Eigenmann staatsmännisch, Mall populistisch, Bucher verteidigend
Sobald die Diskussion über den Bildungsbereich hinausgeht, wie am Mittwoch zur EU-Frage, zeigen sich die Unterschiede der Kandidierenden für die Baselbieter Regierung.
Seit Wochen reisen der Freisinnige Markus Eigenmann, die Grünliberale Sabine Bucher und Caroline Mall von der SVP durchs Baselbiet und äussern sich an Podien zu Bildungsthemen. Dabei fällt auf, dass die drei Kandidierenden für die Nachfolge von Bildungsdirektorin Monica Gschwind in der Baselbieter Regierung trotz unterschiedlicher politischer Herkunft gar nicht so weit auseinanderliegen.
In grundsätzlichen Fragen ist man sich einig: Das Frühfranzösisch verpasse sein Ziel, die Uni-Finanzierung müsse breiter abgestützt werden, die Schulen sollten mehr Autonomie erhalten.
Man könnte beinahe übersehen, dass es am 26. Oktober um eine wegweisende Wahl geht. Schafft es Markus Eigenmann nicht, fliegt die einst staatstragende FDP aus der Kantonsexekutive – das hätte schweizweit Auswirkungen. Caroline Mall will nach der missglückten Kandidatur der Nationalrätin Sandra Sollberger 2023 die SVP als wählerstärkste Partei wieder in die Regierung bringen. Und Sabine Bucher ist als Grünliberale die Sprengkandidatin, die das bisherige Verständnis der Konkordanz hinterfragt – mit ihr würde Baselland zu einem von Mitte-Links regierten Kanton ohne rechtsbürgerliche Vertretung.
Doch es gibt auch andere Themen, bei denen es durchaus eine Rolle spielt, welche der drei Kandidierenden konkret in der fünfköpfigen Regierung sitzt. Zum Beispiel das Verhältnis zur EU. Genau dies steht am Mittwochabend im Restaurant Kaserne in Liestal im Fokus. Die Basler Sektion der Europäischen Bewegung Schweiz und Operation Libero Nordwestschweiz haben Eigenmann, Mall und Bucher zu einem Podium eingeladen, moderiert von Journalist Thomas Dähler (früher BaZ-Ressortleiter und bz-Chefredaktor, heute unter anderem für die OnlineReports-Rubrik BundeshausReports verantwortlich).
So angriffig wie an diesem Abend war es auf den bisherigen Podien nicht. Dies bestätigen auch verschiedene Stimmen aus dem Publikum. Die Unterschiede der Kandidierenden kommen deutlich zur Geltung. Ihre Gesinnung ebenfalls.
«Keine Frage von Kalkül»
Markus Eigenmann präsentiert sich als differenzierter Staatsmann. Der Arlesheimer wirkt unaufgeregt, aber klar und um Konsens bemüht. So sei er zwar tendenziell der Meinung, dass bei der anstehenden Abstimmung um die EU-Verträge das Ständemehr nicht gelten soll, weil das bei den früheren Verträgen auch nicht der Fall war. Doch sollten die juristischen Abklärungen zeigen, dass das Ständemehr angezeigt ist, so habe dieses zu gelten – «das darf keine Frage von Kalkül sein».
Eigenmann findet, dass die Baselbieter Regierung zu den EU-Verträgen eine Meinung haben und diese auch ausformulieren soll. Er selbst hat sich bereits zu den Bilateralen III bekannt. Das ist durchaus brisant, zumal seine Partei in der Frage gespalten ist und erst am kommenden Samstag an einer mit Spannung erwarteten Delegiertenversammlung die Parole fasst.
Der 54-Jährige sieht Vorzüge von geregelten Verhältnissen mit der EU für den Kanton, das Gewerbe, die Hochschulen. Die neuen Abkommen, sagt Eigenmann, seien auch ein Vorteil für die Schweiz, wenn die Zuwanderung begrenzt werden soll. Denn im Gegensatz zu bisher könne die EU nicht mehr ganze Verträge auflösen, sondern müsse bei den Sanktionen verhältnismässig reagieren.
«Warum diskutieren wir darüber?»
Caroline Mall vertritt eine ganz andere Position. Die 58-jährige Reinacherin übernimmt in der EU-Frage die Haltung ihrer Partei – und auch deren Rhetorik: Salamitaktik, Knebelvertrag, Preisgabe der Schweizer Souveränität. Sie ist giftig unterwegs, verweist schon zu Beginn der Diskussion darauf, dass die Frage eigentlich nichts mit der kantonalen Wahl zu tun habe, sondern Bundesangelegenheit sei. «Geht es hier um eine Bundesratswahl? Ist Beat Jans zurückgetreten, oder warum diskutieren wir darüber?» Sie lässt sich dann aber doch darauf ein.
