Kaltblütiger Mord oder ungewollte Schussabgabe?

Das Strafgericht Baselland führt derzeit einen Prozess gegen einen Mann, der vor 25 Jahren auf dem Areal der St. Jakobshalle in Münchenstein einen Drogenhändler erschossen haben soll.

Strafjustizzentrum Baselland
Ein besonderer Fall am Strafgericht in Muttenz. (Bild: Wikipedia / Roland Zumbühl)

Es ist kein alltäglicher Fall, der am Strafgericht Baselland in Muttenz seit Montagmorgen verhandelt wird. Nicht nur geht es um einen mutmasslichen Mordfall; die Tat liegt auch schon 25 Jahre zurück. Der Angeklagte, der 2023 verhaftet werden konnte, war zum Tatzeitpunkt 35 Jahre alt. Diese Umstände machen die Beurteilung des Falls nicht eben einfach.

Laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft soll der beschuldigte M. am Abend des 4. Oktober 2000 auf dem Parkplatz der Sporthalle St. Jakob in Münchenstein den serbischen Drogenverkäufer D. getroffen haben. Diesem wollte der heute 60-Jährige zwei Kilogramm Kokain «abkaufen». Für M. gilt die Unschuldsvermutung.

Wertlose Papierschnitzel

Als der Dealer mit einem gemieteten Smart Cabriolet vorfuhr, setzte sich M. zu ihm auf den Beifahrersitz, um die Übergabe des Kokains abzuwickeln. Offenbar hatte der Angeklagte aber nicht die Absicht, die Ware zu bezahlen. Denn statt der vereinbarten 130’000 Franken in bar übergab er dem Verkäufer ein verschlossenes Kuvert mit wertlosen Papierschnitzeln.

Als dieser den Umschlag öffnete, soll der Beschuldigte seine mitgeführte Pistole gezogen und dem überraschten Drogenhändler aus nächster Nähe in die Schläfe geschossen haben. Nach der Schussabgabe nahm M. das Kokain an sich und floh. Das Opfer starb am folgenden Tag im Universitätsspital Basel an den Folgen der Schussverletzungen.

Keine Verjährung eingetreten

Der erste Punkt, den das Gericht zum Prozessauftakt zu klären hat, ist die Frage der Verjährung. Zwar verjährt Mord heute erst nach 30 Jahren, zum Tatzeitpunkt betrug die Verjährungsfrist aber noch 20 Jahre. Das fünfköpfige Gericht unter dem Vorsitz von Strafgerichtspräsidentin Annette Meyer Lopez kommt jedoch nach kurzer Beratung zum Schluss, dass keine Verjährung eingetreten sei. Gestützt auf eine diesbezügliche Vorentscheidung des Bundesgerichts, so Meyer Lopez, «wurde die Verjährungsfrist durch Verfahrenshandlungen rechtswirksam unterbrochen».

Ganz vom Tisch ist die Verjährung damit aber noch nicht. Denn andere Delikte als Mord verjähren wesentlich früher. So macht der Angeklagte geltend, er habe keineswegs vorsätzlich auf D. geschossen. Er habe den Dealer nur bedrohen wollen. Der Schuss habe sich quasi ungewollt gelöst und das Opfer tödlich getroffen. Ob das in diesem Fall tatsächlich möglich war – diese vor allem für den Vorsatz und damit auch für den Mord äusserst relevante Frage steht am ersten Prozesstag im Mittelpunkt der Verhandlung.

Forensiker haben versucht, mit einer 3D-Animation die Situation auf dem Parkplatz der Sporthalle St. Jakob nachzustellen. Die Ergebnisse wurden im Gerichtssaal präsentiert. Zudem untersuchte ein Waffenexperte des Zürcher Forensischen Instituts mit mehreren Experimenten, ob sich aus der Waffe, einer Walther PPK, tatsächlich wie behauptet ein Schuss ungewollt lösen konnte. Dabei kamen die Experten allerdings zum Schluss, eine ungewollte Schussabe sei unter den gegebenen Bedingungen doch «höchst unwahrscheinlich».

Unsichtbarer Angeklagter

Speziell am Prozessauftakt ist auch, dass Medien sowie Besucherinnen und Besucher aus technischen Gründen nicht im Gerichtssaal Platz nehmen können, sondern den Prozess in einem Nebensaal auf der Leinwand verfolgen müssen. Das ist insofern nicht ganz unproblematisch, als dass man so den Angeklagten nicht zu Gesicht bekommt und das Prinzip der Öffentlichkeit des Prozesses auf diese Weise nicht ganz eingehalten ist.

Immerhin erfährt die Öffentlichkeit bei der Befragung zur Person, dass der im Aargau aufgewachsene M. eine Chemielaborantenlehre absolviert hat, bereits in der Lehre mit Briefmarken handelte, später sein Geld mit der Auflösung von Sammlungen verdiente und schon früh mit Drogen in Berührung kam. Betäubungsmittel will er allerdings nur zum Eigengebrauch erworben und nicht mit diesen gehandelt haben. Seine Frau soll den Lebensunterhalt weitgehend bestritten haben.

M. sitzt seit rund 640 Tagen in Untersuchungshaft. Das Gericht verkündet sein Urteil am Freitag.

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«Cold Case»

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