Ein No-Go? Ein Witz? Rechts und Links streiten um die AHV

National- und Ständerat sind im Clinch. Sie ringen um die Finanzierung der 13. AHV-Rente. Und sie müssen sich mit der Mitte-Initiative zur Abschaffung der Plafonierung der Ehepaar-Renten auseinandersetzen. Die Positionen liegen weit auseinander – auch bei den Vertreterinnen und Vertretern aus der Region Basel.

Collage mit den Baselbieter Nationalratsmitgliedern Samira Marti (SP) und Thomas de Courten (SVP)
Sie haben wenig gemein: Samira Marti und Thomas de Courten. (Bild: Collage OnlineReports)

Was der Ständerat wolle, sei «ein No-Go», sagt der Rünenberger SVP-Nationalrat Thomas de Courten. SP-Nationalrätin Samira Marti aus Binningen hingegen hält die von der Nationalratskommission vorgeschlagene Übergangslösung für «einen Witz».

Diese Qualifizierungen sind symptomatisch: Der Nationalrat und der Ständerat liegen bei der Finanzierung der vom Volk beschlossenen 13. AHV-Rente weit auseinander. Während sich in der kleinen Kammer eine Mitte-Links-Mehrheit vorerst durchgesetzt hat, dominiert in der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats eine Mitte-Rechts-Mehrheit. Die AHV ist in der Herbstsession im Nationalrat traktandiert, die heute Montag beginnt.

Die Mehrheit der Nationalratskommission pocht auf eine provisorische Finanzierungslösung allein über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 0,7 Prozentpunkten. Das reiche bis zu einer nachhaltigen künftigen Reform. Der Ständerat hat demgegenüber in der letzten Session einem umfangreichen Kompromissvorschlag seiner Kommission zugestimmt.

Dieser sieht eine kombinierte Finanzierung aus Lohnbeitrags- und Mehrwertsteuer-Erhöhung in zwei Schritten vor. Zuerst sollen die Mehrwertsteuer um einen halben Prozentpunkt erhöht und die Lohnbeiträge um 0,4 Prozentpunkte angehoben werden. Ein weiteres halbes Mehrwertsteuer-Prozent will der Ständerat in einem zweiten Schritt für die mögliche Anhebung der Plafonierung der Ehepaarrenten einsetzen.

Dieser trägt der Mitte-Initiative Rechnung, die den Deckel bei den Ehepaar-Renten – er liegt bei 150 Prozent – ganz abschaffen will. Offen ist, ob diese Initiative mit der Bezeichnung «Ja zu fairen AHV-Renten auch für Ehepaare – Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!» mit einem indirekten Gegenvorschlag bekämpft werden soll. Auch hier sind sich Ständerat und Nationalrat uneinig: Während der Ständerat zu einem Kompromiss mit einer Anhebung der heutigen Plafonierung neigt, möchte die Nationalratskommission die Plafonierung der Ehepaarrenten nur für künftige Pensionierte aufheben, verbunden mit der Abschaffung des Verwitwetenzuschlags und weiterer Kompensationsmassnahmen. Noch ist allerdings offen, wann sich die Räte mit der Mitte-Initiative beschäftigen.

Erhöhung des Rentenalters nicht opportun

Die künftige Finanzierung der 13. AHV-Rente, die von Volk und Ständen beschlossen wurde, ist hingegen fix traktandiert. SVP-Nationalrat Thomas de Courten meint, der Vorschlag der Kommission, die 13. AHV-Rente ausschliesslich mit einer Mehrwertsteuer-Erhöhung von 0,7 Prozentpunkten zu finanzieren, habe durchaus Chancen, im Nationalrat eine knappe Mehrheit zu erhalten – und vor dem Volk an der Urne zu bestehen. Stützt der Nationalrat den Kommissionsentscheid, stünde auch ein guter Gegenvorschlag zur Ständeratsvariante, die de Courten verhindern will. Damit wäre der Weg offen für eine neue Volksabstimmung zum Ausbau der AHV, diesmal aber mit einer konkreten Finanzierungslösung, sagt der SVP-Politiker. Der Bundesrat sei aber immer noch gefordert, für die weitere Zukunft eine strukturelle und nachhaltige Lösung vorzulegen.

