Zwischen Fussball-Euphorie und normalisierter Männergewalt

Max Kaufmann, Kolumnist
(Bild: Céline Stöckli)

Momentan packt mich das Fussballfieber, auf und neben dem Platz. Endlich treffen wir uns mit Freunden wieder regelmässig zum Fussballspielen, wo schönerweise der Plausch im Vordergrund steht. Nicht Druck und Verbissenheit wie früher auf Juniorenstufe, weshalb ich als Teenager aufhörte, ins Training zu gehen.

Dazu kommt die spannende Meisterschaft mit dem FC Basel in aussichtsreicher Position vor dem Saisonfinale. Aktuell schaue ich die Spiele wenn immer möglich zu Hause auf dem Sofa, mit Freund*innen in einer Bar oder ab und zu im Stadion. So ging es auch am Ostermontag nach einer Runde Fussball auf dem Landhof direkt ins Joggeli, um das lange Wochenende beim 5:0-Sieg gegen Yverdon fröhlich ausklingen zu lassen. Alles wunderbar so weit.

Bei diesem Besuch vor einer Woche ist mir aber auch eingefahren, wie Fussballstadien von Männern dominiert werden, und wie sehr dieses Verhalten normalisiert ist: Raum einnehmen, Sprüche auf der Tribüne und am Pissoir, auspfeifen, rumbrüllen. Sich hauptsächlich unter Männern und im «eigenen» Stadion zu befinden, reicht aus für die völlige Enthemmung. Alkohol und andere Substanzen verstärken diese zusätzlich.

Die Folge eines so männerdominierten Raums ist, dass manche Männer Aggression und Gewalt freien Lauf lassen.

Viele Begegnungen mit anderen Fans vor dem Stadion oder rund um unsere Plätze waren fröhlich und freundlich. Es gab schliesslich auch einen Sieg zu feiern. Die Folge eines so männerdominierten Raums ist jedoch auch, dass manche Männer Aggression und Gewalt freien Lauf lassen. Während im Stadion eifrig über Sinn oder Unsinn von Sektorensperrungen diskutiert wurde – die Muttenzerkurve war nach Schlägereien beim letzten Spiel in Zürich teilweise gesperrt – spielte sich nebenan unbeachtet die scheinbar ganz normale, von Männern ausgeübte Gewalt ab.

An diesem Nachmittag begegneten wir gleich zwei verschiedenen Situationen, einmal im Stadion und einmal im Tram auf dem Heimweg, in denen ein Mann gegenüber einer anderen Person Gewalt ausübte oder androhte. Gerade die zweite Situation, in der sich ein Stadionbesucher im Tram gegenüber einer Frau, mit der er am Match gewesen war, derart aggressiv aufführte, dass Dritte einschreiten mussten, erinnerte mit Schrecken an die Auswirkungen, die Fussballspiele haben. Seit Jahren zeigen Studien, vor allem aus Grossbritannien, dass die Fälle häuslicher, geschlechtsspezifischer Gewalt nach Fussballspielen ansteigen.

Es überrascht mich nicht, wenn Menschen keine Fussballspiele (mehr) besuchen.

Offensichtlich ist das kein rein britisches Problem. Sondern eines, das in allen Räumen entsteht, in denen enthemmte Männer die eigenen Grenzen nicht mehr spüren und die von anderen Personen nicht mehr beachten. Es überrascht mich deshalb nicht, wenn Menschen keine Fussballspiele (mehr) besuchen. Nicht aus Abneigung gegen den Fussball, sondern weil sie sich in einem Stadion voller Männer nicht wohlfühlen.

Diese eigentlich wenig überraschende Einsicht beim Stadionbesuch und vor allem, dass diese Thematik auf allen Ebenen viel zu wenig angegangen wird, trübt für mich jegliches Fussballfieber.

Selbst wenn Ende Mai der erste Meistertitel seit einer Ewigkeit winken sollte.

Weiterführende Links:

Kolumne: «Aus meiner Bubble»

Kommentare

Ueli Keller
Bildungs- und Lebensraumkünstler

Fussball ist Teil der Zuvielisation

Fussball ist ein Teil der «zuvielisierten» Welt, die von Gier, Herrsch- und Vergnügungssucht sowie von Zerstörungswut geprägt ist. In dieser Welt geht es – ob gut oder böse – um Gewinnen oder Verlieren; kann sein, gar um Leben oder Tod.

Steffi Luethi-Brüderlin
29. April 2025 um 07:35

Geht mir ähnlich

Ich spiele seit über 60 Jahren Fussball in diversen Basler Fussballclubs, bescheidenes Amateurniveau. Aber es ist, neben Handball und Curling, meine Hauptsportart. Ich war auch jahrelang FCB-Jahreskartenbesitzer. Aber die latente Männergewalt, auch schon nur verbal, hat mich seit eh und je gestört. Sie ist ein Abbild einer nach wie vor patriarchalen Welt, die zwar durch direktdemokratische Entscheide gezwungen wird, gewisse Privilegien abzugeben. Doch der Weg zu einer umfassenden friedlichen Welt zwischen den Geschlechtern, auch in der Schweiz, auch in Basel, auch beispielsweise auf Sportplätzen, ist noch nicht zu Ende. Da gibt es noch einiges zu tun. Vor allen von uns Männern ...