Generationen-Clash: Was ich an 60. Geburtstagen lernte
Der Kolumnist findet es «ziemlich cool», wie Boomer zu 80er-Hits abgehen. Bei problematischen Aussagen jedoch verbündet sich der «Kindertisch» und widerspricht.
Aktuell erlebe ich einen Herbst der 60. Geburtstage. Soweit ich mich erinnern kann, war ich zuvor noch an keinem. Nun aber wurden gerade mehrere Verwandte und Bekannte 60 Jahre alt. Ich durfte an den Festen mit dabei sein und gelangte vom Kindertisch aus, an dem mittlerweile alle zwischen Spät-Teenager und Mitte 20 sind, zu einigen spannenden Erkenntnissen.
Zum einen das Offensichtliche: Meine Elterngeneration wird langsam alt. Ehrlich, ganz ohne Häme gemeint. Ich finde es eine krasse Vorstellung, dass die ersten unserer Elternteile bald in Pension gehen oder dies teilweise sogar schon sind. Das sagt auch schon einiges über mein Bild der Elterngeneration aus. Als nicht-arbeitende Menschen kann ich sie mir fast nicht vorstellen.
Zum anderen war der Generationen-Clash an diesen Festen programmiert. Wir, die Gen-Z-Vertreter*innen am Kindertisch, verbündeten uns durch gemeinsames Augenrollen über «die Alten». Es ist nicht mehr dasselbe peinlich Berührtsein wie im Teenager-Alter, als es der grösste Horror war, die Eltern tanzen zu sehen. Darüber bin ich hinweg und finde es sogar ziemlich cool – wenn auch ein bisschen witzig –, wie sie bei der Boomer-Disco zu 80er-Hits abgehen.
Wir Jungen sind dann wie so oft in der Rolle, widersprechen zu müssen.
Die Sorge ist heute eher, dass ebendiese Boomer vor dem Tanzen beim Apéro oder zu Tisch problematische Aussagen machen. Wir Jungen sind dann wie so oft in der Rolle, widersprechen zu müssen und den Älteren zu vermitteln, was wir an ihren Aussagen wahlweise sexistisch, rassistisch oder fatphobic finden, wenn wir die Dinge nicht einfach so stehen lassen wollen.
Schönerweise und immerhin, so schien es mir an den Festen, löst das etwas aus. Zahlreiche Leute, mit denen ich sprach, erleben diese Reibungen und Auseinandersetzungen mit jüngeren Menschen auch sonst in ihrem Alltag und waren deshalb ernsthaft daran interessiert, was wir vom Kindertisch zu den Themen zu sagen hatten.
Von unserer Seite her herrschte schliesslich auch nicht nur Generationen-Antipathie: Das Feiern von langen und tiefgehenden Freund*innenschaften war die grosse Gemeinsamkeit an den verschiedenen Geburtstagsfesten. Es berührte mich, zu sehen, dass da Menschen zusammenkommen, die teilweise seit 40 Jahren befreundet sind und früher zusammen in WGs gewohnt haben.
Zwar ultrakitschig, aber trotzdem schön, sich vorzustellen, dass die Leute am Kindertisch, die einem jetzt nahe sind, dieselben sein könnten, mit denen man Jahrzehnte später Geburtstag feiert. Oder wie es jemand treffend ausdrückte: Ich möchte auch, dass ich mit 60 so von Freund*innen gefeiert werde.