Mall wünscht sich, dass die einzelnen Abkommen mit der EU – etwa in Hochschulfragen wie Horizon und Erasmus – entkoppelt und nicht als Gesamtpaket behandelt werden. Die Schweiz verkaufe sich unter Wert, trete gegenüber der EU zu wenig mutig auf. «Was auf dem Tisch liegt, ist für mich nicht auf Augenhöhe erarbeitet worden.» Dass die EU die Schweiz bestrafen kann, «wenn unser Volk eine andere Meinung hat», gehe nicht an. Das Argument, übersteuert zu werden, bedient Mall nicht nur in Bezug auf Europa, sondern auch auf den Nachbarkanton Basel-Stadt, etwa im Gesundheitswesen.
Die SVP-Politikerin reklamiert, die Verträge kosteten wegen der Kohäsionsbeiträge 350 Millionen Franken pro Jahr – Geld, das die Schweiz selbst gut gebrauchen könne. Die Schweiz solle die Zuwanderung begrenzen dürfen. Der Fachkräftemangel, der sich dadurch verstärken könnte, solle durch gut ausgebildete einheimische Leute kompensiert werden.
«Auch die Schweiz soll eine verlässliche Partnerin sein»
Mall hat an diesem Abend im Publikum wohl den grössten Rückhalt; es sind so einige Parteimitglieder gekommen. Die 46-jährige Sissacherin Sabine Bucher punktet hingegen, weil sie die einzige Kandidatin aus dem Oberbaselbiet ist.
In der EU-Frage scheint die Grünliberale inzwischen eine klare Position gefunden zu haben. Früher hatte sie noch Vorbehalte. In einem Interview mit Bajour vom September sagte sie, froh darüber zu sein, sich nicht im Detail mit diesen Verträgen befassen zu müssen. Sie vertraue auf ihre Partei, «die sagt, das sei eine gute Sache».
Nun betont Bucher: «Die EU ist in meinen Augen eine verlässliche Partnerin, und auch die Schweiz soll eine verlässliche Partnerin sein.» Deshalb sei verständlich, dass Abweichungen von den Verträgen Sanktionen zur Folge haben. Souveränität bedeute nicht einfach, Nein zu sagen. Es sei Rosinenpickerei, wenn man nur jene Vertragsbestandteile akzeptiere, von denen man profitiert.
Auch Bucher ist der Meinung, dass sich die Baselbieter Regierung in Bern für die Verträge stark machen soll, weil sie für den Kanton wichtig seien. Bei der Frage nach dem Ständemehr stimmt sie mit Eigenmann überein: Das sollen Juristen entscheiden.
Kita-Finanzierung sei keine Staatsaufgabe
In der EU-Frage eher zurückhaltend, zeigt Bucher aber an anderen Stellen klare Kante. Die GLP-Landrätin sieht etwa die Kita-Finanzierung nicht als Staatsaufgabe. Diese Aussage ist mutig, will sie doch insbesondere von der politischen Linken unterstützt werden – die hängige Kita-Initiative geht auf die SP zurück. Doch Bucher ist «gegen die Giesskanne» und sieht auch Unternehmen gefordert, einen Beitrag an die Kinderbetreuung zu leisten.
Als einzige der drei Kandidierenden spricht sich Bucher gegen den Bau neuer Kernkraftwerke in der Schweiz aus. Eigenmann und Mall hingegen wollen kein Technologie- oder Denkverbot.
Beim Thema Gesundheitskosten lanciert Mall einen Werbespot für die SVP-Initiative, die die Krankenkassenprämien von den Steuern abziehen will. Bucher, die an diesem Abend immer wieder von der SVP-Kandidatin gepiesackt wird, kontert mit ihrem Fachwissen im Steuerbereich. Damit würde der falsche Anreiz gesetzt, eine teurere Versicherungspolice abzuschliessen. Eigenmann wiederum sieht das Problem primär in der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen, das durch steuerliche Entlastungen nicht gelöst werde. Die Spitalstruktur sei teuer, die Gesundheitsdirektoren in beiden Basel sprächen kaum miteinander, und noch immer seien stationäre Behandlungen zu attraktiv.
Aus dem Publikum kommt eine kritische Frage nach dem Finanzausgleich. Eigenmann als Kopf einer Initiative von finanzstarken Gebergemeinden, die die Ausgleichsmassnahmen unter den Gemeinden neu regeln wollen, ist im ärmeren oberen Kantonsteil deswegen unter Druck. Der Freisinnige erklärt, als Regierungsrat in einer anderen Rolle zu sein und nicht mehr die Interessenvertretung für eine Gemeinderegion übernehmen zu wollen. Aber ein neuer Mechanismus sei nötig, und von der vorgeschlagenen Lösung würden die meisten Gemeinden profitieren.
Bucher nutzt als Oberbaselbieterin den Vorteil aus, kritisiert die Kürzungen für Nehmergemeinden und wirft Eigenmann vor, eine Initiative zugunsten der Zukunft von Arlesheim entworfen zu haben und die Finanzsorgen der kleinen Gemeinden zu verkennen.
Die Frage des kritischen Gasts am Anlass zeigt, dass es bei der Ersatzwahl eben um mehr geht als nur um die rein fachlichen Qualifikationen und Positionen im Bildungsbereich. Das Podium vom Mittwoch hat diesem Aspekt Rechnung getragen.
Alle Artikel über die Ersatzwahl von Monica Gschwind finden Sie in unserem Dossier.
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