Vermummte Wilderer greifen Basler Tierschützer an

Auf Zakynthos schiessen Wilderer Zugvögel ab. Der letzte Versuch, sie daran zu hindern, endete blutig.

Niels Friedrich, Geschäftsführer Stiftung Pro Artenvielfalt
«So krass war es noch nie»: Niels Friedrich. (Bild: Daniel Aenishänslin)

Der Faustschlag trifft ihn unvermittelt mitten ins Gesicht. Die Nase bricht, das Blut fliesst. Niels Friedrich hat Glück im Unglück: Es ist nicht seine Nase, sondern die des Camp-Leiters Bostjan Debersek.

Den beiden Männern stehen 15 vermummte Wilderer gegenüber. Sie sind aufgebracht, weil die Leute aus dem Camp ihnen einen Strich durch die Rechnung machen wollen. Mit acht weiteren Personen sind Friedrich und der Slowene Debersek auf die griechische Ferieninsel Zakynthos gekommen, um Zugvögel zu schützen.

Nils Friedrich ist Geschäftsführer der Stiftung Pro Artenvielfalt mit Büro an der Malzgasse in Basel. Diese finanziert das «Komitee gegen Vogelmord».

Die Szene, die Friedrich OnlineReports schildert, ereignete sich am 16. April gegen 12.30 Uhr auf einer Landstrasse vor der Ortschaft Keri. Es ist der bisherige Tiefpunkt des Komitees gegen Vogelmord. Mehrerer Mitglieder werden an diesem Nachmittag verletzt und schliesslich im Saint Dionysios General Hospital von Zakynthos verarztet. OnlineReports hat die griechische Polizei um Informationen zum Hergang und zur Täterschaft gebeten. Sie hat bisher nicht reagiert.

Auf Zakynthos ist das Komitee gegen Vogelmord seit 2023 tätig. Die Organisation ist ausserdem auf Sizilien, Sardinien, in Norditalien, Spanien sowie auf Malta präsent. Und auch im Libanon, «wo mit Maschinengewehren auf Störche und Greifvögel geschossen wird», wie Friedrich sagt.

Auf Zypern, wo das Komitee 2001 mit seiner Arbeit begann, konnte es Erfolge feiern. Die Polizei habe sensibilisiert werden können; die Bussen für das Wildern der Vögel seien auf Zypern gestiegen, sagt Friedrich. «Anfangs lagen sie bei 40 Euro, was kaum jemanden abhielt, die Tiere zu töten. Inzwischen liegen sie im fünfstelligen Bereich.» In Italien und auf Zypern werden die Zugvögel jedoch aus anderen Gründen erlegt als auf Zakynthos.

150 Gramm für 90 Euro

Auf Zypern oder in Italien dreht es sich um ein illegales Geschäft auf dem Delikatessenmarkt. Der Restaurant-Preis für das traditionelle Gericht Ambelopoulia aus gut 150 Gramm Mönchsgrasmücke soll bei 90 Euro liegen. Gemäss dem Komitee gegen den Vogelmord dürften auf dem Schwarzmarkt bis zu 16 Millionen Euro umgesetzt werden.

Mitglieder des Komitees gegen Vogelmord nach einem Wilderer-Angriff in Keri
Nach dem Angriff der Wilderer: Camp-Leiter Bostjan Debersek mit kaputter Nase. (Bild: Niels Friedrich)

Singdrossel am Spiess mit Myrte ist auf Sardinien ein beliebtes Weihnachtsessen, und auf Zypern schätzt man Mönchsgrasmücke mit Kartoffeln oder Oliven. Man greift nach dem Kopf der Delikatessen und isst sie von hinten her auf.

Die Tiere werden mit Leimruten oder Netzen gefangen. Sie sterben oft in der Sonne an einem Hitzeschlag oder wegen einer Panikattacke. Den übrigen wird die Kehle durchgeschnitten oder ein Zahnstocher durchs Hirn getrieben.

Der Berliner Kurier veröffentlichte im Mai 2017 Zahlen, die es in sich haben. Er titelte: «Vogel-Mafia tötet 30 Millionen Vögel pro Jahr – aus Geldgier.» In Ägypten sollen 11 Millionen Vögel illegal verspeist werden. In der EU ist Italien Spitzenreiter. Gegen 6 Millionen Vögel kommen auf den Teller.

Auf Zakynthos ist es eine Mischung aus Speiseplan (Turteltauben) und Volkssport (die übrigen Vogelarten), die die Wilderer zur Schrotflinte greifen lässt. Niels Friedrich erzählt, es gebe sogar Teenager, die auf ihren Motorrädern durch Olivengärten fahren und um sich schiessen. «Wir nennen sie die Babygang.»

