«Wir profitieren täglich von seinem Wirken»

Der diesjährige Kulturpreisträger und frühere bz-Redaktor nimmt Abschied von seinem ehemaligen Chef.

Mathis Lüdin, früherer Verleger der Basellandschaftlichen Zeitung
Mathis Lüdin hat die Medienbranche in der Nordwestschweiz geprägt. (Bild: ZVG)

So ungefähr muss sich die Szene im Dezember 1990 zugetragen haben: Verlagsleiter Mathis Lüdin steigt, eine «Gauloises blau» zwischen die Lippen geklemmt, aus dem kleinen Lift und erscheint zur grossen Redaktionssitzung. Diese ist jeden Dienstag um 10 Uhr anberaumt und dauert jeweils gut und gerne zwei Stunden. Mit der heiligen Abgrenzung zwischen Verlag und Redaktion nimmt man es wie schon in den vier Lüdin-Generationen zuvor nicht allzu genau. Die Redaktoren wissen bereits, dass heute Mathis, alles duzt sich im Haus der Basellandschaftlichen Zeitung, die «Couverts» mitbringt. Verlagshäuser, grosse und kleine, schwimmen im Geld.

Mathis Lüdin drückt jedem Redaktor, die gendergerechte Formulierung kann hier getrost vernachlässigt werden, einzeln einen Bonus in die Hand, der sogar einen Monatslohn übersteigt. Am Erfolg lässt Mathis Lüdin immer alle teilhaben. Doch er mahnt sogleich, dass sich das Zeitungswesen nun auf härtere Zeiten einstellen müsse. Dass seine bz heute nicht wirtschaftlich, aber journalisitisch besser dasteht als damals, hat sehr viel mit dem Verlagsleiter von damals zu tun, der am 24. Juli in seinem 80. Lebensjahr seinem Krebsleiden erlegen ist.

Aus der FDP-Zeitung wurde eine Forumszeitung

Obwohl Mathis Lüdin in jungen Jahren seine Zukunft eher in der Welt der Finanzen und in fernen Ländern sah, übernahm er auf Drängen seines Vaters Hugo den «Lüdin-Blick», wie die Zeitung in und um Liestal genannt wurde. Der damals 32-Jährige arbeitete im Haus zuerst als Redaktor und wuchs rasch in die Rolle des Verlagsleiters. Sehr schnell baute er die Zeitung nach seinen Vorstellungen um und vor allem aus. Das Geld dafür war vorhanden, und es wurde ins Produkt investiert. 

Zuerst führte er im einstigen Baselbieter Kampfblatt eine Stadt-, später eine Kultur- und schliesslich eine Sportredaktion ein. Danach formte der durchaus freisinnig denkende Verlagsleiter (mit FDP-Kleber am Heck des bz-Autos) aus der FDP-Zeitung eine Forumszeitung. Den Sturm der Entrüstung, den ein «linker» Gastbeitrag auslöste, liess er gelassen über sich ergehen. Mathis Lüdin war immer fest davon überzeugt, dass nur eine auf die Politik ausgerichtete, neutrale Zeitung die Leute ausreichend informiert und damit die Demokratie stärkt.

1992 übernahm der nach aussen oft spröde wirkende Patron die serbelnde Nordschweiz, das im Laufental starke CVP-Blatt, und integrierte es in seine bz. Das Layout wurde mehrfach modernisiert, die Frühzustellung kam. Den Schritt ins elektronische Zeitalter vollzog die Zeitung wesentlich früher als der grosse Bruder an der Hochbergerstrasse in Basel.

Lieber im Pulli als im Hemd

Fünf Jahre zuvor hatte Mathis Lüdin den renommierten Basler Journalisten Franz C. Widmer, den Leiter der Ringier-Journalisten-Schule, als Chefredaktor seines Blatts an Bord geholt. Widmer – pikanterweise Lüdins Vorgesetzter im Militär – führte die Zeitung journalistisch in eine höhere Liga. Sein Vorgesetzter im Beruf hielt auch fest zu seinem Chefredaktor, als sich Widmers Alkoholprobleme akzentuierten. Überhaupt: Loyalität stand bei Lüdin an oberster Stelle; das belegen nicht zuletzt die eher raren Wechsel in der Redaktion.

Diese Loyalität forderte der Chef, der sich im Pulli wohler fühlte als im Hemd, aber auch von seinen Redaktionsmitgliedern ein. Zu ihnen pflegte er den informellen Kontakt, kannte in seinem kleinen, verrauchten Büro keine Geheimniskrämereien. Er erschien noch im vergangenen Juni zum sporadischen Lunch der bz-Veteranen. 

Als sich die Lüdin AG in Liestal allmählich aus all ihre Geschäftsfeldern – Bücherhandel, Papeterie, Druck und Verlag – verabschiedete und sich auch die Übernahme der «Basellandschaftlichen Zeitung» nach 156 Jahren im Familienbesitz durch ein grösseres Verlagshaus abzeichnete, entschied sich Mathis Lüdin, seine Zeitung zu veräussern. Den Zuschlag erhielt nicht die ebenfalls interessierte Basler Zeitung, sondern die damalige Aargauer Zeitung von Peter Wanner. Mit dem aus Aarau gelieferten Mantel (hauptsächlich Inland-, Ausland- und Wirtschaftsteil) vollzog die bz den zweiten Aufstieg in eine höhere Liga.

«bz – die besseri Zyttig»

Diese Wahl lag nicht alleine am besseren Angebot, sondern in erster Linie an den Konsequenzen, die der Verkauf nach sich ziehen würde. Die Basellandschaftliche Zeitung wäre über kurz oder lang in die Basler Zeitung integriert und damit die lokale Berichterstattung, da plötzlich konkurrenzlos, abgebaut worden. Erstmals wagte man in Liestal, am Burgfrieden mit der Basler Zeitung zu rütteln, indem Chefredaktor Franz C. Widmer mit seiner sonoren Stimme dem Fernseh- und Radio-Spot den Slogan «bz – die besseri Zyttig» sprach. Thomas Dähler, der nach Widmers Pensionierung von 2007 bis 2013 die Zeitung leitete, übertitelt seinen Nachruf auf Mathis Lüdin in der «Basler Zeitung» treffend mit «Er hat in der Region für Konkurrenz gesorgt.»

Richtig. Dass heute nördlich des Juras zwei Tageszeitungen auf Augenhöhe um die Gunst der Leserinnen und Leser kämpfen und deshalb beide Sorge zum Lokaljournalismus tragen müssen, ist im Wesentlichen Mathis Lüdin zu verdanken.

*Jürg Gohl, ehemaliger Chefredaktor der Volksstimme und diesjähriger Kulturpreisträger, war von 1985 bis 1991 und von 2004 bis 2011 bei der bz als Redaktor tätig.

Weiterführende Links:

Nachruf auf Mathis Lüdin

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