Joseph Feninger kehrt zurück nach Laufen – irgendwie
Familienmitglieder des Laufner Spital-Stifters aus aller Welt übergeben dem Verein «Bezirksrat Gesundheit» ein Gemälde. Dazu kommen sie erstmals in die Heimat ihres bekannten Vorfahren.
Es ist richtig etwas los auf dem Laufner Friedhof. Vor der Kapelle St. Martin steht einer, der mit ausholenden Gesten und schauerlichen Geschichten sein Publikum fesseln will. Er redet von Alemannen, Rebellionen und über den Stifter des ehemaligen Spitals in Laufen, über Joseph Conrad Gabriel Feninger (1785–1869). Es ist Remo Oser, der zu Feningers weitgereisten Nachkommen spricht, gleich neben der Gedenktafel, die an Feninger erinnern soll.
Oser, ein Laufentaler Animal politique, hatte schon viele Hüte auf. Er war Gemeindepräsident in Röschenz, im Vorstand der Mitte Baselland, Präsident von Promotion Laufental, sogar in den Wirren rund um die Fusion des Laufentals mit dem Baselbiet hinterliess er seine Spuren. Als Fusions-Befürworter. Heute ist Remo Oser Präsident des Vereins «Bezirksrat Gesundheit». Sein Ziel ist es, dass jenes Spital nicht abgerissen wird, das zurückgeht auf die Spende von – Joseph Conrad Gabriel Feninger.
Um dieses Ziel zu erreichen, hat der Verein im August die umformulierte kantonale Initiative «s’Baselbiet haltet Wort!» auf der Landeskanzlei eingereicht. Das Feninger-Spital soll gemäss «Bezirksrat Gesundheit» als Gesundheitszentrum genutzt werden und nicht neuem Wohnraum weichen, wie es die Stadt Laufen und die Burgergemeinde geplant hatten. Sie scheiterten aber an der Urne. Remo Oser sagt: «Es ist ein Kampf David gegen Goliath.» Das Spital hingegen wolle man nicht zurück.
Der wiederentdeckte Schatz
Nach Osers Laufentaler Geschichten gehts ins Restaurant Central, das an die Joseph Feninger-Strasse grenzt. Ein herbstlicher Rehpfeffer mit Spätzli und Rotkraut wartet. Es wartet zudem der Grund, wieso der Verein und Teile von Joseph Feningers Familie sich an diesem Freitag in Laufen treffen. Noch verhüllt von einem Tuch wartet er auf den Moment der Übergabe.
Den lebenden Verwandten Joseph Feningers ist durchaus an dessen Erbe gelegen. Deshalb sind sie erstmals in ihrem Leben nach Laufen gekommen. Direkte Nachfahren hat der Laufner Spital-Spender keine. Seine Frau und Söhne starben vor ihm. Die sieben angereisten Feninger-Verwandten sind Nachkommen eines Bruders von Joseph Feninger.
Den Grund für ihr Erscheinen fand Alexandra Smith, als ihre Eltern vor zwei Jahren von ihrem Haus in eine Wohnung im Aargau umzogen. Da war dieses verstaubte Gemälde im Haushalt von Brigitte und David Smith. Wer es gemalt hat, weiss man nicht; wer darauf zu sehen ist, sehr wohl: Joseph Feninger.
Rebecca Genty-Nott ist aus Dubai angereist. Sie erzählt: «Ich habe immer gewusst, dass unsere Grossmutter wahnsinnig stolz darauf war. Sie platzierte es stets so, dass es auffiel.» Schwester Alexandra Smith jedoch wollte, dass das Porträt nach Laufen kommt, wo es entstand: «Das macht mehr Sinn.»
Alexandra Smith setzte Suchmaschinen ein, durchstöberte das Netz, fand heraus, wer Joseph Feninger war, und stiess auf den Verein «Bezirksrat Gesundheit». Ihr sei klar geworden, dass der Verein gegen den Abriss des Spitals kämpfe. Und sie habe sich die Frage gestellt: «Wenn es dieses Spital nicht mehr gibt, wo soll dann das Porträt hin?»
«Als hätte der Feninger sich gemeldet»
Noch bevor das Tuch von Feningers Porträt gehoben wird, bevor die nicht besonders proportionalen Beine ins Auge stechen und eine Uniform geschmückt mit vielen Orden den Stolz des Trägers verraten, erzählt Remo Oser vom ersten Kontakt mit Alexandra Smith. Gewieft, pointiert, wie es versierte Politiker zu tun pflegen. Eines Abends sei eine Mail eingetroffen. Die Familie habe über den Verein gelesen und fände es grossartig, was dieser leiste. Da sei dieses Porträt, das nun an den Verein gehen solle. Oser beschreibt, wie die Mail ankommt: «Plötzlich macht es pling, als hätte der Feninger sich gemeldet und sagt: weiter so.»
