Nils Jocher: «Sabine Bucher ist zwar keine Linke. Dennoch …»
Haben die Sozialdemokraten überhaupt ein Interesse an einer Wahl der Grünliberalen, die sich gegen die Kita-Initiative ausspricht? Der Präsident der Baselbieter SP begründet, warum seine Partei Bucher weiterhin unterstützt.
Die SP-Basis hat sich an den Deal mit der GLP gehalten und für Sabine Bucher mobilisiert. War das für Sie klar, Herr Jocher?
Ja, weil wir gesehen haben, was in unseren Sektionen passiert. Es fanden verschiedene Aktivitäten statt.
Wie viel Überzeugungsarbeit von Ihrer Seite war nötig?
Keine. Natürlich war nicht dasselbe Feuer zu spüren, wie dies bei einer eigenen Kandidatur der Fall gewesen wäre. Aber das war von Anfang an klar. Auch haben nicht alle Sektionen gleich stark mobilisiert, weil einige Sabine Bucher näher stehen als andere. Und sie war auch nicht allen gleich bekannt. Aber insgesamt hat die Mobilisierung gut geklappt, obwohl sowohl die bürgerlichen Parteien als auch die Medien nicht daran geglaubt haben.
Der Freisinnige Markus Eigenmann hat bereits im ersten Wahlgang über das Wählerpotenzial von FDP und Mitte hinaus Stimmen geholt. Nun kommen auch die Stimmen der SVP hinzu. Für Sabine Bucher dürfte es schwierig werden.
Jetzt ist es ein Kopf-an-Kopf-Rennen, und der zweite Wahlgang wird mit Sicherheit anspruchsvoller als der erste. Aber das war so zu erwarten. Jetzt gilt es, sich neu aufzustellen und nochmals Gas zu geben. Die SP wird auch im zweiten Wahlgang alles geben. Der Vorteil ist, dass man Sabine Bucher nun besser kennt, und sie wird ihren Bekanntheitsgrad weiter steigern. Die Geschlechterfrage wird im zweiten Wahlgang sicher auch eine wichtigere Rolle spielen als bisher. Es stehen sich nicht mehr zwei Frauen und ein Mann, sondern eine Frau und ein Mann gegenüber. Die Frage ist, ob es den Baselbieterinnen und Baselbietern reicht, wenn nur noch eine Frau in der Regierung vertreten ist. Dasselbe gilt für die regionale Repräsentanz. Mit Markus Eigenmann wäre das Unterbaselbiet im Vergleich zum Oberbaselbiet übervertreten.
Spätestens seit sich Sabine Bucher gegen die Kita-Initiative ausgesprochen hat, ist klar: Sie ist keine Linke. Die Grünliberale hat ihre bürgerlichen Positionen im Wahlkampf mehr und mehr akzentuiert. Das dürfte der rot-grünen Wählerschaft nicht gefallen.
Das Ergebnis vom Sonntag zeigt, dass eine linke Kandidatur zum jetzigen Zeitpunkt wohl mehr Mühe gehabt hätte. Sabine Bucher ist zwar keine Linke. Dennoch grenzt sie sich bei Themen wie Nachhaltigkeit, Verkehr oder Steuern von Markus Eigenmann ab. Sie ist gegen Steuersenkungs-Orgien und befürwortet Investitionen in die Zukunft. Das motiviert unsere Wählerinnen und Wähler, für Sabine Bucher zu stimmen. Sie ist eine gute Alternative.
Am Wahlsonntag vom 30. November kommt auch die Erbschaftssteuer-Initiative der Juso zur Abstimmung. Sabine Bucher wird dieses Anliegen im Gegensatz zu vielen SP-Wählerinnen und -Wählern kaum unterstützen. Wie wollen Sie Ihre Basis dazu bringen, trotzdem für Bucher einzulegen?
Es hiess schon vor dem ersten Wahlgang, dass von linker Seite eine bescheidene Mobilisierung zu erwarten sei – aber es ist anders gekommen. Die Wahlbeteiligung war am vergangenen Sonntag in allen Lagern sehr tief. Sachvorlagen helfen in der Regel, Stimmbürgerinnen und Stimmbürger an die Urne zu bringen. Die meisten, die den Abstimmungszettel ausfüllen, werden auch den Wahlzettel ausfüllen – und im besten Fall Sabine Bucher aufschreiben.
Als die SP 2015 aus der Regierung flog, war die Konkordanz in Ihrer Partei ein wichtiges Argument. Wieso jetzt nicht, wenn es um die FDP geht?
Wir standen damals in unserem Lager ziemlich alleine da. Ohne die SP gab es in der Regierung niemanden mehr, der prominent als soziale Stimme auftrat. Dieses Risiko besteht weniger, wenn die FDP nicht mehr Teil der Exekutive ist. Ihre Interessen werden dennoch vertreten.
Von wem? Die SVP ist ja nicht Teil der Regierung.
Mit Anton Lauber von der Mitte sind die Bürgerlichen immer noch gut vertreten. Ausserdem ist Thomi Jourdan auch kein Linker. Und Isaac Reber würde ich nun auch nicht als linksaussen bezeichnen. Abgesehen davon ist die jetzige Regierung, egal wer gewählt wird, nicht auf Jahre in Stein gemeisselt. 2027 werden, wie in einer Demokratie üblich, die Karten neu gemischt – und zwar für alle.
«Noch schlimmer wäre nur die Wahl von SVP-Mall gewesen.»
Nils Jocher, Präsident Baselbieter SPAlso spielt es gar keine Rolle, wer jetzt gewählt wird, weil 2027 ohnehin alles über Bord geworfen wird?
So will ich es nicht verstanden haben. Einer Regierung sollen die besten Köpfe angehören. Und das ist für uns bei dieser Wahl eindeutig Sabine Bucher. Ausserdem sind die Kräfteverhältnisse im Parlament dank des Proporz gut abgebildet. FDP und SVP könnten ja auch für die Exekutive ein Proporzwahlverfahren vorschlagen. Bis jetzt kam diese Idee vor allem von linker Seite.
Könnte die SP auch mit Markus Eigenmann leben?
Ziel ist, dass die progressive Sabine Bucher in die Regierung kommt. Mit dem FDP-Kandidaten geht es politisch weiter wie bisher: Abbaupolitik, Steuersenkungen und die Energiewende sowie der Klimaschutz fernab von Priorität. Noch schlimmer wäre nur die Wahl von SVP-Mall gewesen.
Die SP strebt 2027 einen zweiten Sitz in der Regierung an. Wäre es nicht ein Hindernis, wenn die Mehrheitsverhältnisse mit Bucher jetzt schon nach links rutschen würden?
Das kann man jetzt noch nicht sagen. Es ist offen, wie, mit wem und in welchem Bündnis die SP 2027 zu den Gesamterneuerungswahlen antritt. Was man aber jetzt schon sagen kann: Wir empfinden die Zusammenarbeit mit GLP und Grünen als sehr befruchtend. Der erste Wahlgang hat gezeigt, dass die fortschrittliche Allianz in Baselland funktioniert.
Die GLP könnte 2027 aber auch Teil einer breiten Mitte-Allianz sein, die alle Parteien ausser SP, Grüne und SVP einschliesst.
Grundsätzlich würde es dem Baselbieter Freisinn gut tun, sich von der SVP loszulösen. Aber die Präsidenten von FDP und SVP, Melchior Buchs und Peter Riebli, haben am Sonntag bereits wieder versöhnliche Töne angeschlagen. Daher ist alles offen.
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