Angriff auf den Zivildienst: Militarismus wird zunehmend in
Der Kolumnist kritisiert, dass «Bürgerliche und rechte Männer ihre Wunschvorstellung einer wehrhaften Schweiz voller eifriger Soldat*innen durchsetzen wollen».
Es ist Zeit für meine inzwischen fast schon jährliche Zivildienst-Kolumne. Gerade leiste ich einen Zivi-Einsatz, meinen allerletzten. Ende Juli habe ich endlich ausgedient. Ich freue mich, diese Pflicht bald hinter mir zu haben. Der Zivi-Einsatz heisst aber auch, dass ich jetzt wieder sechs Wochen mit der Debatte über die Dienstpflicht konfrontiert bin. Und daran verzweifle.
Die aktuell diskutierten Reformen des Zivildiensts zeigen: Bürgerliche und rechte Männer in unserem Parlament möchten sich nicht mit den Ursachen von gegenwärtigen und zukünftig drohenden Krisen auseinandersetzen. Sei es durch den Klimawandel, globale soziale Ungleichheit oder rechtsextreme Machthaber mit Atomwaffen und imperialistischen Vorhaben. Stattdessen instrumentalisieren sie diese Unsicherheiten, um ihre Wunschvorstellung einer wehrhaften Schweiz voller eifriger Soldat*innen durchzusetzen.
Als ich mich vor sieben Jahren für den Zivildienst entschied, wurde uns stolz gepredigt, dass wir einen ebenso wertvollen Dienst leisten würden wie jene, die ins Militär gehen. Das war damals schon Schwachsinn: Die Arbeit als Zivi – grossteils Care-Arbeit in Schulen, Spitälern und Altersheimen oder Einsätze zugunsten der Natur – war den Verantwortlichen im Verteidigungsdepartement und der Politik nie gleich viel wert. Sonst gäbe es keinen Tatbeweis und die Dienstpflicht wäre nicht eineinhalb Mal so lange wie im Militär.
Inzwischen ist nicht einmal mehr das genug. Der Zivildienst gerät massiv in Bedrängnis. Ihm droht, durch eine «Sicherheitsdienstpflicht» mit dem Zivilschutz in einen Katastrophenschutz zusammengelegt zu werden. Die Folge wäre, dass in den sozialen Bereichen massiv weniger Tage geleistet werden.
«Die Reaktionen bleiben erschreckend leise.»
Im Nationalrat werden sogar Forderungen nach der Wiedereinführung der Gewissensprüfung laut und erhalten Unterstützung. Dies würde einen Rückschritt in die Neunziger bedeuten und klingt ziemlich nach Rhetorik wie im Kalten Krieg – dennoch bleiben die Reaktionen erschreckend leise. Militarismus wird in der Schweiz anscheinend zunehmend in.
Diese politischen Entwicklungen und die Schwächung des Zivildiensts zeigen auf, wie nur jene Einsätze und, gesamtgesellschaftlich betrachtet, jene Arbeit als wertvoll gilt, die Profit generiert – oder das Land verteidigt.
Indem der Zivildienst als bequeme Alternative geframed wird, bei der man jetzt durchgreifen müsse, verstärken Bürgerliche und Rechte ihr aktuelles Lieblings-Narrativ: Wir jüngeren Generationen scheuen uns vor harter Arbeit. Für die sind wir verweichlichte, verwöhnte «Snowflakes», die nicht mehr auf die Zähne beissen können.
Jene, die jetzt eine Militärdienstpflicht für alle Geschlechter fordern, sind dieselben, die ausblenden, weshalb die Armee für viele keine Option ist. Vergangenen Herbst stellte sogar eine vom Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport in Auftrag gegebene Studie das enorme Ausmass an Sexismus und sexualisierter Gewalt in der Armee fest.
Wer in diesem Kontext den Zivildienst angreift, um das Militär attraktiver zu machen, fühlt sich nicht hauptsächlich von Krisen und Katastrophen bedroht. Sondern vor allem davon, dass sich viele junge Menschen einen Dienst in einer strukturell gewaltvollen und diskriminierenden Organisation nicht mehr gefallen lassen.