Für gewöhnlich warten die Schützen auf Höhe der Baumkronen auf einer Art Hochsitz auf die Vögel. Friedrich nennt die Anlagen Schiessplätze. Es gebe viele davon – gut getarnt. Die Schützen erheben sich erst, wenn die Vögel im Anflug sind.

Die Wilderer seien gut ausgerüstet. Ihre Waffen verstauten sie in Bunkern im Wald, so müssen sie nicht damit über Zakynthos fahren. Hunde sollen die abgeschossenen Tiere einsammeln. Zum Schluss werde alles verbrannt, was nicht gegessen werden kann. Sogar Überreste der Munition, damit keine Rückschlüsse auf den Schützen gezogen werden können. Feuerverbote stellten zu keinem Zeitpunkt ein Hindernis dar.

«Im Frühjahr ist wegen der Brutzeit jeder Schuss illegal», sagt Friedrich klar.  Das multinationale Komitee recherchiert, dokumentiert und kartographiert vor Ort. Das Hauptziel ist, die Polizei dazu zu bewegen, genau hinzusehen. Das führt regelmässig zu Reaktionen derjeniger, die nicht wollen, dass die Polizei hinsieht.

Bewaffnete Wilderer auf Hochsitz
Die Wilderer warten auf einer Art Hochsitz auf die Vögel. (Bild: Niels Friedrich)

Schon vor Jahresfrist rächten sich die Wilderer auf Zakynthos, indem sie ein Auto des Komitees demolierten. Mindestens ein Auto pro Camp-Einsatz gehe immer zu Bruch, sagt Friedrich. «So krass wie in diesem Jahr war es aber noch nie.»

Der Tag, an dem die Fäuste flogen

Am 16. April steigen die zehn Vogelschützerinnen und -schützer auf einen bewaldeten Hügel. Nachts um 3.30 Uhr, im Schutz der Dunkelheit. Oben angelangt, installieren sie Kameras, die so klein sind, dass man sie zwischen Steinen verstecken kann. Hintendran hängt eine Festplatte. Es wird permanent aufgenommen. So sollen Gesichter, Autokennzeichen und Vorgänge dokumentiert werden.

Als die Aktivisten nach 12 Uhr wieder hinabsteigen, sehen sie einen Vermummten vor seinem Pickup auf sie warten. Weitere Pickups kommen. Die Vermummten errichten Strassensperren. Niels Friedrich erinnert sich: «Ich hatte kein gutes Gefühl, andere auch nicht. Wir kamen uns vor wie Anfänger, sind denen voll in die Fäuste gerannt.»

Die Maskierten hätten sie rumgeschubst, bedroht und mit den Füssen getreten. Die Britin Emma Phipps wird später zu Protokoll geben: «Sie bewarfen uns auch mit Steinen und warnten uns, nie wieder nach Keri zurückzukehren, wenn wir nicht unser Leben riskieren wollten.» Ihr sollen zwei Fingergelenke ausgekugelt worden sein.

Emma Phipps kommt beim Angriff eine entscheidende Rolle zu. Sie trägt eine Bodycam unter ihrer Weste. Die Wilderer entdecken die Kamera, zerstören sie und reissen die Frau an den Haaren zu Boden. Phipps habe um sich geschrien und damit für ein Durcheinander unter den Maskierten gesorgt, erzählt Friedrich. Dies hätten die zehn Vogelschützerinnen und -schützer genutzt und sich in die Büsche geschlagen.

Es kommt noch besser. Die Polizei konnte die Bilder auswerten, die vor der Zerstörung der Kamera aufgenommen wurden. Darauf waren die Autokennzeichen der Maskierten ersichtlich. Es sei zu Festnahmen gekommen. Friedrich habe gehört, dass jeder einzelne bis zum 2. Mai eine Busse von 3000 Euro zahlen müsse. «Sonst gehts ins Gefängnis.»

Das Komitee gegen Vogelmord wird den Mai noch auf Zakynthos bleiben. Im Frühling 2026 läuft das nächste Camp auf der Insel an.

Getötete Turteltauben
Getötete Turteltauben. (Bild: Niels Friedrich)
Vogelmord in Griechenland

Kommentare

Peter Waldner
02. Mai 2025 um 09:41

Lächerlich

Ich habe diese Frühlings-Vogeljagd in Griechenland auch schon erlebt. Da streichen Horden von ausgewachsenen Männern mit Gewehren stolz durchs Gelände und knallen jeden Vogel ab, den sie zu sehen kriegen. Es ist ausgesprochen lächerlich, auch wenn es offensichtlich eine Tradition ist – nicht nur in Griechenland, sonden fast überall in Südeuropa. Ich bin ja sehr für den Erhalt von Traditionen, aber das ist nur noch kindisch. Zwar verboten, aber es ficht weder Polizei noch Justiz wirklich an.