Feindbild Elite

Der Kolumnist und FDP-Landrat plädiert dafür, Exzellenz anzustreben – und zwar in jedem Bereich. Es sei richtig, hohe Ansprüche zu stellen.

Columbia University
«In deinem Schein erkennen wir das Licht», so lautet das Motto der Columbia University. (Bild: Columbia University)

Gehören Sie zur Elite? Die Frage hat etwas Aufdringliches. Wer das Schweizer Bürgerrecht will, gibt sich Mühe, nicht elitär zu wirken. Es scheint passender, das Chäslädeli an der Ecke zu loben als von Designerboutiquen zu schwärmen. Bloss nicht abheben! In gut situierten Basler Familien trug man, so heisst es, den Pelz nicht aussen, sondern innen am Mantel.

«Elite» kommt von «eligere», was «auslesen» bedeutet. Im Militär verfügen Elitetruppen über besondere Schlagkraft. Im Bildungsbereich spricht man von Eliteuniversitäten, wenn die Qualität von Lehre und Forschung ausserordentlich ist.

Im Landrat fallen die Voten in der Regel nüchtern aus. Geht es um die gemeinsame Universität, ist aber oft von «Exzellenz» die Rede, die es anzustreben gelte. Ich verwende den Begriff auch gern. Es ist richtig, hohe Ansprüche zu stellen.

Gelegentlich hört man, die Amerikaner seien arrogant, weil sie für die Aufnahme an Spitzenuniversitäten nicht nur ein Maturazeugnis mit besten Prädikaten, sondern auch ein «Ranking» verlangen. Das heisst: wissen wollen, in welchem prozentualen Leistungsbereich man sich bewegt.

Nicht, dass ich dieses System auch hier einführen möchte. Doch der Eindruck, das Studium an einer renommierten US-Universität sei abgehoben, täuscht. Das Curriculum ist konsequent auf die offene Debatte ausgerichtet. Die Büros der Dozierenden stehen den Studierenden offen. Der Austausch mit dem Lehrkörper ist unkompliziert, auch zwischen Erstsemestrigen und Koryphäen.

Elitär an diesen Universitäten ist der aufklärerische Geist, der alle bewegen soll. «In deinem Schein erkennen wir das Licht» («in lumine tuo videbimus lumen»), lautet das religiös anmutende Motto der New Yorker Columbia University. Auf der akademischen Tradition aufbauend treiben Dozierende und Studierende die Forschung gemeinsam voran und finden innovative Lösungen. Das ist das Ideal.

Wer sich zur Elite zählt, darf sich nicht über andere erheben.

Wer den Geist der Aufklärung ernst nimmt, muss dafür sorgen, dass an den besten Universitäten alle studieren können, die die Begabung, das Interesse und die Leistungsbereitschaft mitbringen. Fehlende finanzielle Mittel dürfen kein Hindernis sein. Klar ist auch: Wer sich zur Elite zählt, darf sich nicht über andere erheben.

Ausgrenzender, diskriminierender Polit-Aktivismus von Studierenden und Dozierenden, wie es ihn leider auch an der Columbia University und an der Universität Basel gab, steht in einem eklatanten Gegensatz zum humanistischen Geist und zu den Qualitätsansprüchen, die diese Hochschulen haben.

Heute ist der Begriff der «Elite» überwiegend negativ konnotiert. Eliten gelten als überheblich, verwöhnt, geldgierig und verschwörerisch. Ihnen wird das arbeitende, «einfache Volk» entgegengesetzt, das angeblich ausgenutzt und für dumm verkauft wird.

Solche Narrative sind bestenfalls schädliche Zerrbilder. In der letzten Zeit haben allerdings Versuche totalitärer Staaten und mit ihnen sympathisierender Parteien und Personen, unsere Gesellschaft gezielt zu spalten, markant zugenommen. Die Bildung nicht nur an Hochschulen wird zur Zielscheibe von Kräften, die Minderheiten brutal diskriminieren oder gar Frauen vollständig von der Bildung fernhalten wollen.

