Investoren reagieren auf verbreitete Sorgen
Rhystadt und Swiss Life, die im Klybeck auf kontaminiertem Boden ein neues Quartier hochziehen wollen, erklären sich. Sie wollen künftig für mehr Transparenz und Mitwirkung sorgen.
Im Basler Klybeck soll ein lebendiges Quartier entstehen – für 8500 Menschen und mit 7500 zusätzlichen Arbeitsplätzen. Dort, wo einst die mit Chemikalien gefüllten Holzfässer vor den Fabriken standen und auf der Schiene Gefahrengut vom Gelände wegtransportiert wurde.
Das macht einigen aus der Nachbarschaft Bauchweh. An der Altlastenkonferenz des Vereins Zukunft.Klybeck im Februar forderte ein Teilnehmer eine «unabhängige, ehrliche und saubere» Altlastensanierung.
Darauf reagiert die Bauherrschaft am Dienstag mit einer Charmeoffensive: «Die Verunreinigungen im Untergrund stellen im jetzigen Zustand keine Gefahr für Mensch und Umwelt dar», sagt Christian Mutschler, CEO der Rhystadt, einer der Bauherrinen. «Der Umgang mit den Standortbelastungen ist eine grosse Herausforderung, aber eine lösbare Aufgabe.»
Susanne Pfenninger, stellvertretende Geschäftsführerin des Geotechnischen Instituts, ergänzt an der Medienkonferenz in den Räumlichkeiten des Klybeck 610: «Bauprojekte auf belasteten Standorten sind sinnvoll, erwünscht und mit dem entsprechenden Engagement auch durchaus möglich.»
Im Klybeck haben die Ciba AG, die Ciba-Geigy, die Novartis AG und die BASF AG ab 1864 über hundert Jahre lang produziert. Der Medizinhistoriker Markus Hämmerle arbeitete diese Geschichte an der Universität Basel auf. Für seine Dissertation «Die Anfänge der Basler Chemischen Industrie im Lichte von Arbeitsmedizin und Umweltschutz» erhielt er 1977 den Henry-E.-Sigerist-Preis. Darin beschreibt er, dass Gasvergiftungen, Vergiftungen durch ungewollte Aufnahme von Chemikalien, Hauterkrankungen und Explosionen zum Alltag der Chemiearbeiter gehörten.
Geheimnisse lüften
Jürgen Friedrichs, Gesamtprojektleiter Klybeck für Swiss Life, bietet an, «unseren Kenntnisstand so weit wie möglich und sinnvoll zu teilen». Man mache demnächst eine umfangreiche Zahl von Berichten der Öffentlichkeit zugänglich. Noch im Jahr 2025 soll eine Plattform geschaffen werden, auf der sich die Bauherrschaft, Nachbarschaft, Quartiervereine, Behörden und Nichtregierungsorganisationen begegnen.
Friedrichs Angebot kommt bei Martin Forter gut an. Der Altlasten-Experte ist an diesem Dienstagmorgen ebenfalls ins Klybeck gekommen. «Wir setzen uns dafür ein, dass dieses Gebiet richtig untersucht und aufgeräumt wird», sagt der Geschäftsführer der Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz. Beim Bauen reiche es nicht, nur den Aushub zu beseitigen und alles andere liegen zu lassen. Das sei «nicht das Beste für ein zukünftiges Quartier», denn es wisse niemand, was genau unter dem Boden sei. Forter fordert «eine systematische Untersuchung». Zudem brauche es alle 10 bis 15 Meter eine Bohrung – «dann weiss man, was man aufräumen muss».
Die Verschmutzung gehört zur Geschichte der Stadt. Diese wurde zuerst an der Peripherie geschrieben. Zwischen Rhein, Wiese und Industrieanlagen entstanden Blockrand-Bebauungen für die Arbeiter und deren Familien. Damals lagen die Fabriken noch ausserhalb der Kernstadt. Nach dem Krieg setzte die Hochkonjunktur ein, was zu weiterem Wachstum der Nachbarschaft führte.
