Kolumne: «Achtung: Satire!»

Shaqiri fuchtelt, Kirchmayr surft, Schläpfer liefert nicht und Schenker lebt still

Carlo stylt seine treue Kundin für das Weihnachtsfest und blickt mit ihr auf das Jahr 2025 zurück. Dabei hört die Reporterin zum ersten Mal von der Seilbahn am Margarethenstich und erfährt, wer die Betty Bossi der Baselbieter Politik ist.

Carmela Monsanto bei Parrucchiere Carlo
Chic fürs Weihnachtsfest: Carmela Monsanto bei ihrem Coiffeur Carlo. (Alessandro Ballato)

«Wir haben einen neuen Papst, einen neuen alten US-Präsidenten, einen neuen Bundesrat, einen neuen Bundeskanzler, kriegen einen neuen Baselbieter Regierungsrat, aber Klaus Kirchmayr hat es noch immer nicht in die Rampassen-Exekutive geschafft – das war 2025.» Carlo, der Parrucchiere meiner Wahl, lässt das Jahr Revue passieren.

Ich sitze vor dem Spiegel, Carlo zieht an meinen Haaren, und ich denke zurück an den Eurovision Song Contest in Münchenstein und Basel, auch an die Women’s Euro 2025, doch Carlo schwitzt noch vor Wahlfieber.

«Parteien-Surfer Kirchmayr könnte zurück zu den Grünen und 2027 deren Sitz verteidigen, wenn sich Isaac Reber eine neue Herausforderung sucht», werfe ich ein und denke heimlich, er könnte auch zur Mitte wechseln und den Sitz verteidigen, den Toni Lauber frei macht. Oder denken wir grösser. Irgendwann wird auch Kathrin Schweizer gehen. Dann könnte Kirchmayr für die SP antreten oder noch später für die EVP, wenn Thomi Jourdan in den Vatikan wechselt. Klaus Kirchmayr, die Krone der Erschöpfung.

Ich lasse mich herausputzen. Das Weihnachstfressen im familiären Rahmen steht an. Auf dem Teller Leckereien mit Biss und dahinter die bissigen Kommentare jener, die die Welt erklären. Das Übliche halt. Ich weiss noch nicht, wie ich meine Schwägerin Cinzia überleben werde, aber immerhin lässt mein Bruder Cosimo nur das Beste auftischen. Seinem dicken Borsellino sei Dank.

«2025 haben uns einige verlassen», sagt Carlo. Er atmet tief durch, während seine Schere emotionslos zuschnappt. «Arthur Cohn, Claudia Cardinale, Peter Bichsel, Christiane Brunner, Alfred Heer, Mathis Lüdin, Ellen Ringier, Christoph Frommherz, die Kessler-Zwillinge, Shlomo Graber, Heidi Tschopp, Jürg Ewald, Koyo Kouoh, Giorgio Armani, Nadja Abd el Farrag, Peter Grogg, Walter Fust, Paul Burkhalter, Diane Keaton, Rolf Bantle, Hanna Sahlfeld-Singer, Papst Franziskus, Mario Nanni, Marianne Faithfull, Robert Redford, Vreni Spoerry, Arth Paul, Esther Grether, Peter von Matt, David Lynch, Jimmy Cliff, George Foreman, Dominique Thommy, Felix Baumgartner, Ozzy Osbourne und noch viel zu viele, deren Namen und Gesichter wir gar nicht kennen.»

«Ein Bild – man könnte glauben, unbelebt. Zumindest reglos wie die Skulptur einer Sphinx. Sicherlich ganz nett arrangiert. Auf jeden Fall ästhetisch. Ein Stillleben eben.»

«Es gab auch stille Abgänge. Zumindest einer davon in erhabener Schönheit», tröste ich Carlo, um gleich zu beschreiben, was vor meinem inneren Auge geschieht. «Ein Bild – man könnte glauben, unbelebt. Zumindest reglos wie die Skulptur einer Sphinx. Sicherlich ganz nett arrangiert. Auf jeden Fall ästhetisch. Ein Stillleben eben.»

