Die Karten sind verteilt, jetzt ist Basel am Zug

Das Standortpaket könnte kaum abstrakter sein. Doch am 18. Mai geht es um eine viel einfachere Frage: Wie steht die Basler Bevölkerung zu ihren Grossunternehmen?

Basel, Blick auf die Pfalz und den Rhein, im Hintergrund die Roche-Türme
Malerisches Basel – Blick auf den Rhein, die Münster-Fähre und die Roche-Türme. (Bild: Alessandra Paone)

Ein Blick in die Karten. Dann sagt jemand: «Schlecht gemischt.» Dieser Spruch fällt an jedem Jassturnier. Doch er kommt zu spät. Sind die Karten einmal in der Hand, kann niemand mehr Einspruch erheben. Jetzt wird gespielt.

So verhält es sich auch mit dem Basler Standortpaket. Den ersten Zug macht die Schweiz am 18. Juni 2023, als sie Ja sagt zur OECD-Mindestbesteuerung. International tätige Konzerne, die pro Jahr mehr als 750 Millionen Euro umsetzen, müssen in der Schweiz nun seit 2024 mindestens 15 Prozent Gewinnsteuern bezahlen.

Dann ist die Basler Regierung am Zug. Sie entwirft einen Vorschlag, wie die betroffenen Unternehmen trotz der nun deutlich höheren Steuern bei Laune gehalten werden können und möglichst nicht auf die Idee kommen, wegzuziehen.

Nun ist der Grosse Rat an der Reihe. Er verhandelt den Vorschlag und verabschiedet im Februar 2025 ein Standortpaket, hinter dem am Ende 81 der 98 anwesenden Parlamentsmitglieder stehen.

Jetzt muss sich die vierte Spielerin am Tisch festlegen: Die Stimmbevölkerung des Kantons Basel-Stadt entscheidet am 18. Mai über das Paket. Sie hat aber nur zwei Möglichkeiten: Entweder sagt sie Ja oder Nein. So lauten die Spielregeln.

An diesem Jassturnier hat es auch ein paar Zuschauerinnen und Zuschauer. Nennen wir sie Keller-Sutter, Trump, Schneider-Schneiter und Straumann. Sie unterhalten sich. Trump sagt, bei einer Mindeststeuer sei er ohnehin raus. Schneider-Schneiter will nachziehen: «Wir müssen die Einführung der OECD-Mindeststeuer umgehend rückgängig machen.» (Sonntagszeitung) Keller-Sutter lässt ausrichten: «Der Entscheid war richtig.» Und Straumann kümmert sich wenig – er braucht vor allem mehr Platz für seine neuste Zahntechnik und findet diesen im Baselbiet.

Die Stimmbevölkerung am Tisch hört die Diskussionen und ist verwirrt. Sie tut sich schwer mit dem Entscheid. Vielleicht wäre es tatsächlich besser, die Mindeststeuer würde wieder aufgehoben (Bürgerliche). Und wenn schon, dann müsste das Standortpaket ganz anders ausgestaltet werden (Linksaussen). Doch die Züge sind bereits gespielt und die Voraussetzungen damit gegeben. Der Einwand, die Karten seien «schlecht gemischt», ist ungültig. Ja oder Nein.

Über der Vorstellungskraft

Die Abstimmungsvorlage zum Basler Standortpaket könnte kaum abstrakter sein. Sie betrifft Geldsummen, die das Vorstellungsvermögen von regulär verdienenden Personen übersteigen. Sie regelt in groben Zügen, wie bis zu einer halben Milliarde pro Jahr künftig zurück in die Wirtschaft fliessen soll, ohne dass genau bekannt wäre, welche Förderanträge die Unternehmen stellen werden. Ob das Paket die gewünschte Wirkung erzielt, ja ob die Mindeststeuer überhaupt und in welcher Form längerfristig Bestand hat, ist ungewiss.

Deshalb geht es am Schluss um eine ganz andere, viel einfachere Frage. Nämlich um das Verhältnis der Basler Bevölkerung zu ihren Grossunternehmen, allen voran Roche und Novartis. Ein klares Ja zum Standortpaket signalisiert Wertschätzung und ebnet den Weg für ein weiterhin gegenseitig dienliches Miteinander.

Mit der Zustimmung zum Standortpaket kommt dem Kanton kein Geld abhanden; bei der Mindeststeuer handelt es sich um zusätzliche Einnahmen, die bis anhin nicht geflossen sind. Immerhin 20 Prozent sind für Projekte wie Elternzeit oder Dekarbonisierungsbestrebungen reserviert, von denen viele Arbeitnehmende und die Umwelt direkt profitieren. Und dafür steigt die Chance, dass die bisherigen Steuereinnahmen weiterhin zur Verfügung stehen, weil die Konzerne bleiben.

Umgekehrt schafft ein Nein neue Unsicherheiten. Lockrufe von Falschspieler-Staaten, die die Regeln aushebeln wollen, könnten plötzlich attraktiver werden.

Es geht nicht um Grundsätzliches

Man darf und soll darüber diskutieren, ob sich die Löhne für Managerinnen und Manager noch im Rahmen bewegen, ob die Forschung die richtigen Schwerpunkte setzt, ob die Medikamente zu teuer sind, ob der globale Süden mehr beteiligt werden soll, ob die Konzerne ausreichend für ihre Produkte haften oder ob Basel-Stadt genug für den Klimaschutz tut.

Doch am 18. Mai geht es nicht um solch Grundsätzliches. Es geht bloss um den nächsten Zug. Ja oder Nein.

Dann gehts in die nächste Runde. Und die Karten werden neu gemischt.

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