EBL holt AKW-Frage ins Baselbiet – und die Menschen strömen ins Elefantehuus

Die Nationalräte Eric Nussbaumer und Christian Wasserfallen liefern sich in Liestal ein heisses Streitgespräch. Doch warum thematisiert die EBL ausgerechnet die Kernkraft?

Eric Nussbaumer und Christian Wasserfallen beim EBL-Streitgespräch
Volles Haus und Promi-Podium: Eric Nussbaumer, Moderator Georg Halter (SRF), Christian Wasserfallen. (Bild: Jan Amsler)

Kernenergie – ist das wieder eine Option für die Schweizer Energieversorgung?

Diese Frage ist im Baselbiet besonders delikat. Seit rund 45 Jahren verpflichten Gesetz und Verfassung die Behörden, «darauf hinzuwirken», dass auf Kantonsgebiet und in der Nachbarschaft keine Atomkraftwerke gebaut werden. Der Widerstand gegen das geplante und letztlich verworfene Kraftwerk im aargauischen Kaiseraugst in den 70er-Jahren hat eine ganze Generation geprägt.

Das hält die Genossenschaft Elektra Baselland (EBL) aber nicht davon ab, die AKW-Frage ins Baselbiet zu holen. «Nuklearenergie in der Schweiz – wo geht die Reise hin?» Unter diesem Titel lud das Energieunternehmen am Dienstag zur Veranstaltungsreihe «Power Talk» ins Elefantehuus nach Liestal.

180 Menschen kommen ins his­to­ri­sche Ma­schi­nen­hau­s – die Plätze sind restlos besetzt. 40 weitere Personen stehen auf der Warteliste und gehen leer aus.

CEO Andrist: «Legitimer Prozess»

Aber warum will die EBL ausgerechnet die Kernkraft diskutieren? CEO Tobias Andrist erklärt dies auf Anfrage von OnlineReports so: «Es ist ein legitimer Prozess, Entscheide zu überdenken, schlauer zu werden, Meinungen anzupassen oder alte Meinungen zu bestärken.»

Die Bevölkerung wird vermutlich darüber entscheiden müssen, ob das Verbot neuer AKW, das seit 2017 in der Schweiz gilt, gekippt werden soll. Der Bundesrat ist dafür. Mit seinem Gegenvorschlag zur sogenannten Blackout-Initiative will er die Kernenergie als Option für die künftige Schweizer Energieversorgung offenhalten. Die Vorlage gelangt nun in die eidgenössischen Räte.

Die EBL will also einen Beitrag zur Debatte leisten. Andrist selbst zeigt sich «technisch neugierig» und wirkt offen gegenüber der nuklearen Energie. Aber sein Unternehmen setze seit Jahrzehnten auf die Erneuerbaren. Ohnehin glaube er nicht, dass neue Kernkraftwerke eine reelle Chance haben – ob das Verbot nun aufgehoben wird oder nicht. Obwohl eine konstante Versorgung und die Winterlücke durchaus herausfordernde Aufgaben seien. Die Situation spitzt sich zu, wenn die heutigen Kernkraftwerke vom Netz gehen.

Nussbaumers Warnung

Der Baselbieter SP-Nationalrat Eric Nussbaumer ist wenig erfreut darüber, dass die EBL ausgerechnet die nukleare Energie zum Thema macht. An einem Mediengespräch im Vorfeld des eigentlichen Anlasses sagt er: «Meine Hoffnung ist schon, dass die EBL nicht einen anderen Kurs fährt als die Kantonsverfassung. Ich wäre irritiert, wenn sie die Atomkraft pushen würde.» Es hört sich beinahe wie eine Warnung an.

Trotz der Vorbehalte zeigt sich Nussbaumer beim anschliessenden Podiumsgespräch durchaus diskussionsfreudig. Es entsteht ein heisses Streitgespräch mit dem Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen, moderiert von SRF-Bundeshauskorrespondent Georg Halter. Die beiden geben sich aufs Dach, ohne den guten Ton zu verlieren. Das Publikum ist gut unterhalten. Viele bleiben zum Apéro und diskutieren das Thema weiter. Keine Frage: Die EBL hat mit dem Anlass ihre Ziele erreicht.