Carlo fragt: «Hat das Kunstmuseum einen Van Gogh verkauft?»

«Nein, Saskia Schenker ist gegangen. Sie verliess ihren Posten als Direktorin des Arbeitgeberverbands der Region Basel, trat aus der landrätlichen FDP-Fraktion zurück und wurde Chef-Lobbyistin des neuen Krankenkassenverbands prio.swiss. Ein Stillleben für ein Leben mit Stil.»

«Was da alles ganz plötzlich weg ist», scherzt Carlo, der sein Lachen wiedergefunden hat. Ganz ohne Ozempic habe die BLKB ihr Fett weggekriegt. Die Radicant ist Geschichte. Millionenteure Geschichte. Toni Lauber blättert noch darin. Bald auch Thomas Noack, der Präsident der parlamentarischen Untersuchungskommission.

Aber es sei klar geworden, dass Xherdan Shaqiri keine Konten bei der BLKB habe, meint Carlo. «Oder hast du ihn jemals auf der Liestaler Kantonalbank-Kreuzung wild gestikulierend gesehen oder gehört, wie er bei John Häfelfinger meckert oder Passanten anschnauzt?» Ja, den meckernden Shaqiri gibts schon bald als Wackelkopf für die Hutablage im Auto. Ganz bestimmt. Das wird ein Erfolgsmodell.

Im Gegensatz zur Radicant mussten die Kreuzfahrtschiffe, die im Juni in Basel anlegen sollten, nicht weg. Sie kamen gar nicht erst, weil es Visa-Probleme gab. Seither munkle man, auch Viola Amherds Kampfjets hätten solche, erzählt Carlo. Visa-Probleme finanzieller Art eben. Dann stellt Carlo die entscheidenden Fragen: «Oder kamen die Schiffe nicht, weil Amherd inzwischen für die Basler Schifffahrt tätig ist? Oder hat sie etwa Kevin Schläpfer beim EHC Basel ersetzt? Der liefert ja auch nicht wie erwartet.»

Ob zu Wasser oder zu Luft – in Basel könnte es künftig viel zu entdecken geben. Zumindest wenn man der bz glaubt. Und die irren sich ja weniger als Telebasel und das Regionaljournal zusammen. Wer von beiden die Anzahl Irrtümer nach oben treibt, lasse ich jetzt mal offen.

«Wir sprechen über die kulinarischen Vorlieben der Herren der Rezeptlosigkeit gegenüber jenen, die gerne über den Tellerrand hinausblicken würden, ihn aber nicht finden.»

Da hab ich doch gelesen, auf dem Dreispitz soll der 170 Meter lange Gleispool kommen, das längste Naturschwimmbad der Schweiz. Ganz ohne Franzosen maghrebinischer Herkunft. Vielleicht auch ganz ohne Tramanschluss, denn das Tram wollen Überflieger Moritz Suter, der Herzog und der De Meuron – beide Überdenker – immer weniger in Basel sehen.

Es braucht dagegen – eindeutig ­– mehr Seilbahnen. Vom Barfi bis zum Bahnhof, von Kleinhüningen bis zum Wettsteinplatz. Wieso nicht auch den Margarethenstich hinauf. Im Baselbiet ist bereits eine Seilbahn-Offensive angedacht. Nicht zuletzt in der Hoffnung, die Kasse mit Touristengeld zu füttern.

«Super lukrativ ist Birsfeldens Bussenoffensive»: Auch Carlo denkt gerade ans liebe Geld. Wer den Stau durchs Zentrum umfährt, zahlt einen Hunderter. Schon gibt es visionäre Geister in Basel, die mitziehen wollen. «Mit den Einnahmen könnte man vielleicht die chemisierten Böden des Klybeck sanieren», empfiehlt Carlo.