Weiter geht es an diesem Tag über die Kreuzung vor dem Central ins heutige Stadthaus. In ihm befand sich das eigentliche Feninger-Spital. Feninger hatte das stattliche Gebäude der Familie von Roggenbach abgekauft, die mit Franz Josef Sigismund von Roggenbach den letzten Fürstbischof von Basel stellte.
Im Roggenbachsaal, wo Jäger, Samson und ein Einhorn von den Wänden grüssen, sehen sich die Gäste neugierig um. Danach berichtet Kristin Gubler vom Verein «Bezirksrat Gesundheit», dass Joseph Feninger als Arzt an Napoleons Russlandfeldzug teilnahm. Feninger soll einen sehr hohen militärischen Rang bekleidet haben.
Rebecca Genty-Nott schwärmt von Laufen. In Dubai sei alles «supermodern». Riesige Gebäude, viel Glas. Es wirke wohltuend auf sie, zurück in die Schweiz zu kommen und eine historische Altstadt zu sehen. «Der frappante Unterschied», sagt sie, «macht einen dankbar, dass es das gibt und erhalten bleibt. Kultur und Geschichte muss etwas wert sein.»
Zwischen Dubai, Frankreichs Atlantikküste und England
Eine kosmopolitische Familie, die im Laufental auf ein Stück Familiengeschichte trifft. Rebecca Genty-Nott lebt in Dubai mit ihrem neuseeländischen Ehemann, der seine Wurzeln in La Rochelle an Frankreichs Atlantikküste hat. David Smith ist Engländer, lebt aber heute nicht mehr in Bournemouth, sondern in Baden. Alexandra Smith ist aus dem zürcherischen Pfungen angereist. Mit ihrem italienischen Partner Ettore. Inzwischen ist die achte Generation nach Joseph Feninger daran, erwachsen zu werden. Nur Brigitte Smith ist ganz in der Nähe von Laufen aufgewachsen. In Basel.
Remo Oser zieht das Tempo etwas an. Noch kurz ein Gruppenfoto vor dem Stadthaus, bevor er ins Museum Laufental bittet. Erneut mit vielen Geschichten in petto. Drei Dinge aber betont Oser den ganzen Tag über. Laufentalvertrag und Testament von Joseph Feninger würden klar belegen, das Spital sei allen Laufentaler Gemeinden geschenkt worden. Diese müssten das Bezirksspital weiter betreiben. Das übergebene Vermögen dürfe seinem Zweck niemals entfremdet werden. Wichtig sei ihm auch die Passage: «Bei Aufnahme der Kranken sollen die Vermögenslosen, den Vermöglichen vorgezogen und unentgeldlich gepflegt und besorgt werden.»
Nach einem Abstecher zu Laufens Weltmarke Ricola an der Amtshausgasse geht es schliesslich dahin, wo Joseph Feningers Grabstein heute steht. Zum Spital Laufen, das vom Kantonsspital Baselland betrieben wurde und heute Asylbewerberinnen und -bewerbern als Ort der Ankunft dient. Es löste das eigentliche Feninger-Spital ab, eröffnet 1953. Es ist auch jener Gebäudekomplex, der auf dem Lochbrugg neuem Wohnraum hätte weichen sollen. Hier, in der denkmalgeschützten Spitalkapelle St. Josef, soll das Feninger-Porträt sein neues Zuhause finden.
Dieses ehemalige Spital ist auch der Ort, wo der Verein «Bezirksrat Gesundheit» unbedingt ein Angebot im Bereich Gesundheitsversorgung wissen möchte. Das Gesundheitszentrum, das sich im Birs-Center beim Bahnhof eingemietet hat, könne jederzeit sein Angebot reduzieren, sagt Oser. Es gebe keine Sicherheit. Dabei sei alles klar.
Remo Oser bringt nochmals die Gedenktafel ins Spiel, vor der er am Morgen die Laufentaler- und Feninger-Geschichten ausbreitete. Darauf ist zu lesen: «Die dankbaren Gemeinden des Laufentals.» Oser sagt: «Das ist der wichtigste Satz.»
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Diese Reportage wurde durch den OnlineReports-Recherchierfonds ermöglicht.