200 Wohnungen waren geplant – nun ist das Grossprojekt sistiert

Anstelle des Behindertenheims wollten die Gemeinde Münchenstein und die CMS eine Siedlung realisieren. Die Hälfte des Areals liegt aber in einer Grundwasserschutzzone – mit Bauverbot.

Dychrain Münchenstein
Zwei Drittel des Areals Dychrain West liegen in der neuen Grundwasserschutzzone. (Bild: Christof Wamister)

Vom Grundwasser ist viel die Rede. Die wenigsten wissen aber, worum es sich dabei eigentlich handelt: unterirdisch fliessende Wasserströme auf einer geologisch festen Unterlage, die dem Menschen zur Trinkwassergewinnung dienen. 80 Prozent der öffentlichen Wasserversorgung in der Schweiz stammen aus dem Grundwasser.

Sichtbar ist das Grundwasser nicht, man ahnt es nur dort, wo Pumpstationen stehen. Etwa in der zu Münchenstein gehörenden Brüglinger Ebene entlang der Grossen Allee. Es sind architektonisch ansprechend gestaltete Bauten mit einer «Tarnung» durch Grünbewuchs.

Trinkwassergewinnung im Vorrang

Wo Trinkwasser gewonnen wird, ist eine Grundwasserschutzzone verfügt. Diese erstreckt sich schon jetzt über die südliche Hälfte des ehemaligen Grün-80-Areals und oberhalb der Geländekante am St. Alban-Teich über das Areal des Gymnasiums Münchenstein hinaus. Im Park beim Gymnasium befinden sich auch noch zwei unterirdische Pumpwerke.

Daniel Altermatt ist im Münchensteiner Gemeinderat zuständig für die Raumplanung. Auf Anfrage von OnlineReports erklärt er, die auf dem Kartenwerk des Kantons dokumentierte Fläche zeige die rechtskräftige Schutzzone mit ihren Pumpwerken nach altem Recht. Die Ausgestaltung der Schutzzonen nach neuem Recht sei in Arbeit. Dies bringe eine Ausweitung nach Süden und Westen mit zusätzlichen Auflagen mit sich.

Letztere stützen sich auf die Studie eines Ingenieurbüros von 2021, in der die Grundwasserströme analysiert wurden. Gemäss den Resultaten wird das Trinkwasser auf der Brüglingerebne gewonnen; die Pumpstationen beim Gymnasium und der Villa Ehinger werden geschlossen. Das ist aber noch nicht rechtskräftig.

Pumpwerk in Münchenstein
Bestehende Pumpwerke müssen stillgelegt werden. (Bild: Christof Wamister)

In dieser neuen Grundwasserschutzzone (S2 mit Bauverbot), in der bis 2021 immerhin noch ein Erweiterungsbau des Gymnasiums erstellt wurde, liegen zwei Drittel des Areals Dychrain West. «Nur gut zwei Meter über dem Grundwasserspiegel», betont Daniel Altermatt.

Hier wollten die Gemeinde und die Landeigentümerin Christoph Merian Stiftung (CMS) eine weitere Wohnsiedlung mit rund 200 Wohnungen realisieren. Der Entwurf des Quartierplans liegt vor, der Beschluss noch nicht.

Nach altem Recht wäre die Überbauung möglich gewesen, sagt Altermatt. Die markanten Wohnblöcke Dychrain Ost, die an Stelle der alten Biskuitfabrik entstanden, sind hingegen bereits bezogen.

Bauverbot?

Damit droht ein Bauverbot für mehr als die Hälfte des Areals Dychrain West. Weshalb hat man das nicht früher bemerkt?

Das neue Gewässerschutzgesetz datiert von 1992, die Verordnung von 1998. Anpassungen zu den Grundwasserschutzonen in der Verordnung wurden noch 2016 vorgenommen, aber diese betrafen nur die Karstgebiete, wie das Bundesamt für Umwelt auf Anfrage bestätigt. 

Altermatt räumt ein, das Problem in der Planung vor allem im zeitlichen Ablauf unterschätzt zu haben. Laut Bundesgesetzgebung müssen die Kantone Schutzzonen für die Grundwassergewinnung und Areale für die zukünftige Wassernutzung ausscheiden. Es gelten Bauverbote und es sind Entschädigungen für «Eigentumsbeschränkungen» vorgeschrieben. Altermatt: «Im dichten Siedlungsgebiet wird das zu einem echten Problem und führt auch dazu, dass bestehende Pumpwerke stillgelegt werden», sagt der zuständige Gemeinderat.

Der Kanton ist in die erwähnte Analyse involviert. Die Festlegung in den Plankarten könne aber erst erfolgen, «wenn eine Grundwasserschutzzone festgesetzt ist», sagt Andrea Tschopp, Sprecherin der Baselbieter Bau- und Umweltdirektion. Darüber entscheiden die Gemeinden und liefern dann dem Kanton die Daten, der die Zonenzuteilung bewilligen muss.

Gemeinsame Lösung suchen

Beim Grundeigentümer CMS nimmt man die neue Situation zur Kenntnis. Die Gemeinde Münchenstein plane gemäss ihren Legislaturzielen, eine Grundwasserschutzzone festzuschreiben, und habe deshalb die weitere Planung der Entwicklung des Areals Dychrain sistiert, sagt CMS-Sprecher Carlo Clivio. Der Kanton, die Gemeinde Münchenstein und die CMS wollen nun die konkreten Auswirkungen einer solchen Schutzzone auf die Baupläne analysieren, «um eine gemeinsame Lösung zu finden».

Damit ist das Projekt Dychrain West wohl in weite Ferne gerückt und das Beschäftigungs- und Wohnheim Dychrain (in erster Linie für cerebral gelähmte Menschen) wird seine bauliche Substanz am Ort erhalten und erneuern, wie seinem Jahresbericht zu entnehmen ist. Die Wohnlandschaft am St. Alban-Teich (Dalbedych) hat durch die Überbauung Dychrain Ost schon einen markanten Akzent erhalten. Die Umgebung der von der CMS privat vermieteten Hammerschmiede dämmert indes etwas provisorisch vor sich hin.

Ob man das dreieckige Grundstück mit Obstplantage (vgl. Bild) aus Gründen der Nachhaltigkeit nicht auch frei halten könnte, ist zumindest eine Frage. Die Antwort kommt nun aus dem Untergrund.

Weiterführende Links:

Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung!

Ich unterstütze OnlineReports monatlich für CHF 0.-

Spam-Schutz

Jederzeit kündbar
Quartierplan Dychrain West

Kommentare