Chäreli-Chörbli-Chaos

In einem Einkaufscenter sind Wagen am Self-Checkout neuerdings verboten. Die Kolumnistin hat einen Weg gefunden, die Regel zu umgehen – zumindest fast.

Einkaufswagen
Ungenutzte Drahtkarren.

In grauer Vorzeit, knapp nach dem Tod des letzten Dinosauriers, kaufte man Kartoffeln und Milch in einem Laden ähnlich einer Apotheke. Da war ein Tresen, dahinter befanden sich «Verkäufer» oder «Verkäuferin» genannte Personen, die nett grüssten, einen berieten, das gewünschte Produkt aushändigten und das Geld entgegennahmen. In bar, ohne Chirurgen-Handschuhe.

Die Tresen verschwanden, das Verkaufspersonal wurde durch Leute an einer Kasse ersetzt, die keine Ahnung mehr vom Sortiment haben, die Kundschaft schob ein vierrädriges Drahtgestell durch den Laden, lud die gesuchte Ware selbst hinein, lud sie an der Kasse wieder aus, bezahlte, packte alles wieder ein und ging. Es kamen QR-Codes und Strichcodes und Kreditkartenleser und Twint. Schliesslich wurden auch die Menschen an den Kassen dezimiert und die Käuferinnen dazu angehalten, die Ware ohne Mitwirkung weiterer menschlicher Wesen beim Self-Checkout selbst einzuscannen und zu bezahlen.

Daran gewöhnte sich die gewiefte Kundin. Zufolge der Dezimierung des Kassiererinnen-Bestandes verlängerten sich an den verbliebenen paar Kassen die Warteschlangen. Dort steht in der Regel nur noch an, wer nicht scannen kann und etwas komplizierter drauf ist. Und somit ewig hat, bis er bezahlt und alles eingepackt hat. Bref, man wartet dort endlos, und so checkt man lieber selbst out.

Entsprechend stiess ich kürzlich meine Drahtkarre mit bloss drei Sachen drin zum Self-Checkout. Da ich später noch einen Ventilator-Turm in der Elektroabteilung holen musste, hatte ich keinen Korb genommen, ich benötigte den Wagen. Bloss, da stand ein Riesenplakat: Einkaufswagen durchgestrichen, in einfacher Sprache mit einfachen Bildern wurde den einfachen Kunden wie mir eingehämmert, dass dies nicht mehr gehe. Nur noch Körbe, Karren müssen zum Rollband in die Warteschlange.

Drei Sachen habe ich, dachte ich mir – spinnen die? Es hatte da zwar viele Kassen, aber davon waren die wenigsten bedient, entsprechend lange waren die Warteschlangen. Bei den Selbstscanner-Kassen hingegen herrschte gähnende Leere. Die Aufpasserin studierte ihre Gel-Nägel, sah nicht hin, also machte ich auf «Ach, das habe ich nicht gesehen» und schob den Wagen zu einer Scan-Station.

Aber da hatte ich die Rechnung ohne die Grossverteiler-Polizei gemacht. «Keine Wagen, nur noch Einkaufskörbe beim Self-Checkout», bellte die Aufpasser-Lady. Ich wies darauf hin, dass ich lediglich drei Sachen im Wagen habe und noch in die Elektroabteilung muss. Nichts da, nur Einkaufskörbe, mit Karren ausschliesslich an die bediente Schnecken-Kasse. Sprach sie und widmete sich wieder ihren Gel-Nägeln.

Dann halt. Ich holte einen Einkaufskorb, tat die drei Sachen hinein, liess das Drahtvehikel kurz stehen, ging an den Scanner, zog alles drüber, legte es wieder in den Korb, bezahlte, stellte den Korb in den Einkaufswagen, stiess ihn aus der Lebensmittelabteilung und zur Elektroabteilung.

Und die Moral von der Geschichte?

Den Ventilator-Turm hatte ich online bestellt und bezahlt, stellte ihn also an der Warenausgabe zum Korb mit den drei bezahlten Lebensmitteln in den Einkaufswagen. Alles erledigt, und ich wollte friedlich zwischen der Grillkohle und der Elektroabteilungskasse hindurch aus dem Geschäft gehen. An der Kasse standen bloss ein Mitarbeiter und eine Mitarbeiterin und schwatzten. Fehlanzeige, die beiden sahen mich höchst verwundert an. «Sie müssen den Einkaufskorb hinter der Kasse hinstellen, den dürfen sie nicht mitnehmen».

Ich schwor bei allem, was mir heilig war, den Korb nicht klauen zu wollen und in die Lebensmittelabteilung zurückzubringen und erklärte meine Situation. Gelächter. Die Frau kam hinter der Kasse hervor, der Kollege kugelte sich noch immer, und räumte kurzerhand den Korb aus und legte die Sachen in die Drahtkarre, nahm den Korb mit und sagte ein paar nicht sehr druckreife Dinge über ihren Arbeitgeber. Das nächste Mal solle ich doch gleich bei ihr vorbeikommen, sie beim Elektro sähen das nicht so eng.

Und die Moral von der Geschichte? Wer nicht anstehen will, stellt halt Einkaufskörbe in den Einkaufswagen. Zur Handtasche, zu den Einkäufen aus den anderen Geschäften des Centers, zum Regenschirm, zum Kleinkind im Sitzchen.

Aber nicht nur das: Wir alle suchen und finden immer Mittel und Wege, Vorschriften so auszuhebeln, dass es für uns doch noch einigermassen stimmt. Daran sollte denken, wer Gesetze erlässt. Gesetze, die nicht sinnvoll und durchsetzbar sind und sich womöglich noch widersprechen, kann man gleich vergessen. Wir haben viele davon. Unmengen. Nur ein Beispiel: Wohnschutz versus Mieterschutz versus energetisches Sanieren versus Klimaneutralität versus Photovoltaik versus Stadtbildkommission.

Kolumne: «Alles mit scharf»

Kommentare