Wirtschaft «zu allen Zeiten»: Verstösst die CMS gegen den Vertragspassus von 1836?

Die Stiftung liess das Restaurant über mehrere Jahre leer stehen. Nun gibt es einen befristeten Neuanfang für Fussballfreunde im Garten. Doch die Zukunft ist ungewiss.

Wirtshaus St. Jakob
Mehrere Pächter scheiterten mit ihren Konzepten – auch wegen der Lage. (Bild: Christof Wamister)

Das Wirtshaus St. Jakob war früher ein beliebtes Lokal – heute ist es ein Sorgenkind. Die Probleme begannen aber schon früh, wie dem Gedicht von 1913 «Zu St. Jakob» des Stadtpoeten Dominik Müller zu entnehmen ist: Auf dem Schlachtfeld zu St. Jakob sei

«entsprossen ein Weinwirtschäftlein längst, da konnt’ man lindern allfälligen Durst und dabei schön verschnaufen Von dieses Daseins rätselhaftem Raufen (…) Nun ward dem Wirtshäuslein ein End’ gemacht, ein grösseres zieret stilvoll seine Stelle Doch ich betrete nimmer seine Schwelle dem alten bleib ich treu, das sich bewährt, Und hüt’ es, von Erinnerung verklärt.»

Was da der ultrakonservative und später politisch anrüchige Dichter (mit bürgerlichem Namen Paul Schmitz) verklärt, ist erklärungsbedürftig.

Das Wirtshaus ist aus einem Zollhaus hervorgegangen, mit dem Basel den Warenverkehr am nahe gelegenen Birsübergang kontrollierte. Im Mittelalter wurde hier aber auch ein Haus für Aussätzige erstellt, das Siechenhaus, und eine Kapelle zu Ehren des Heiligen Jakobus, des Schutzpatrons der Reisenden.

Der Ort wurde dann durch die Schlacht von 1444 berühmt. Während dieser zogen sich die verbliebenen Eidgenossen in die Kirche zurück, die dann durch die französischen Söldner abgebrannt wurde. In der Folge wurde das Gebäude als Schlachtkapelle neu gebaut. Über das Schicksal des Zollhauses in den Kämpfen ist nichts bekannt, aber um 1687 wurde es bedeutend vergrössert. Der Zollbeauftragte, Zoller genannt, hatte auch das Recht, Wein auszuschenken, was den Ruhm des Wirtshauses begründete. Mit etwas makabrem Bezug auf die Schlacht wurde auch «Schweizerblut» ausgeschenkt, Wein aus dem benachbarten und heute zugebauten Rebberg am Scherkessel.

Dieser bedeutende «lieu de mémoire», zu dem auch die benachbarte Walkmühle und der St. Alban-Teich gehören, wurde in der neuesten Zeit ein Opfer baulicher Sachzwänge. Nur die heute zu Wohnzwecken genutzten Siechenhäuser haben in ihrem Originalbestand überlebt. Die alte Schlachtkapelle wurde 1894 durch einen grösseren Neubau ersetzt. Der Abbruch gestaltete sich als ein Akt des Vandalismus. Denn unter dem Verputz entdeckte man Wandbilder aus dem 15. Jahrhundert – doch da war es schon zu spät. Davon gibt es heute nur noch Skizzen und Aquarelle, die Künstler noch am Ort anfertigen konnten. Dies ist im ausführlichen Bericht von Denkmalpfleger Rudolf Riggenbach (Spitzname Dingedinge) im Kunstdenkmälerband von 1941 über die Basler Kirchen zu lesen.

Auf die Grundmauern abgetragen

Zurück zum Wirtshaus: 1836 erwarb Christoph Merian aus dem Besitz des Waisenhauses die ganze Siedlung ohne die Kirche. Zu den Kaufbedingungen gehörte unter anderem, «zu allen Zeiten zu St. Jakob eine Wirtschaft halten zu lassen». Das belegen nicht nur der Kunstdenkmälerband, sondern auch eine illustrierte «Historische Orientierung», die der damalige Bürgerratspräsident Ernst Miescher 1939 den Mitgliedern des Weitern Bürgerrates über das Wirtshaus zu St. Jakob zukommen liess. Der Bürgerrat hat die Oberaufsicht über die Stiftung, die nach dem Tod der Witwe Merian gegründet wurde. Miescher vermutet auch, dass der fromme Christoph Merian am Wirtshausbetrieb wohl keine besondere Freude hatte.