Nussbaumers Position lautet folgendermassen: Der Bund hat erst 2017 eine Energiestrategie 2050 verabschiedet, die auf Erneuerbare setzt. Sich jetzt auf eine Atomstrom-Diskussion einzulassen, ohne dass neue Kraftwerke in nützlicher Frist realistisch sind, bremse die Energiewende: «Das gäbe nur strategische Unruhe, Unklarheiten, Blockaden.» Stattdessen sollen die Rahmenbedingungen für die Erneuerbaren verbessert werden.

Wasserfallen hingegen ist der Ansicht, dass das Schweizer Energiesystem weiterhin «auf verschiedene Säulen» setzen soll: Wasserkraft, Kernkraft, Solarkraft, gute Netze, Speichermöglichkeiten. «Das gibt einen Mix und Versorgungssicherheit.» Alle Energieformen hätten ihre Vor- und Nachteile. Würde das AKW-Verbot aufgehoben, würde sich eine Denkblockade lösen. «Umso weniger Einschränkungen wir haben, desto mehr Möglichkeiten bestehen, um Lösungen zu finden.»

1363 Windturbinen für ein AKW

Uneinig sind sich aber nicht nur die Politiker, sondern auch die beiden eingeladenen Experten. ETH-Professorin Annalisa Manera steht der Kernkraft positiv gegenüber. In ihrem Einführungsreferat erklärt sie die technische Entwicklung. Heute sei ungleich mehr Sicherheit gewährleistet, die modernen Systeme brauchten auch bei einem schweren Unfall keine menschliche Intervention mehr. Über den ganzen Lebenszyklus betrachtet, sei Kernkraft hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, Landbedarf, Klimabelastung und Abfall attraktiv, sagt sie. Um das AKW Olkiluoto in Finnland (12 TWh / Jahr) zu ersetzen, brauche es 1363 Windturbinen. Die Expertin zeigt Verständnis für die Ängste, setzt aber in Relation: Wenn man vier Liter des Fukushima-Abwassers trinkt, nimmt man die gleiche Strahlendosis auf wie beim Verzehr einer Banane.

Annalisa Manera
Annalisa Manera erklärt den Stand der Technik. (Bild: Marc Gilgen)

Wenn Manera aufzeigt, dass der Trend weltweit hin zu neuen, klimafreundlichen AKW weist und Länder ihre Anti-AKW-Position überdenken, dann ist das zwar eine Fakten-Aussage. Sie hat aber dennoch eine politische Komponente, zumal sie die Schweiz als Ausreisserin darstellt.

Noch mehr Politik ist in den Aussagen von Walter Sachs zu vernehmen. Der Ingenieur ist Präsident der Schweizerischen Vereinigung für Sonnenenergie. Er plädiert für «Ausbau, Effizienz, Suffizienz» – Letzteres kann nur gesellschaftspolitisch verstanden werden.

Doch am Ende ist die Frage, ob die Schweiz doch wieder auf nukleare Energie setzen soll, ohnehin eine rein politische. Der Bundesrat darf auf die Unterstützung von SVP, FDP, EDU sowie Wirtschaftsvertretern setzen. SP, Mitte, Grüne, GLP und EVP sowie Umweltorganisationen und die Mehrheit der Kantone lehnen die Vorlage ab.

Debatte zur Energiepolitik

Kommentare

Viktor Krummenacher
20. August 2025 um 20:04

Was bitte ist daran attraktiv ?

Mich erstaunt die Aussage der ETH-Professorin doch sehr, dass AKW's attraktiv seien. Ist es attraktiv über hunderttausende von Jahren hochradioaktiven Abfall hüten zu müssen, der in einer Lebensdauer von nicht einmal hundert Jahren anfällt? Die Menschheit hat den kommenden X-Generationen noch nie einen derartig lebensfeindliche Abfall hinterlassen. Beantworten wir doch mal die Frage aus der Sicht unsere Enkel, Urenkel und Urururururururururur...enkel!