Sekt, Kaviar und Inseln: Cinzia auf Schnäppchenjagd
«Jedes Häppchen ein Schnäppchen», frohlockt meine millionenschwere Schwägerin Cinzia. Übrigens das einzige Gewicht, das sie nicht geheim hält.
Sie schmaust gerade den seltenen Almas-Kaviar von Albino-Stören. «Gerade mal 11'000 Euro das Kilo», triumphiert Cinzia. Dazu schlürft sie den Moët & Chandon Dom Pérignon Charles und Diana 1961, der an der Jahrhunderthochzeit von Lady Diana und Prince Charles anno 1981 ausgeschenkt wurde. Sie kichert: «Nur 2222 Dollar die Magnum-Flasche.»
Da sitze ich mit meiner treuen Feindin Cinzia, die von allem den Preis, von nichts aber den Wert kennt. Balkon mit Meerblick. Das verlängerte Wochenende verbringen wir in der neuen Villa meines Bruders Cosimo, Cinzias Ehemann, oberhalb von Portofino an der italienischen Riviera. Dabei hätte Cinzia lieber eine Strandvilla an der Riviera des Nahen Ostens. Demnächst günstig von Don Aldi zu haben. «Hoffe ich», gibt Cinzia bekannt.
Die Religion Kapitalismus ist so organisiert, dass die einen daran verdienen dürfen und die anderen daran glauben müssen.
«Du bist dir aber schon bewusst, dass für eine Villa an der Mittelmeerküste von Gaza unschuldige Zivilisten ihre Heimat verlassen müssten?», frage ich mit resignierendem Unterton.
«Natürlich», antwortet Cinzia. «Aber was ist mit den schuldigen?»
Und ich denke: Die Religion Kapitalismus ist so organisiert, dass die einen daran verdienen dürfen und die anderen daran glauben müssen. Ich höre sie sagen: «Schmeckt dir der Sassicaia? Ein Schnäppchen. Bloss 220 Pfund das Fläschchen.»
Alles, was sie gerne hätte, kriegt sie dann doch nicht, meine Schwägerin. Hand aufs Hirn, der Posten für das Präsidium der Baselbieter Mitte geht entweder an den Mischler Simon Oberbeck oder den geheimnisumwitterten Piero Grumelli, den keiner kennt. Kennen möchte?
Den Posten der vielleicht bald abtretenden Maya Graf im Ständerat kriegt Cinzia wohl auch nicht. Den machen der meinungsstarke Pascal Ryf und die meinungsintensive Samira Marti unter sich aus. Auch wenn Cinzia der Ansicht ist: «Eine eigene Meinung muss man sich erst leisten können.»
Tief atme ich durch. Sie greift wieder zur Stusswaffe, denke ich. Und wenn die Realität nicht mit den Wunschvorstellungen meiner Schwägerin übereinstimmt, kann etwas mit der Realität nicht stimmen.
Die Mitte-Leute sind keine Umfaller, die haben noch nie für etwas gestanden.
Cinzia scheint meine Gedanken zu lesen. Sie hebt, was von ihren Augenbrauen nach der letzten Botox-Behandlung noch beweglich ist. «Unterschätz' du mir mal nicht die cleveren Wohlhabenden», giftelt sie. «Kapital kommt von kapieren.»
Cinzia fragt, ob ich was gegen die Mitte habe. Ob ich sie für eine Umfaller-Partei halte. «Nein», entgegne ich. «Die Mitte-Leute sind keine Umfaller, die haben noch nie für etwas gestanden.»
Vielleicht käme Cinzia ins Parlament, wenn sie die Partei übernehmen würde. Wie einst Christoph Blocher die SVP. Ein Schnäppchen. Das nötige Kleingeld dazu hätte sie. Doch ein Teil der Bundesversammlung zu sein, ist dann doch nicht jederfraus Sache. Über die Parteigrenzen hinweg.
Während der Frühjahrssession hat mir Sibel Arslan zugeflüstert: «Wenn ich an einer Bar darauf angesprochen werde, was ich so mache, sage ich immer, dass ich gerade aus dem Knast entlassen wurde und mich noch orientiere. Es ist mir ausgesprochen unangenehm, zuzugeben, dass ich dem Parlament angehöre – nicht nur wegen Glarner Andy.»
