Voodoo-Tante Chloé prophezeit: «Dieser Papst wird es nischt leischt ‘aben»
«Da stand ich mit Tausenden aus aller Herren Länder, als um 18 Uhr endlich weisser Rauch aus dem Kamin der Sixtinischen Kapelle aufstieg», erzähle ich meiner Freundin Chloé. «Habemus Papam, rief die Nonne vor mir. Wir sind Papst, der evangelikale Ami aus dem Bibelgürtel gleich nebenan.»
«Isch bin Papst», zischt Chloé. «Das sagt Donald das Letzte.»
Nach einer Tasse Kaffee mit Pfefferminze und Zimt, gekocht über Sandelholz, Myrrhe und einer sollbergerroten Locke, sitze ich Chloé in ihrem Studierzimmer gegenüber. Die Voodoo-Tante greift nach ihren Tarot-Karten. Ich will von ihr wissen, was Leo XIV. auslöst.
«Also wenn du misch fragst, wird es dieser Papst nischt leischt ‘aben», sagt Chloé. «Wer mehr Wahlgänge als Friedrisch Merz nötig ‘at, kann nischt sehr beliebt sein.»
Chloé legt ihre erste Karte, den Magier. «Der Papst wird Shaqiri heiligsprechen», sprudelt es aus mir heraus. «Er wird David Degen segnen, nachdem dieser eine veritable Mitleid Crisis durschleben musste», antwortet Chloé. Vor meinem inneren Auge winkt Leo von der Benediktionsloggia, Degen vom Balkon des Stadtcasinos. Und Taulant Xhaka ersingt sich seinen Sylt-Moment mit zürchophoben Liedern. Der Ex-Hopper.
«Frauenpower! Sinnlischkeit und Selbstbewusstsein: Sie hat ihr Leben fest im Griff», Chloé legt die Herrscherin auf den Tisch. «Leo betet für Elisabeth Schneider-Schneiter», staune ich. «Natürlisch», bestätigt Chloé. «ESS hat das Standortpaket doch im Alleingang durschgepaukt. Einem Christoph Büsser wäre das nie gelungen.»
Nicht zufällig haben Abstimmung und Mega-Event gleichzeitig stattgefunden.
Chloé hätte auch das Ass der Münzen hinlegen können. Reibach, wohin das Auge blickt. Hinter vorgehaltener Hand versprach Regierungspräsident Conradin Cramer (mittel) ESC-Projektleiter Beat Läuchli einen Job auf Lebenszeit. Nicht zufällig haben Abstimmung und Mega-Event gleichzeitig stattgefunden. «ESS macht den ESC zu einem Teil des Standortpakets», soll Cramer verraten haben, «und der Papst nimmt Einsitz in den Verwaltungsräten von Novartis und Roche.»
Das ist das Amerikanische am Pontifex. Black Rock matters.
Das Europäische am ESC von ESS’ Gnaden sind die vielen bunten und lustigen Hedonistinnen und Hedonisten. Auch sie kurbeln mit ihrem Konsum die Wirtschaft an. «Mit die Geld von Papi und die Frisur von Mami», spottet Chloé. Womit wir wieder auf Sylt angelangt wären, wo ein paar Berufs-Töchter und -Söhne ihrer Schlagerlust freien Lauf liessen. Gell, Taulant.
Chloé muss kichern. Die nächste Karte ist der Kniefall. Nicht der von Willy Brandt 1970 in Warschau oder jener von Papst Johannes Paul II von 1979 in Auschwitz-Birkenau. Nicht geschichtsträchtig, nicht zwingend. Nein, profan. Der Kniefall der «Fachblätter für unfreiwilligen Humor», wie Chloé sagt. Der Kniefall der Medien vor denen, die so üppig Steuern zahlen, dass man sie ihnen zurückerstatten muss. «Reflex statt Reflexion», schmunzelt Chloé, «das Kapital darf fliehen, Bürgerinnen und Bürger müssen bleiben.»
«Sichere Transportwege gibt es nur für Rohstoffe, nicht für Flüchtlinge.»
Bleiben wird auch Leo XIV. Zumindest für einige Jahre. Mit seinen 70 Jahren ist er ja ein jugendlicher Papst. Genauso wie Donald Trump mit seinen 78 Jahren im besten Alter ist. Kein Vergleich mit einem 82-jährigen Joe Biden.
«Trump ist trotzdem von gestern», werfe ich Chloé an den Kopf, die mir eine letzte Karte hinlegt: den Teufel. Die Karte symbolisiert ungesunde Abhängigkeiten und Verführungen, besitzergreifendes Verhalten. «Von gestern ist er, weil sein Rohstoffdeal mit der Ukraine koloniale Züge aufweist.»
Leos Vorgänger hätte das so kommentiert: «Sichere Transportwege gibt es nur für Rohstoffe, nicht für Flüchtlinge.»
Chloé kommentiert das so, wenn sie auch noch immer auf Leo XIV. hofft: «Moral ist, wenn man trotzdem lacht.»