Die Wahl der Qual
Voodoo-Tante Chloé blickt vor dem zweiten Wahlgang der Baselbieter Regierungs-Ersatzwahl in die Karten. Sie scheint weder mit Sabine Bucher noch mit Markus Eigenmann wirklich glücklich zu sein.
Mir kommen Schwaden von Palo Santo entgegen, als Chloé die Haustür öffnet. Vor dem entscheidenden Wahlgang vom 30. November will meine liebste Voodoo-Tante daheim nochmals räuchern und damit reinen Tisch machen. «Tu sais, die Kleingeister spuken.» Die Bildungsdirektion wartet, aber das politische Angebot von Sissach bis Arlesheim passe ihr gar nicht.
Bevor ich eintrete, zeige ich noch auf die Wahlplakate auf der gegenüberliegenden Strassenseite. Die Grünliberalen und die Freisinnigen fahren nochmals alles auf, was sie für die Ersatzwahl in den Regierungsrat in die Waagschale werfen können. Und obwohl es nichts mehr nützt: Die SVP-Plakate sind immer noch da. «Ja, die Caroline Mall ‘aben sie ‘ängen lassen», bemerkt Chloé lapidar.
In Chloés Studierzimmer angekommen, sehe ich, dass sie die Bilder bedeutender Politikerinnen und Politiker an ihrer Wand neu gestaltet hat. Mit Hilfe von KI.
John F. Kennedy hängt da immer noch. Nur zeigt ihn das Bild in seinem Lincoln Continental jetzt mit einer Schlinge um den Hals. Neben ihm sitzt nicht mehr Jackie, sondern Jeffrey Epstein. Chloé: «Die Tarot-Karten sagen, es war Suizid.»
Ergänzt wird die Bilderreihe mit Markus Eigenmann als AC-DC-Frontmann Angus Young in roter Schuluniform und kurzen Hosen. «Ist er nischt ‘erzig?» Promotor Melchior Buchs hält im Hintergrund ein Transparent in die Höhe. «Zuelose – entscheide – umsetze», ist darauf zu lesen. «Non», sagt Chloé, «das ist nischt die Titel von eine neue Gölä-Album, das ist die Göläisierung von Baselbieter Politik.»
Sabine Bucher gibt sich auf dem Bild daneben «menschlich nah». In der Liestaler Rathausstrasse verteilt sie wie einst Caroline Mall Suppe und passt wunderbar ins Stadtbild. «Das mit der Suppe ging doch schon mal schief», merke ich an. Chloé entgegnet, das habe nicht an der Suppe gelegen, sondern «malheureusement» am Wahlkampfversprechen. «‹Nöscher bi eusch› ‘aben viele als Belästigung empfunden», erklärt Chloé.
Chloé greift zu den Tarot-Karten. Sie zieht und legt das opulente Saiten-Gewitter vor sich auf den Tisch. Ein Motiv, das sich auf jene vier Virtuosinnen und Virtuosen bezieht, die in der Ersatzwahl unbedingt die erste Geige spielen wollten. «Eigenmann, Buscher, Mall – und Kirschmayr», zählt Chloé auf. «Man darf den Kirschmayr nischt vergessen. Der ‘at sisch so pointiert in Szene gesetzt.» Ich nicke: «Die Pointen hatte er tatsächlich auf seiner Seite.»
«Daraus ist ja nun ein Streichquartett geworden, zwei verbleiben», stelle ich fest. «Ja», stimmt Chloé für einmal zu, «und der Rest reisst gar nischts ausser das Baselbieter Bildungswesen in die Abgrund.» Chloe sagt, sie habe in der Zeitschrift «La monda – il mondo femminile» ganz genau gelesen, was ich geschrieben habe.
Wenn Eigenmann den Zug in Richtung Liestal verpasst, rufen die Bürgerlichen im Chor: «Wir haben den Faden verloren.»
Über Markus Eigenmann war da Folgendes zu lesen:
Er gilt als humorlos, langweilig und verspricht in vorauseilendem Gehorsam, «liebe SVP, den nächsten Match um einen Regierungssitz gewinnen wir gemeinsam». Glück im Unglück: David Degen und Daniel Stucki haben ihn nicht zum neuen FCB-Trainer gewählt. Denn eines war von Anfang an klar: Markus Eigenmann lässt keine Standardsituationen trainieren, Markus Eigenmann ist eine Standardsituation. Ausserdem: Wenn Eigenmann den Zug in Richtung Liestal verpasst, rufen die Bürgerlichen im Chor: «Wir haben den Faden verloren.»
Zur Person Sabine Bucher fand Chloé diese Zeilen:
Wenn Sabine Bucher als kleines Kind in einen Kübel mit Lenor gefallen wäre, hätten sich die Polit-Produzenten Thomas Tribelhorn und Manuel Ballmer ganz viel Arbeit sparen können. So aber griffen sie selbst zum Weichspüler und erfanden: eine Regierungsratskandidatin. Eine Steuerexpertin, die von ihren Gegnern der Trunkenheit an Steuern beschuldigt wird. Eine, der sie den Spitznamen Muttergottes der politischen Unfallflucht gaben. Bucher selbst sieht sich gegen den Strom politisieren, was wiederum die erneuerbaren Tribelhorn und Ballmer schnappatmen lässt.
Wie schon Loriot, der Meister des trockenen, feinsinnigen, mehrdeutigen, deutschen, zeitlosen, politischen, unwählbaren und plakativen Humors, wusste Chloé gerne wiederholt: «Der beste Platz für einen Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leischt zu entfernen.»
Alle Beiträge über die Ersatzwahl von Monica Gschwind finden Sie in unserem Dossier.