Das Feindbild Elite bedient uralte, menschenverachtende Ressentiments. 1975 liess der kambodschanische Steinzeitkommunist Pol Pot Brillenträger ermorden, weil er in ihnen Akademiker vermutete. Heute begegnet man im Netz üblem, rechtsextremem Hass gegen Juden und Freimaurer, denen unterstellt wird, die Weltwirtschaft zu beherrschen und demokratisch gewählte Regierungen wie Marionetten an Fäden zu führen.

Politikerinnen und Politiker an rechten und linken Rändern testen Grenzen, die seit 1945 als Tabu galten. Man wird das wohl noch sagen dürfen …

Ein freiheitlicher Staat, der sich weiter entwickeln will, braucht Eliten in jedem Bereich. Deren Charakteristika sind nicht Egoismus und Dünkel, sondern Leistungsbereitschaft und Offenheit gegenüber allen, die sich konstruktiv und kreativ in die Gesellschaft einbringen.

Kolumne: «Schinzel Pommes»

Kommentare

Thomas Zysset
04. August 2025 um 19:53

Schaler Beigeschmack

Der Inhalt der Kolumne «Feindbild Elite» hat für mich einen schalen Beigeschmack. Die Rede ist vorwiegend von privilegierten Menschen, Absolvent*innen von Eliteuniversitäten, Elitetruppen beim Militär usw., auf die wir angewiesen seien. Wo ordnet Herr Schinzel alle anderen ein, die grosse Mehrheit der Bevölkerung, wo ist ihre Position, ihr Stellenwert in unserer Gesellschaft? Ein beeinträchtigter Mensch, der sein Leben eigenverantwortlich und eigenständig führt, gehört wohl nicht zur Elite, die der Kolumnist meint, auch wenn die Leistung mehr als bewundernswert ist. Während der Coronapandemie haben die Mitarbeitenden der Spitäler, Arztpraxen, Rettungsdienste Übermenschliches zugunsten ihrer kranken Mitmenschen geleistet. Für mich waren sie während dieser schwierigen Zeit die Elite. Ich bestreite nicht, dass wir als Gesellschaft, als Nation auf Spitzenleistungen angewiesen sind. Ich würde mir auch nie anmassen, diese in irgendeiner Art und Weise herab zu mindern. Grossartige Leistungen finden sich aber nicht ausschliesslich bei der sog. Elite, sondern überall in der Gesellschaft. Nicht selten dort, wo sie nicht vermutet werden oder kaum Beachtung finden. In unserer Bundesverfassung steht, dass sich die «Stärke des Volkes am Wohl der Schwachen misst» – und eben nicht am Wohl der Eliten.

Florian Suter
Hausarzt im Ruhestand

Aufklärung und Postkolonialismus

Vielen herzlichen Dank für diesen sehr interessanten Beitrag, Marc Schinzel! Zu Recht beklagen Sie «ausgrenzenden, diskriminierenden Aktivismus von Studierenden und Dozenten, wie es ihn auch an der Columbia University und an der Universität Basel gab». Das finde ich auch hochproblematisch und äusserst bedauerlich! In diesem Zusammenhang habe ich eben ein sehr hilfreiches Interview aus «NZZ Geschichte» von Juli 2024 gelesen: Die Redaktionsleiterin Claudia Mäder spricht mit der amerikanischen Philosophin Seyla Benhabib, in Istanbul als sephardische Jüdin aufgewachsen, die sich gleichzeitig gegen Antisemitismus stark macht und die israelische Regierung für ihre Politik in Gaza kritisiert. Die Hauptschwierigkeit des Postkolonialismus sieht sie in der «Tendenz, alles Universalistische als westliches Machtinstrument zu betrachten – und keine neuen vereinenden Konzepte aufzubauen. Es braucht ein gemeinsames Menschheits­verständnis. Wir dürfen uns nicht in der Analyse von Differenzen und deren Dekonstruktion ­verlieren». – Dem dürften auch Sie zustimmen, nicht wahr?

Beatrice Isler
04. August 2025 um 08:32

Danke

Danke für diesen sehr guten und einordnenden Artikel. Kann absolut dahinter stehen. Wir brauchen Menschen, die zur Elite gehören, aber demütig genug sind, ihre Macht nicht auszuspielen, sondern sich für das Gesamtwohl einzusetzen.