Anders als der Ständerat seien er und die Mehrheit im Nationalrat der Ansicht, dass die Finanzierung der 13. AHV-Rente nicht künftige Generationen belasten soll. De Courten wäre aus versicherungstechnischer Warte zwar offen für eine Erhöhung des AHV-Alters. In der Kommission ist ein Vorschlag unterlegen, der das AHV-Alter um sechs Monate anheben wollte, wenn der AHV-Ausgleichsfonds unter 90 Prozent einer Jahresausgabe sinkt. Das AHV-Alter zu erhöhen, sei aber politisch nicht durchsetzbar, räumt de Courten ein. «Mit einer chancenlosen Vorlage würde man nur unnötigerweise Kräfte und Zeit vergeuden.»

SP-Co-Fraktionspräsidentin Samira Marti hofft anders als de Courten, dass sich die kurzfristige Finanzierungsvariante der Nationalratskommission nicht durchsetzt. Eine Übergangsfinanzierung für bloss einige Jahre sei mit einem bürokratischen Aufwand verbunden, der unverhältnismässig wäre. Eine Lösung für nur drei oder vier Jahre boykottiere den klaren Entscheid der Stimmbevölkerung für die 13. AHV-Rente, findet Marti. Die Bemühungen des Ständerats seien wohl kaum vergebens.

Immerhin sei in der Nationalratskommission ein Minderheitsantrag nur sehr knapp gescheitert. Dieser sah zwei Erhöhungen der Lohnbeiträge um 0,3 Prozentpunkte und der Mehrwertsteuer um 0,4 Prozentpunkte vor – eine Lösung, die in Anbetracht der inzwischen günstigeren Perspektive der AHV-Finanzen möglich wäre. Marti ist überzeugt: «Es braucht einen guten Kompromiss.»

Wie auf die Mitte-Initiative reagieren?

Mit Blick auf die Mitte-Initiative zur Ehepaar-Rente sind de Courten und Marti zwar beide der Ansicht, dass es einen indirekten Gegenvorschlag brauche. Über dessen Ausgestaltung sind sie sich aber nicht einig. De Courten sagt, er habe den Vorschlag der Nationalratskommission unterstützt, künftige Rentnerehepaare von einer Kürzung der Rente zu befreien, wenn gleichzeitig auf die alten Privilegien wie die Witwenrente verzichtet würde. Generell gelte für ihn die Devise, die erste Säule dürfe nicht ohne entsprechende Finanzierung aufgestockt werden: «Wir dürfen die AHV nicht auf dem Buckel künftiger Generationen ausbauen.»

Gar nichts hält der Rünenberger vom Vorschlag des Ständerats, bereits eine vorauseilende Finanzierung für die eventuelle Erhöhung der Ehepaar-Renten zu beschliessen. «Das ist unredlich, denn das Volk hat noch gar keinen Entscheid gefällt.»

Marti glaubt, dass es noch Zeit brauche, einen Gegenvorschlag auszuarbeiten, der dieser Initiative wirklich den Wind aus den Segeln nimmt. Die von der nationalrätlichen Kommission verabschiedete Variante sei nicht geeignet, ein Ja zur Initiative zu verhindern: «Wer nur eine Lösung für künftige AHV-Bezüger und -bezügerinnen trifft, wird die heutigen Senioren nicht überzeugen können.»

Statt eines vollkommenen Verzichts auf eine Plafonierung der Renten Verheirateter schlägt die SP-Politikerin eine Plafonierung der Ehepaarrente auf 170 oder 175 Prozent vor, verbunden mit einer weniger radikalen Kürzung bei den Witwen-Renten. So würde die ärmere Hälfte aller Ehepaare, auch bereits pensionierte, vom Plafond befreit, sagt sie. Die Nationalratskommission will im Gegensatz dazu den Verwitwetenzuschlag von 20 Prozent für Neurentner gänzlich abschaffen. Dies lehnt Marti ab. Mit dieser Kürzung würde das Armutsrisiko für pensionierte Frauen noch weiter ansteigen.

Die Rubrik BundeshausReports beleuchtet Themen der Bundespolitik aus Nordwestschweizer Perspektive. Sie erscheint unregelmässig alle paar Wochen. Hier finden Sie die bisherigen Beiträge.

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