Wohnungsnot in Basel-Stadt rettet Baselbieter Nationalratssitz
Die Zuwanderung im Kanton Baselland hat stark zugenommen. Das hat Einfluss auf die Verteilung der Parlamentsmandate.
Bei den Nationalratswahlen 2023 hat Basel-Stadt eines seiner bisherigen fünf Nationalratsmandate verloren. Grund ist die im landesweiten Vergleich unterdurchschnittliche Entwicklung der Einwohnerzahlen. Die registrierten Zahlen der Wohnbevölkerung am Ende des darauffolgenden Jahres entscheiden, wie die 200 Nationalratssitze bei den nächsten Wahlen auf die Kantone verteilt werden. Die inzwischen publizierten provisorischen Zahlen von Ende 2024 erlauben es deshalb, die Mandatsverteilung für die Nationalratswahlen 2027 zu berechnen.
Frühere Einschätzung haben befürchten lassen, dass 2027 auch der Kanton Baselland einen seiner aktuell sieben Sitze verlieren würde. Das dürfte nun aber nicht eintreffen, da die Zuwanderung im Landkanton stark zugenommen hat. Dazu hat in erster Linie die Wohnungsnot in Basel-Stadt geführt – auch beeinflusst durch den neu geregelten Wohnschutz.
Ausländeranteil gestiegen
Insbesondere Einwanderinnen und Einwanderer aus dem Ausland sind in grosser Zahl von Basel-Stadt oder direkt ins Baselbiet gezogen, wie es einer Mitteilung des Baselbieter Amts für Daten und Statistik heisst. Der Ausländeranteil an der Wohnbevölkerung ist in den vergangenen vier Jahren in Baselland um 2,1 Prozent angestiegen, in Basel-Stadt hingegen nur um 1,7 Prozent. Dabei fällt auf, dass geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer mit Schutzstatus S im Baselbiet stärker vertreten sind als im schweizerischen Durchschnitt.
In den vergangenen vier Jahren ist die Wohnbevölkerung in Baselland insgesamt um 4,1 Prozent gewachsen. Damit nähert sich der Kanton dem Schweizer Durchschnitt an.
Der Bundesrat wird voraussichtlich im Spätsommer über die Sitzverteilung nach Kantonen bei den kommenden eidgenössischen Wahlen entscheiden. Es ist aber davon auszugehen, dass sich an den erst provisorisch vorliegenden Zahlen der Wohnbevölkerung kaum mehr etwas ändern wird.
Verlierer: Bern und Graubünden
Die Zuwanderung hat zur Folge, dass anstelle des Kantons Baselland der Kanton Bern einen Sitz in der Grossen Kammer verlieren wird. Graubünden wird ebenfalls eine Vertreterin oder einen Vertreter weniger nach Bern schicken. Der Kanton Zürich kann indes seinen Wackelsitz, den er erst 2023 von Basel-Stadt übernommen hat, retten. Luzern und Freiburg dürfen sich über je ein zusätzliches Mandat freuen.
Baselland ist im Nationalrat gegenwärtig mit Thomas de Courten und Sandra Sollberger von der SVP, den beiden Sozialdemokraten Eric Nussbaumer und Samira Marti, der Freisinnigen Daniela Schneeberger, der Mitte-Politikerin Elisabeth Schneider-Schneiter und der Grünen Florence Brenzikofer vertreten. Letztere konnte ihren Sitz bei den vergangenen Gesamterneuerungswahlen nur knapp und vor allem dank der Listenverbindung ihrer Partei mit der SP halten. Der Wähleranteil der Grünen ging nämlich von 18 auf 10 Prozent massiv zurück. Brenzikofer dürfte demnach besonders erleichtert sein – sofern sie denn 2027 zur Wiederwahl antritt. Im Baselbiet stehen im Frühling desselben Jahres auch Regierungswahlen an. Die Oltinger Politikerin wird immer wieder als mögliche Kandidatin für die Nachfolge von Baudirektor Isaac Reber genannt.
Der Mitte war die Zitterpartie bei den Wahlen 2019 eine Lehre: Sie ging 2023 eine Listenverbindung mit der GLP und der EVP ein und brachte Schneider-Schneiter so in eine bessere Ausgangslage. Damit Grüne und Mitte auch 2027 einen Erfolg feiern können, müssen ihnen die Listenverbindungen wieder gelingen. Wenn nicht, wäre die SVP in der Poleposition für ein zusätzliches Mandat.
SVP versucht, Wahlregeln zu ändern
Es erstaunt deshalb nicht, dass die SVP sich auf nationaler Ebene gegen Zusammenschlüsse stellt. Wie die NZZ schreibt, versucht die SVP zurzeit, die anderen bürgerlichen Parteien dafür zu gewinnen, die Listenverbindungen bei den Nationalratswahlen abzuschaffen.
Auch hat die SVP schon mehrfach versucht, die Wohnbevölkerung als Grundlage für die Aufteilung der 200 Sitze an die Kantone abzuschaffen und stattdessen eine Berechnung aufgrund der Wahlberechtigten einzuführen. Mit 40 zu 135 Stimmen scheiterte im März 2017 zuletzt eine entsprechende Motion des Ausserrhoder Nationalrats David Zuberbühler. Das Parlament lehnte das Anliegen mit der Begründung ab, dass es damals ein bewusster Entscheid des Verfassungsgebers gewesen sei, die ausländische Wohnbevölkerung einzubeziehen.
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