Kunstmuseum Basel muss Ferdinand Hodlers Monumentalwerk restaurieren
Hauptbau-Sanierung, Vakanzen, Finanzprobleme: Das Museum hat aktuell viele Baustellen. Nun kommt noch eine weitere dazu.
Ferdinand Hodlers «Blick ins Unendliche» ist eng mit dem Hauptbau des Kunstmuseums Basel verbunden. Das Werk kam mit der Eröffnung 1936 ins Foyer im zweiten Stock. Es wurde gelegentlich umplatziert und einmal an die Fondation Beyeler ausgeliehen. Doch die meiste Zeit hing es hier – auch jetzt.
Diese Verbundenheit wird für das Kunstmuseum nun aber zum Problem. Der Hauptbau am St. Alban-Graben soll ab 2029 aufwendig saniert werden. Ein Mammutprojekt. Die Arbeiten dauern voraussichtlich vier Jahre. So lange bleibt der Hauptbau geschlossen.
Der «Blick ins Unendliche» – früher meist als «Blick in die Unendlichkeit» bezeichnet – muss während dieser Zeit von der Wand entfernt werden. Das Gemälde kommt entweder in ein Lager oder wird woanders ausgestellt. Konkrete Pläne bestehen noch nicht – das ist aber auch nicht die Hauptsorge. Viel brisanter: Das Werk kann in seinem jetzigen Zustand gar nicht transportiert werden.
Um keinen Schaden zu nehmen, ist vorgängig eine Restaurierung nötig. Das bedarf Zeit und Geld. Doch das Kunstmuseum steckt finanziell in Schwierigkeiten. 2024 musste der Grosse Rat einen Nachtragskredit in Höhe von 2,55 Millionen Franken sprechen, woraufhin sich das Kunstmuseum vom Finanzchef trennte. Dessen Posten ist, genauso wie jener der Bereichsleitung Betrieb, bis heute nicht besetzt.
Kein Platz im ordentlichen Budget
In der Kunstszene rechnet man für die Hodler-Restaurierung mit einer Million Franken. Kunstmuseum-Sprecher Olivier Joliat nennt gegenüber OnlineReports keinen konkreten Betrag – widerspricht aber auch nicht. «Die Summe übersteigt jedoch sicher die Möglichkeit, das Projekt in unserem ordentlichen Budget unterbringen zu können», sagt er.
Die Bildungs- und Kulturkommission des Grossen Rats schreibt im Mitbericht zum Budget 2026: «Die Kosten für dieses aufwendige Restaurierungsprojekt bilden eine finanzielle Herausforderung. Zugleich böte das Projekt spannende Möglichkeiten der aktiven Kunstvermittlung und Kommunikation, indem die Restaurierung vor Publikum ausgeführt wird (was räumlich gar nicht anders möglich ist, da das Werk nicht bewegt werden kann), was aber zusätzliche Kosten generiert.»
Ein Beispiel einer Restaurierung vor Publikum liefert aktuell das Rijksmuseum Amsterdam. Rembrandts wohl berühmtestes Werk, die «Nachtwache», wird in einer gläsernen Kammer dokumentiert, rekonstruiert und konserviert. Das Konzept sei ein grosser Erfolg, sagt ein Kunstliebhaber – wie schon die öffentlichkeitswirksame Matisse-Restaurierung in der Fondation Beyeler, die 2012 abgeschlossen wurde.
Die Frage, wie die Hodler-Restaurierung finanziert werden soll, kann das Kunstmuseum derzeit nicht beantworten. «Aktuell laufen diverse Anträge», sagt Joliat. Und da die Finanzierung nicht geklärt ist, ist auch der genaue Projektstart noch ungewiss. Der Plan ist aber, 2026 mit der Restaurierung zu beginnen. Die Arbeiten nehmen drei Jahre in Anspruch. Damit würde das Werk bis zur Hauptbau-Sanierung transportfähig.
Zu gross für Zürich
Der «Blick ins Unendliche» wurde bisher nie umfassend restauriert, «nur immer wieder partiell gesichert». Um das Bild aus dem Hauptbau zu schaffen, muss es aufgerollt werden. «Zur Sicherung der Substanz bei diesem Vorgang ist eine vorherige Untersuchung sowie eine partielle Festigung der Malschicht erforderlich», erklärt Joliat. (Lesen Sie hierzu auch unsere Reportage: Ein Schnitt, ein Schuss: Das Gemälde «Tanz im Varieté» hat viel durchgemacht.)
Ferdinand Hodler ist einer der bekanntesten Schweizer Maler des 19. Jahrhunderts (1853–1918). Sein Werk im Kunstmuseum fällt nicht nur auf, weil die fünf abgebildeten Frauen tatsächlich in die Unendlichkeit zu blicken scheinen, sondern auch wegen der Grösse. Das Monumentalwerk ist knapp 4,5 Meter hoch und 9 Meter breit.
Die Grösse ist letztlich auch der Grund, warum sich das Werk in Basel befindet. Ursprünglich erhielt Hodler den Auftrag von der Zürcher Kunstgesellschaft, die damit das obere Treppenhaus des neuen Kunsthauses bespielen wollte. Doch den Zürchern war das Gemälde zu gross; die Frauen würden in einem ungünstigen Verhältnis zur Wand und zum Raum stehen. Also fertigte Hodler für Zürich eine kleinere Version an (343 x 723 Zentimeter).
1917 hat Hodler das erste – grosse – Werk in der Kunsthalle Basel gezeigt, wie im Online-Lexikon Sikart des Schweizerischen Instituts für Kunstwissenschaft nachzulesen ist. Es folgte eine «öffentliche Diskussion» darüber, das Gemälde zu kaufen. Der Basler Kunstverein organisierte eine grosse Spendenaktion und erwarb das Werk für 20’000 Franken. 1927 gelangte es mit einem Sonderkredit der Kantonsregierung in die öffentliche Kunstsammlung und befindet sich nun seit 1936 im Kunstmuseum.
Im kommenden Jahr sind Werke Hodlers auch Teil einer Sonderausstellung zu Gertrud Dübi-Müller. Die Sammlerin war mit Hodler befreundet. Er hat sie in 17 Werken abgebildet. Unter anderem stand sie Modell für – genau: «Blick ins Unendliche». Es handelt sich um die Frau ganz rechts.
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