Trotzdem florierte die Wirtschaft weiterhin. Doch zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die «Verhältnisse im Wirtschafthaus eigentlich unhaltbar», wie Miescher berichtet. Das Haus mit seinem vom Stadtpoeten geschätzten historischen Charme entsprach nicht mehr den gestiegenen hygienischen und betrieblichen Anforderungen. 1913 wurde es bis auf die Grundmauern abgetragen und in historistischem Stil neu aufgebaut. Dekorationsmalereien von namhaften Künstlern, die 1891 angebracht worden waren, wurden kopiert. Doch vor dem grossen baulichen Eingriff musste zuerst geklärt werden, ob wegen der «geplanten Veränderung der Strassenanlage» ein solches bauliches Unternehmen überhaupt sinnvoll sei.

Das war es im Moment, aber noch Jahrzehnte danach bestand die Meinung oder Befürchtung, «das Wirtshaus werde der projektierten Korrektion der Äusseren St. Jakobsstrasse zum Opfer fallen». So heisst es im Bericht an den Weiteren Bürgerrat, mit dem 1936 eine Renovation (Kostenpunkt 18’000 Franken) beantragt und schliesslich ausgeführt wurde.

Dennoch war nicht zu übersehen, dass das St.-Jakobs-Dörflein immer mehr von Verkehrsbauten eingeschnürt wurde. Zuerst war es die Eisenbahnlinie, dann die Strassenkorrektionen. Dass der St. Alban-Teich deswegen überdeckt wurde, hatte für die Wirtschaft den Vorteil, dass sie ihren kastanienbeschatteten Garten erweitern konnte. Dieser ist heute noch ein Bijou, auch wenn er durch eine massive Betonmauer gegen die monströse St. Jakobs-Kreuzung abgesichert werden musste.

Opfer von Verkehrsbauten

Doch in den vergangenen Jahrzehnten ging es mit dem Wirtshaus St. Jakob bergab. Mehrere Pächter scheiterten mit ihren Konzepten. Die Gründe sind abgesehen von den geänderten Gewohnheiten beim Auswärtsessen vor allem in der Lage zu suchen. Parkplätze wären vorhanden, aber das Wirtshaus ist eingerahmt von einer vierspurigen Strasse und der wuchtigen St. Jakobs-Kreuzung mit einer Unterführung für den Transitverkehr von und zur Autobahn. Trotz Sanierung und Verbesserungen zum Beispiel für den Veloverkehr ist die Kreuzung nicht kleiner geworden. Das Wirtshaus an der Ecke ist kein Ort mehr, zu dem man so ohne Weiteres hinbummelt, um ein Glas Wein oder ein Nachtessen zu geniessen.

2021 stellte die Eigentümerin CMS den Betrieb ein und brachte erst dieses Jahr wieder Belebung in die gastronomische Landschaft. Der zur Wyniger-Gruppe gehörende sozial ausgerichtete Verein Malian betreibt seit September 2024 eine Produktionsstätte für Lebensmittel und im Garten eine «Eventgastronomie» mit Grillspezialitäten und Bier aus der Stadtmauer Brauerei. Dies aber nur, wenn in der Umgebung Betrieb ist, wie zum Beispiel während des ESC, an Fussballspielen und in den nächsten Wochen bei der Frauen-Fussball-EM. Das Garten-Angebot vor den Heimspielen des FCB sei von den Fans gut aufgenommen worden, sagt Christoph Widmer von Malian/Wyniger: «Das war das Ziel. Ein unkomplizierter Ort für alle, die den Matchtag mit Genuss und guter Gesellschaft starten möchten.» Allerdings sei die neue Nutzung vorerst auf Ende Jahr begrenzt.

«Rechtskonform»

Wie sieht man es bei der CMS, die rechtlich verpflichtet wäre, hier auf alle Zeiten ein Wirtshaus zu führen? Mediensprecher Carlo Clivio: «Es ist noch nicht entschieden, wie es nach dieser Nutzung weitergeht. Diese wird auf jeden Fall – wie auch heute – rechtskonform sein.»

Es stellt sich aber die Frage, ob eine vierjährige Schliessung und ein nur sporadischer Betrieb mit dem Vertragspassus von 1836 vereinbar sind. Die CMS ist Rechtsnachfolgerin von Christoph Merian, dessen Vertragspartner das Waisenhaus war, das damals noch der Stadtregierung unterstand. Heute gehört das Waisenhaus zur Bürgergemeinde, die 1836 in dieser Form aber noch nicht existierte.

Im Grundbuch ist allerdings die Verpflichtung, eine Gastwirtschaft zu führen, nicht eingetragen. Sie wäre somit nur noch moralisch-historischer Art.

Wirtshaus St. Jakob

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