BaZ-Chef Marcel Rohr – ein klein wenig gesunder Rassismus im Alltag
Clumumba und Carmela Monsanto diskutieren über die Schmerzgrenze am Aeschenplatz.
«Diese Rohrpost war keine Rohrbombe, vielmehr ein Rohrkrepierer», spottet Clumumba mit ihrem breitesten Lachen. Sie amüsiert sich über den sicheren Tritt ins Fettnäpfchen von Marcel Rohr, dem Chefredaktor der Basler Zeitung. «Am Aeschenplatz», sagt Clumumba nun schmunzelnd, «dort muss ein Fettnäpfchen-Testgelände existieren.»
Was ist geschehen? Der BaZ-Chef liefert pünktlich zum Eidgenössischen Schwingfest seine Wahrnehmung eidgenössischer Befindlichkeit. Sofern man die baslerische dazu zählen kann. Er setzt den Titel «Zuwanderung in Basel: Die Schmerzgrenze ist erreicht». Drunter macht ers nicht.
Rohrs ängstlicher Blick durchs Fernrohr: Die Volksinitiative der SVP «Gegen eine 10-Millionen-Schweiz» könnte an der Urne erfolgreich sein – weil es in der Schweiz zu viele Ausländer gibt. Klingt, als würde er die Initiative ablehnen, wenn er denn könnte.
Das waren die Nachrichten, und nun zum Wettern.
Während Clumumba schmunzelt, raucht der Kopf des bz-Chefredaktors. Zwischen jeder Zeile von Patrick Marcollis Kommentar zum Kommentar ist die Empörung mit Händen zu greifen. Marcolli kritisiert: «Auf einer halben Seite reiht der BaZ-Chefredaktor ein xenophobes Stereotyp ans nächste.» Nun ja, es ist hinlänglich bekannt, dass Rohrs Kommentare durch ihre Ambivalenz bestechen, während er sich selbst gerne unbestechlich gibt.
Das klingt dann so: «Die Explosion der ausländischen Wohnbevölkerung bringt Basel an seine Grenzen.» Stundenlang stehe man deshalb täglich vor jeder Ampel im Stau. Und ich sage zu Clumumba: «Dann muss es auch in Birsfelden zu viele Ausländer geben.» Zumindest da, wo es Ampeln hat.
Man stelle sich vor, der CEO von Novartis spräche kein Deutsch.
«Umzingelt von Grenzgängern», sei im Zug kein Sitzplatz zu finden. «Befremdlich», wenn mehrheitlich Hochdeutsch gesprochen werde. Es mache «wütend», wenn Ausländer sich in den Basler Schwimmbädern ungebührend aufführen. Oder wie ein ehemaliges Rohr-Gspänli in der Neuen Zürcher Zeitung schrieb: «Pruntrut ist überall».
Ist klar, wozu das führt. Zum Rohrbruch. «In solchen Momenten wird selbst der besonnenste Schweizer zum kleinen Rassisten im Alltag.» Ja, so ein klein wenig gesunder Rassismus im Alltag, zwischen Znüni und Zvieri – wem könnte man es verdenken. Ein Graubereich, in dem die BaZ mit ihrem Steuermann ab und an aufkreuzt.
War da nicht mal was mit Mohamed Almusibli, dem Direktor der Kunsthalle Basel? Zu arabisch? Spricht er Deutsch? Nicht auszudenken, dass jemand in führender Position einer typisch baslerischen Institution nicht Deutsch spricht. Man stelle sich vor, der CEO von Novartis spräche kein Deutsch.
Clumumba sagt, sie nehme es gelassen. Jemand wie Marcel Rohr, der der Neuen Fricktaler Zeitung einmal ins Notizbuch diktierte, einst wäre er gerne Milchmann geworden, kann seine Finger nicht von Milchbüebli-Rechnungen lassen.
Ich sage zu Clumumba: «Könnte es nicht sein, dass der Rohr ganz sensibel den Druck wahrnimmt, der in der Bevölkerung entsteht?» Sie fragt zurück: «Glaubst du, dass es Medien gibt, die sich daran beteiligt haben, diesen Druck aufzubauen?»
Die Deutsche Ina Bullwinkel, Chefredaktorin von Bajour, kommentiert auch. Humorlos. Sie habe leer schlucken müssen, als sie den Kommentar von Rohr gelesen habe. Ihrer Ansicht nach «outet sich der BaZ-Chefredaktor als Grenzgänger zwischen Provinzialität und unreflektiertem Rassismus». Gibt es reflektierten Rassismus?
Mehr Swissness. Eine Halluzi-Nation von einer Stadt, in der die Polizeihunde vorwiegend deutsche und belgische Schäfer sind, der FCB es auf einen Ausländeranteil von über 60 Prozent bringt. Spieler mit Migrationshintergrund nicht mit eingerechnet. Da klingt im Joggeli die Liedzeile trotzig: «FCB-Fan kasch nid wärde, FCB-Fan, das muesch syy.»
Wenigstens sind in der Nati alle Schweizer.
«Denken ist eine einzige ideologische Niederlage», sagt Clumumba und tippt mit dem linken Zeigefinger auf das Porträtbild von Rohr unter dessen Kommentar. «Sobald man wirklich damit beginnt, kriegt sogar die eigene Ideologie Risse.» Nicht aber, wenn man den Phrasenmäher starte oder von der Stusswaffe Gebrauch mache.
Pointiert kommt Patrick Marcolli in seiner Reaktion auf Marcel Rohrs Kommentar zum Schluss: «Die Schmerzgrenze, wie es im Titel heisst, ist tatsächlich erreicht. Publizistisch.» Rohr argumentiere wie Exponenten des ultrarechten politischen Flügels.
Derweil Ina Bullwinkel nach der Lektüre sich «als Mensch zweiter Klasse» fühlt, «der nie dazugehören wird, selbst wenn ich einmal eingebürgert werde. Richtige Schweizer*in kann ich gar nicht werden, folgt man Rohrs Logik».
Nein, liebe Ina, du brauchst keine Angst zu haben. Wir geben weder Sibel Arslan noch Mustafa Atici oder Mo Almusibli zurück. Du wirst weiterhin zu uns gehören wie Clumumba und ich, die Römerin Carmela. Auch wenn das ein Tschinggeli sagt.
Sicher, Marcollis Antwort fiel etwas streng aus. Sie hatte etwas Zurechtweisendes, als wolle er sagen: «Platz, Marcel, mach Platz!»