Wonach Cinzia jetzt noch Ausschau hält, ist eine eigene Ferieninsel. Leider ist Little Saint James bereits weg. Ein Milliardär namens Stephen Deckoff soll sich die Jungferninsel gesichert haben. Eine Jungferninsel, die noch hielt, was ihr Name versprach, als Pädobanker Jeffrey Epstein, der ehemalige Eigentümer, Kollegen wie Prinz Andrew, Bill Clinton und Bill Gates für ein Schnäppchen zu sich auf die Insel bat. Rund 30 Millionen Dollar soll sie gekostet haben.
«Es gibt günstigeres», sage ich zu Cinzia. «Grönland wäre zu haben. Das habe ich in der Zeitung gelesen.» Ob es da nicht etwas kalt sei, fragt Cinzia. Ich lache. «Ach, wo bleibt der Klimawandel, wenn man ihn mal braucht», stöhnt die Schwägerin. Sie habe aber Konkurrenz, gebe ich ihr zu verstehen. Cinzia stutzt und mustert mich ungläubig. Ich nicke: «Ja, von einem echten Schnäppchenjäger.»
Rezept: Gnocchi mit Kaviar-Sauce nach Grand Hotel Les Trois Rois, Cheval Blanc by Peter Knogl, verfeinert von Cinzia Monsanto. Für wahrscheinlich 4 Personen.
Zutaten für Gnocchi
400 g Kartoffeln, mehlig kochend 100 g Kartoffelmehl 3 Eigelb Parmesan (am liebsten den Zehnjährigen von den roten Kühen) Salz Muskat
Zutaten für die Schnittlauch-Sauce
1 Schalotte 20 g Butter 2 EL Weisswein (aber bitte keine zweitklassige Cuvée) 1 EL Noilly Prat 200 ml Geflügelfond 100 g Butter 100 ml Rahm 1 EL Schnittlauch 4 EL Osietra Kaviar (wenn es einen reut) Salz, Pfeffer
Zubereitung
Beginnen wir mit einem Grappa. Ein Antinori Tignanello Grappa Riserva hebt die Stimmung.
Für die Gnocchi Kartoffeln mit der Schale in Salzwasser kochen, die Kartoffeln anschliessend schälen und ausdämpfen lassen.
Die warmen Kartoffeln durch eine Kartoffelpresse drücken. Eigelb, Parmesan und Kartoffelmehl dazugeben und zu einer Masse verarbeiten.
Mit Salz und Muskat würzen und die Masse in Gnocchiform bringen.
In einem Topf Salzwasser zum Kochen bringen und die Gnocchi kochen, bis sie an der Wasserfläche auftauchen.
Für die Sauce die Schalotte in feine Würfel schneiden, in Butter andünsten, mit Weisswein und Noilly Prat ablöschen und kurz köcheln lassen. An dieser Stelle gönne ich mir ein Glas Montrachet 2011, während ich dem zweiten Koch zusehe.
Geflügelfond zugeben und auf die Hälfte reduzieren. Butter und Sahne zugeben, passieren und mit dem Mixer aufmontieren.
Den Kaviar (lieber Almas-Kaviar vom Albino-Stör als diesen billigen Aufwisch von Osietra Kaviar, ich nasche jeweils drei Löffelchen voll) und fein geschnittenen Schnittlauch dazugeben, mit Salz und Pfeffer abschmecken. Sauce nicht mehr kochen.
Etwas Sauce in einen Topf geben (auf keinen Fall mehr kochen), die Gnocchi dazugeben und darin kurz schwenken, dann auf einen vorgewärmten, tiefen Teller geben und mit Sauce nappieren.
Aber zuvor gibt’s noch zwei Gläschen Moët & Chandon Dom Pérignon Charles und Diana 1961. Ein bisschen Luxus muss sein.
Die besten Kaviar-Rezepte: https://www.gaultmillau.ch/starchefs/kaviar-die-besten-rezepte-der-starchefs