Der Zöllner
Die Satirikerin sieht sich beim Parrucchiere ihrer Wahl mit einem trumpschen Preisaufschlag konfrontiert.
Carlo spitzt die Lippen, zieht die Augenbrauen hoch. «Waschen, Schneiden, Legen – ab jetzt macht das 300 Franken.»
So kenne ich den Parrucchiere meiner Wahl gar nicht. «Was ist denn in dich gefahren? Das ist eine Preiserhöhung von unglaublichen 200 Prozent.»
«Cosa vuoi?» Carlo zieht die Schultern hoch, schüttelt den Kopf. «Ich muss sehen, wo ich bleibe. Als ich einen Monat Ferien in Bari machte, warst du zweimal bei Parrucchiera Carla. Das hat meinem Business geschadet.»
«Carlo, du warst nicht da. Du warst in Apulien und hast dir den einen oder anderen Primitivo reingezogen. Was hätte ich denn tun sollen? Woher hast du diese wirren Gedanken?»
Carlo setzt ein wissendes Lächeln auf. «Vom Zöllner.»
«Wie jetzt?» Carlo hat sich noch nie um Wirtschaft geschert. «Welcher Zöllner?»
«Na der, der gerade das Donald-Evangelium schreibt.»
Ich gebe zu bedenken: «Dir ist schon klar, in der Bibel sind Zöllner auf Augenhöhe mit Dieben und Prostituierten.»
Carlo kichert. «Für nicht Eingeweihte wirkt es vielleicht wie Diebstahl und Prostitution. Aber eigentlich nimmt sich der Zöllner nur, was ihm zusteht. Darum ist er mein neues Vorbild.»
Der Erfolg gebe dem Zöllner recht, auch wenn er sich zwischendurch mal ein blutiges Ohr hole.
Mir fehlen die Worte. Ich denke bloss: «Das ist nun Higher Violence, höhere Gewalt also.» Ich schiebe hinterher: «Carla hat die Spitzen im Griff.»
Carlo holt aus: «Carla hat noch nie die Spitzen im Griff gehabt. Die Technik hat sie von mir geklaut. Niemand auf dieser Welt schneidet die Spitzen besser als ich. Niemand versteht mehr von Spitzen als ich. Wenn du nicht mehr zu Carla gehst, kriegst du denselben Preis wie früher. Das ist ein fairer Deal. Das ist sogar ein sehr guter Deal. Du solltest dankbar sein. Wie Wolodimir.»
Der Erfolg gebe dem Zöllner recht, beharrt Carlo auf seinem Standpunkt, auch wenn er, der Zöllner, sich zwischendurch mal ein blutiges Ohr hole. Durchgesetzt habe er sich gegen Uschi von der Laien und sogar Karin Keller-Sutter.
Da hat er ausnahmsweise recht. So sehr, dass ich mich heute nicht darüber wundern würde, wenn Vas Narasimhan die Novartis umkrempelte. Von Ritalin würde der Pharmamulti auf Rektalin umstellen. Soll vorzüglich gegen ADKS (Aussenhandels-Defizit Keller-Sutter) helfen.
Für eine Kolonie habe man sich achtbar geschlagen. «Der Zöllner hat in seinem Zolli niemanden, der ihm das Wasser reichen kann», frohlockt Carlo.
Apropos Frohlocken, denke ich mir. Vielleicht hätte die Schweiz statt dem Winzer und der Winzigen unser Löckchen an den Verhandlungstisch in God's Own Country entsenden sollen. Unser Löckchen Sollberger. Der orange Riese und die Frau mit der roten Tolle. Wenn das mal keine Farbenrevolution wäre. Oder John Häfelfinger. Der hätte wenigstens nur 100 Millionen in den Sand gesetzt.
Keine Frage, es gebe immer Leute, die sich anbieten, etwas zu bewerkstelligen, meint Carlo: «Florence Brenzikofer, Cedric der Wermuthstropfen, Caro ça fait Mall.» Dabei sein sei alles.
Eine Kritikerin von Donalds Gnaden ist auch Sarah Regez, die gerne von einem «Fachkräftemangel in der Exekutive» spricht. «Typisch Fast Food», urteilt sie über die Bemühungen von Parmelin, Keller-Sutter und Co. «Es ist fett, es ist pampig – und da reden wir jetzt erstmal nur vom Verkaufspersonal.»
Ich kapituliere innerlich. «Sag mal Carlo, hast du was im Angebot, das ich mir leisten kann?»
«Einmal richtig durchkämmen», antwortet Carlo. Da käme ich mit 8 Franken weg. Dann sieht der Parrucchiere meiner Wahl den Kamm genauer an. «Scusa, ich sehe gerade, der wurde in Minsk gefertigt. Das wird teuer.»