die dunkelhäutigen Männer durch Basel und werden beschimpft, vorverurteilt, ja verfolgt und unverhohlen feindselig angegangen. So etwas darf doch in einer zivilisierten Demokratie nicht passieren.

Zurück zu unseren jungen, zuerst erwartungsfrohen, dann verzweifelten Maghrebinern. Anstatt einfach zu zahlen und zu warten, bis nach langen Jahren der abschlägige Entscheid und die Ausschaffungshaft kommen, muss man handeln. Rasch, präventiv. Sie dürfen nicht monatelang untätig herumlungern; sie dürfen nicht in schlechte Gesellschaft geraten. Das verhindern wir bei unseren Kindern, das müssen wir auch bei den Kindern nordafrikanischer Eltern tun, wenn wir es denn können. 

Das Bundesamt für Migration habe zu wenig Leute, wurde mir gesagt. Weshalb? Wer macht dort die Personalplanung? Stellt also genügend Leute ein. Rasche Entscheide, rasche Konsequenzen, Bleiberecht und Begleitung oder zurück nach Hause.

Wir sollten dieses heisse Thema weder den Rechten noch den Linken überlassen, sondern alle am gleichen Strick ziehen, überlegt, sachlich, zum Schutz dieser jungen Männer aus dem Maghreb – und damit zum Schutz der einheimischen Bevölkerung. 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein positives, lösungsorientiertes, glückliches neues Jahr.

Kolumne: «Alles mit scharf»

Kommentare

Ueli Keller
Bildungs- und Lebensraumkünstler

Wann ist genug genug?

Frau Strahm schaut betreffend Asylpolitik dem Taifun der Wahrheit ins Auge. Dies mitten in einer Welt, die von Gier, Herrsch- und Vergnügungssucht sowie von Zerstörungswut geprägt ist. Das parlamentarische Parteiensystem, so wie ich es im Kleinen selber von innen erlebe und im Grösseren und ganz Grossen von aussen sehe, ist Teil dieser Welt. Eine Politik, die von Links über die Mitte bis nach Rechts gemeinschaftsunfähig kaum mehr etwas menschen- und sachgerecht Wertvolles zustande zu bringen scheint. Und dies nicht nur beim Asylwesen nicht. Wie lange es wohl noch braucht, bis genug genug ist?

29. Dezember 2025 um 11:24

Mich erstaunt letztlich immer wieder die Verständnislosigkeit von uns Schweizern. Wir reisen flott in den Maghreb, um Ferien zu geniessen, prüfen aber jeden aussichts- und arbeitslosen Jugendlichen detailliert, teuer und bürokratisch, ob er hier einreisen und einfach mal drauflos leben darf. Verfolgte Flüchtlinge sind es nicht, sondern Menschen aus Ländern, in denen die Volksmehrheit aus Kindern und Jugendlichen besteht. Ihre (wirtschaftlichen) Chancen sind bei uns genauso gering wie in ihren Ländern. Ihre Erziehung und Mentalität ist ganz anders als unsere; entsprechend treffen Welten aufeinander, z.B. wenn es darum geht, Gesetze ernst zu nehmen. Ernst nimmt die doch nur noch, wer was zu verlieren hat; wer nichts hat, kann nur gewinnen oder schlimmstenfalls ohne weitere Verluste oder Unannehmichkeiten weiterleben. (Strafgesetze durchzusetzen, kostet uns offenbar zu viel!) Dabei wäre es doch so einfach: Das Bundesamt für Migration sollte nur für Migranten da sein; nicht für Leute, die eigentlich gar nicht hätten einreisen dürfen (wozu auch gehört, dass sie beweisen müssen, dass sie sich das Leben für 3 Monate leisten können) oder – wenn doch – nach spätestens 3 Monaten wieder einfach zur Ausreise gezwungen werden müssten. Ohne Bürokratie, ohne Amt und Gerichte. Einfach nur nach unseren eigenen Gesetzen! Wir müssen lernen, unsere Gesetze auch einzuhalten, wenn sie nur zu unserem eigenen Schutz dienen!

Florian Suter
Hausarzt im Ruhestand

Vielen Dank, Andrea Strahm!

Vielen Dank für diesen wohltuend unaufgeregten, differenzierten Kommentar zu einem sehr wichtigen Thema! Ich teile ziemlich alle Ihrer Aussagen. Anmerken möchte ich höchstens zu Ihrer Bemerkung über die personelle «Ausstattung» des Bundesamts für Migration: Auch hier teile ich Ihre Einschätzung, dass es dort mehr Personal brauche – aber Sie wissen ja besser als ich, dass so ein Anliegen im Rahmen der Bundesberner Sparhysterie (jawohl!) absolut keine Chance hätte/hat … nicht zuletzt auch wegen Ihren Parteikolleg:innen von der Mitte. Und die NZZ nennt reflexartig und wenig differenziert den zuständigen Justizminister einen schwachen Bundesrat (es gibt auch schwache Journalist:innen …). Aber trotzdem nochmals: Vielen Dank für Ihre Kolumne und alles Gute zum Neuen Jahr!