Unterwegs im Nahen Osten
Vor einem Monat schrieb ich meine Kolumne zu Gaza. Nun konnte ich Jordanien und Jerusalem bereisen. Es war ein spannender Einblick in eine Region, die im Brennpunkt der Weltpolitik steht.
In Jordanien bleiben die Touristen wegen der kriegerischen Ereignisse weitgehend aus. Gegenüber dem Niveau vor dem Terrorangriff der Hamas verzeichnet die antike Stadt Petra einen Rückgang von 90 Prozent. Auch am Toten Meer und in Amman sind die Hotels nur zu 25 bis 30 Prozent belegt.
Die Wirtschaft ist schwer getroffen, macht doch der Tourismus über 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. In den luxuriösen Resorts am Toten Meer hat man die Strände und Wellnessanlagen fast exklusiv für sich. Umso mehr freuen sich die Einheimischen über Gäste. Wir wurden überaus freundlich, ja herzlich empfangen.
Die Kriege griffen nicht auf Jordanien über. Das hat auch mit dem Geschick des haschemitischen Königshauses zu tun.
Jordanien ist sicher. Man kann sich gefahrlos bewegen. In Jerash und Umm Qais mit ihren hervorragend erhaltenen, griechisch-römischen Bauten dicht an der syrischen Grenze geht das ebenso wie in der grandiosen Wüste des Wadi Rum, die mit ihren rötlichen Sanddünen und den schwarzen Felsen an eine Marslandschaft erinnert.
Die Kriege griffen nicht auf Jordanien über. Das hat auch mit dem Geschick des haschemitischen Königshauses zu tun. Wie sein verstorbener Vater, der beliebte König Hussein, wirkt König Abdullah II. als Brückenbauer zwischen den Arabern und dem Westen.
König Abdullah II., sein Thronfolger Prinz Hussein und seine Tochter Prinzessin Salma absolvierten ihre Ausbildungen in Grossbritannien und in den USA. Königin Rania, eine in Kuwait aufgewachsene Palästinenserin, setzt sich für die Modernisierung der Gesellschaft und die Frauenrechte im patriarchalisch geprägten Land ein.
Man realisiert, wie weit weg die Normalität trotz des Friedens zwischen Jordanien und Israel noch ist.
Das eher arme Jordanien – Öl fehlt – nahm zahlreiche Flüchtlinge auf. 1948 und 1967 kamen über 800'000 Palästinenser. Ihre Nachkommen machen rund 50 Prozent der Bevölkerung aus. Im Land leben 700'000 Iraker. Der syrische Bürgerkrieg brachte über eine Million weitere Flüchtlinge. Die Bevölkerung wuchs von 3,5 Millionen (1990) auf 11,5 Millionen Menschen (2023).
Amman und Jerusalem liegen nur hundert Kilometer auseinander. Das ist wie Basel und Zürich. Fliegt man von Zürich nach Amman, so passiert man Israel und das Westjordanland. Das ist vor allem nachts eindrücklich. Nur das dunkle Jordantal, mit 380 Metern unter dem Meer die tiefste Landstelle der Erde, trennt die Lichter von Tel Aviv, Jerusalem, Jericho und Amman.
Doch am Grenzübergang der König Hussein-Brücke (auch Allenby-Brücke) realisiert man, wie weit weg die Normalität trotz des Friedens zwischen Jordanien und Israel noch ist. Touristen erwarten Hochsicherheitskontrollen und geschlagene drei Stunden Aufenthalt in Terminals, Shuttlebussen und an Schaltern. Für Einheimische kann es noch weit beschwerlicher werden, führt doch die Strasse nach Jerusalem durch die palästinensischen Autonomiegebiete.
Eindrücklich ist das Nebeneinander von Kirchen, Moscheen und Synagogen in der Jerusalemer Altstadt.
Trotz Aufwand an der Grenze lohnte sich der mehrtägige Abstecher nach Jerusalem sehr. Auch hier ist der Tourismus am Boden. Dass wir die Via Dolorosa und die Grabeskirche in aller Ruhe besichtigen konnten, hätte ich kaum für möglich gehalten. Im Garten Gethsemane waren wir sogar allein.
Eindrücklich ist das Nebeneinander von Kirchen, Moscheen und Synagogen in der Jerusalemer Altstadt. Heiligste Stätten der Juden, Muslime und Christen befinden sich im Umkreis von wenigen hundert Metern. Schwer bewaffnete Patrouillen der israelischen Armee, in der viele Frauen Dienst leisten, sowie Gedenktafeln für getötete Menschen an Strassenecken gehören leider auch zur Realität.
Ein Ort am Jordan verdeutlicht die komplexe Situation besonders gut: An der Stelle, wo Johannes Jesus getauft haben soll, ist der träg fliessende Jordan kaum zehn Meter breit. Vom jordanischen Ufer blickten wir auf die andere Seite. Kinder spielten vergnügt im Wasser. An beiden Ufern ist ein Bereich in der Grösse eines Gartenschwimmbads für Badende markiert. Doch just dieser an sich friedliche Ort der Hoffnung wird durch eine unsichtbare, aber unüberwindbare Grenze geteilt.