Schliesslich baute die Ciba im Klybeck einen 122 Meter hohen Kamin. «Damit sich die Abgase besser verteilen und sich die dortigen Anwohner nicht über Rauchbelästigung zu beklagen haben», schrieb die die Basellandschaftliche Zeitung im September 1957. Diese sogenannten Abgase verdünnten sich durch die Höhe, gingen aber auch auf eine grössere Fläche nieder.
Im Klybeck wurde eine grosse Vielfalt an Substanzen verarbeitet oder hergestellt, die für den Menschen teilweise hochgiftig, krebserregend und für die Umwelt problematisch sind. Darunter der Kampfstoff Senfgas oder Benzidin. Im November machte die SRF-Rundschau bekannt, dass man 2021 im Bau K-90 das giftige Chlorpikrin nachweisen konnte – einen chemischen Kampfstoff.
«Scheinresultat»
Das will Jürgen Friedrichs so nicht stehenlassen. Der Fund von Chlorpikrin sei ein «Scheinresultat». Untersuchungen hätten ergeben, dass eine Verwechslung vorliege. «Es gibt und gab im K-90 also keine Kampfstoffe», sagt Friedrichs. Damit fängt Friedrichs auf, was Christian Mutschler bereits zu Beginn der Medienkonferenz gesagt hat: «Die öffentliche Diskussion ist heute leider stark von Verunsicherungen, Mutmassungen und teilweise auch Falschbehauptungen geprägt. Dem wollen wir heute entgegenwirken.» Es handle sich für ihn um ein grundeigenes, auch wirtschaftliches Interesse, das Problem zu lösen, betonte Rhystadt-CEO Mutschler. Im Bewusstsein darüber, dass im Klybeck in der Vergangenheit viel geschehen ist.
Seit Beginn der chemischen Produktion im 19. Jahrhundert bis zur Inbetriebnahme ihrer Kläranlage 1982 leiteten die Ciba AG, ihre Vorgängerfirmen und die Ciba-Geigy AG ihr gesamtes Chemieabwasser durch ein unterirdisches System aus tönernen Röhren ungereinigt in den Rhein. Durch dieses Kanalisationssystem könne «es vor langer Zeit in weiten Arealzonen zu Boden- respektive Grundwasserverschmutzungen gekommen sein», ist im historischen Bericht der Ciba SC AG und der Novartis AG von 2000 zu lesen. Schäden sollen «belegt» sein.
Wie die Novartis reagierte
Auf der gegenüberliegenden, linken Seite des Rheins hat die Novartis Pharma AG sofort reagiert, als sie ihren Campus flott machte. Die Friedli Partner AG sanierte für sie und schreibt auf ihrer Website: «Auf dem Novartis Campus in Basel musste zur Vorbereitung neuer Gebäude eine umfangreiche Altlastensanierung durchgeführt werden. Aufgrund der mehr als hundertjährigen Industriegeschichte (insbesondere Farbstoffherstellung) waren im Untergrund bis in eine Tiefe von 15 Metern Belastungen mit Anilinen und Quecksilber (Südteil) bzw. mit chlorierten Kohlenwasserstoffen, PCB und Lösungsmitteln (Nordteil) vorhanden. Alle Belastungen bis zum Grundwasserspiegel waren zu entfernen.» Wie viele Millionen Franken die Arbeiten gekostet haben, will Novartis nicht öffentlich machen.
Im Klybeck müsse ein Chlorbenzol-Schaden saniert werden, erklären die Bauherrinnen. Voreigentümerin BASF bereite dies vor. Die Sanierungsarbeiten sollen nach 2028 beginnen. Jürgen Friedrichs gibt das Ziel bekannt: «Einen Ort zu schaffen, wo man wie im übrigen Quartier sorglos, gesund, gut und gerne leben kann.»
Dass nun im Grundwasser anhand einer Liste nach 200 Stoffen gesucht wird – deutlich mehr als bis anhin – stimmt Forter positiv. «Ich hoffe, diese Liste enthält die Stoffe, mit denen hier gearbeitet wurde.» Der Altlastenexperte geht nicht unzufrieden nach Hause – aber Skepsis bleibt.