Über Ohnmacht

Melanie Nussbaumer, Kolumnistin
(Bild: ZVG)

Ich habe auf meinem Instagram-Kanal ein paar Themen zur Auswahl gestellt und gefragt, welchem ich mich in dieser Kolumne widmen soll. Die Mehrheit hat sich für das Thema «Ohnmacht» entschieden. So sei es.

Natürlich habe ich das Thema überhaupt erst vorgeschlagen, weil es mich umtreibt. Selten in meinem Leben habe ich mich vom aktuellen Tagesgeschehen im In- und Ausland so erschlagen gefühlt wie in den vergangenen Monaten. Und dass sich die Mehrheit meiner Follower:innen für dieses Thema entschieden hat, zeigt mir: Ich bin nicht allein damit.

Ohnmacht ist schwer zu greifen. Sie sitzt irgendwo zwischen Magen und Brust oder steckt im Hals fest, raubt einem die Worte, lähmt. Manchmal merkt man gar nicht sofort, dass sie da ist. Und oft will man es gar nicht merken. Wer fühlt schon gern, dass er nichts ausrichten kann? Ohnmacht fühlt sich unangenehm an. Hilflos, schwer, manchmal auch leer.

Deshalb wollen wir schnell weiter – etwas tun, irgendetwas. Hauptsache, dieses Gefühl geht weg. Aber manchmal, wenn wir davonlaufen, nehmen wir es einfach mit. Unausgesprochen. Unverstanden. Und es bricht dann irgendwann irgendwie aus uns heraus: als Wut, als Überforderung, als Härte gegen andere oder gegen uns selbst.

Wir tun irgendetwas, um das Gefühl zu übertönen.

Ohnmacht durchleben, ohne sie sofort zu übermalen – das können wir nicht besonders gut. Lieber schreien wir, kämpfen, laufen weg, posten, schreiben oder streiten. Wir tun irgendetwas, um das Gefühl zu übertönen. Doch wenn wir Ohnmacht nicht wahrnehmen, sucht sie sich andere Wege. Sie tritt dann als Aggression auf, als Zynismus, als Überforderung, die sich an Menschen entlädt, die nichts dafür können. Gewalt, ob verbal, psychisch oder physisch, entsteht oft aus dieser unreflektierten Hilflosigkeit heraus.

Eigentlich sollte jetzt die Kolumne eine Wendung ins Hoffnungsvolle finden. Ich könnte schreiben, dass aus Ohnmacht auch neue Kraft entstehen kann. Dass sie nicht das Ende bedeutet, sondern ein Anfang sein könnte.

Aber ich merke, dass ich das diesmal nicht will.

Ich glaube, es wäre gut, wenn wir öfter stehen bleiben und uns eingestehen würden: Ja, ich bin ohnmächtig. Nicht als Niederlage. Sondern einfach als Tatsache.

Manchmal reicht das.

Kolumne: «Mit links»

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