Auch SVP-Nationalrat Thomas de Courten mischt sich ein, gar nicht überzeugt von der Legalität von Birsfeldens Massnahme. Dabei gibt es in diesem Zwist nur Sieger. Birsfelden macht fett Kasse, Basel macht vielleicht schon bald fett Kasse und de Courten holt sich eine Stimme mehr für die nächsten Nationalratswahlen.

Das Geld und die liebe Politik. Ich erinnere Carlo: «Da waren doch noch die gut gemeinten Vorschläge der Baselbieter Wirtschaftskammer, die die Welt wieder ins Lot bringen sollen.»

«Die Wirtschaftskammer wollte Venezuela angreifen?»

 «Quatsch, Carlo, ich rede von den 16 Initiativen, die Arbeitsmarkt, Bürokratie, Mobilität und nicht zuletzt den Energiesektor ‹Zurück in den Erfolg pur› bringen werden.»

«Also doch Venezuela angreifen?»

«Nicht doch, ich rede von der Betty Bossi der Baselbieter Politik, von Wirtschaftskammer-Direktor Christoph Buser, der mit 16 einfachen Rezepten, die immer gelingen, die Satten noch satter machen will.»

«Ach so, wir sprechen über die kulinarischen Vorlieben der Herren der Rezeptlosigkeit gegenüber jenen, die gerne über den Tellerrand hinausblicken würden, ihn aber nicht finden», kommentiert Carlo.

«Dio mio, keine Neid-Debatte, Carlo.»

«Nicht nur der Neid zählt zu den sieben Todsünden, auch die Gier ist eine. Ich ziehe ihr die Wollust, Völlerei und Trägheit vor.»

«Hier spricht der Baz-Chef» – eine Ode an die Poesie des Racial Profiling.

«Vielleicht war das gut gemeint. Einfach etwas über das Ziel hinausgeschossen», gebe ich zu bedenken. 

«Ah, du meinst wie die Wortmeldungen aus der Soap ‹Hier schreibt der BaZ-Chef›?»

Ich muss schmunzeln.

«Dieser eine Wortschwall, der von zu vielen Ausländern im Stadtbild handelt, von zu vielen Sprachen und Dialekten ohne Wurzeln zwischen Spalenberg und Barf –, war schon eine Ode an die Poesie des Racial Profiling.»

«Ich weiss, der sich empörende Chefredaktor fühlte sich im ÖV umzingelt von schlecht klingenden Menschen. Aber habe Verständnis. Stell dir vor, du sitzt verlassen von allen guten Geistern, also ganz alleine, im Tram hinter einer Deutschen wie Ina Bullwinkel, die mit ihrer Mutter telefoniert. Hühnerhaut.»

Und ich denke mir, da ist der durchschnittliche Basler Chefredaktor schon froh, wenn davor und dahinter keine Dialekte aus dem Fricktal oder Österreich gesprochen werden. Hühnerhaut.

«Dabei gehen inzwischen viele davon aus, dass die Aussenredaktion der Basler Zeitung in Blatten sein muss», relativiere ich.

«Wieso? Weil die gar nicht wissen, dass Blatten im Wallis liegt?»

«Nein, weil das Büro definitiv unauffindbar verschüttet ist.»

Carlo wechselt von der Schere zum Rasiermesser, um ein paar Härchen am Hals zu entfernen. So wie das früher Baschar al-Assad, der Barbier von Damaskus, gemacht hat. So wie es ihm heute Ahmed al-Scharaa, der Barbar von Damaskus, gleichtut. Al-Scharaa, ein Kind der al-Qaida.

Carlo schüttelt den Kopf:  «Nach 9/11 haben wir 24 Jahre lang gedacht, al-Qaida sei was Schreckliches. Aber jetzt erst begreifen wir, dass wir uns total getäuscht haben.» Es gebe Unterschiede zum früheren Leben des Ahmed al-Scharaa, entgegne ich. «Er trägt jetzt italienische Anzüge von Armani und Brioni. Das kann kein schlächter Typ sein.»

Ich hoffe, dass 2026 nicht schlächter wird als 2025.

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