«Klar gab es Kämpfe und sogar Bisswunden»

Zukunftstag bei OnlineReports: Neva Dürrenberger interviewt Kurator Adrian Baumeyer. Er ist unter anderem für die Gorillas zuständig.

Neva Dürrenberger und Adrian Baumeyer
Neva Dürrenberger und Adrian Baumeyer vor dem Affenhaus im Zolli Basel. (© Foto: Jan Amsler)

Herr Baumeyer, wieso nennt man ein ausgewachsenes Gorilla-Männchen «Silberrücken»?

Ein Gorilla-Männchen bekommt ab etwa zehn oder zwölf Jahren auf dem Rücken und auf den Oberschenkeln weisse Haare, daher kommt der Name Silberrücken. Daran sieht man, dass ein Tier auch sozial reif ist. Davor, wenn sie geschlechtsreif sind, nennt man sie Schwarzrücken.

Ein Weibchen kann also kein Silberrücken werden?

Nicht wirklich. Weibchen bekommen im Alter zwar auch weisse Haare, aber nicht so ausgeprägt und auffällig wie Männchen. Bei den Gorillas sehen Männchen und Weibchen nicht gleich aus. Die Weibchen haben ein ganz schwarzes Fell und sind kleiner und leichter. Männchen haben einen grösseren Kopf und – im Unterschied zu den Weibchen – eine nackte Brust. Sie nutzen diese zum Trommeln. Ein Gorilla trommelt aber nicht mit der Faust, wie das im King-Kong-Film dargestellt wird, sondern mit der hohlen Hand. Dadurch tönt das relativ laut.

Nach dem Tod von M'Tongé brauchte die Gorilla-Gruppe im Basler Zolli einen neuen Anführer. Sie holten Yeba. Warum konnte nicht das Männchen Mobali aus der Gruppe zum neuen Silberrücken werden?

Das hat mehrere Gründe. Mobali ist der Sohn von Joas und kann nicht der Anführer seiner Mutter sein. Ausserdem ist er kastriert. Dadurch kann er sich nicht behaupten und bekommt auch keinen weissen Rücken. Er würde nicht akzeptiert. Er kann gar nicht wirklich männlich sein.

Yeba, Silberrücken im Zoo Basel
Seit 17. Oktober im Zolli Basel: Yeba. (© Foto: Zoo Basel)
Yeba, Silberrücken Zoo Basel
Der Silberrücken ist der unangefochtene neue Chef im Gorilla-Gehege. (© Foto: Zoo Basel)
Neva Dürrenberger bereitet das Interview vor.
Neva Dürrenberger bereitet das Interview vor ... (© Foto: Jan Amsler)
Neva Dürrenberger interviewt Adrian Baumeyer
... und befragt schliesslich Kurator Adrian Baumeyer. (© Foto: Jan Amsler)

Kann es nicht zwei Anführer geben?

Gorillas leben in einem Harem, also ein Männchen zusammen mit einer Gruppe von Weibchen. In der Natur ist es so, dass die meisten Männchen, die sich mit der Geschlechtsreife von der Familie lösen müssen, nicht mehr zurechtkommen und sterben. Bei uns überleben sie dank der Kastration, und das Zusammenleben funktioniert gut, wie man sieht (Baumeyer zeigt ins Gehege). Ohne diese Massnahme würden sie wohl versuchen, sich zu töten. Auch Pferde werden kastriert, damit die Hengste weiterhin in einer Gruppe leben können. Diese Tiere leben in der Natur ebenfalls in einem Harem.

Und ohne Anführer geht es nicht?

Nein. Gorilla-Weibchen haben einen relativ schwachen Zusammenhalt. Wenn ein Silberrücken in der Natur stirbt, löst sich die Gruppe auf. Die Weibchen gehen jeweils innerhalb von etwa 24 Stunden ihren eigenen Weg und suchen einen neuen Silberrücken. Auch hier im Zolli haben wir gemerkt, dass die Gruppe nervös wurde und drohte, auseinanderzufallen. Die Tiere waren auch viel aggressiver.

Hat sich Yeba als Chef bereits behaupten können?

Ja, das war eigentlich von der ersten Minute an klar. Trotzdem muss man mit Fingerspitzengefühl vorgehen. Man kann das neue Männchen nicht einfach in die Gruppe setzen. Das würde Tote geben.

Was, wenn die anderen ihn nicht akzeptiert hätten?

Das ist eine gute Frage. In der Natur lesen die Weibchen ihren Silberrücken selbst aus und bestimmen, von wem sie sich dominieren lassen. Hier im Zoo bekommen sie einfach einen vorgesetzt und müssen damit umgehen. Wir haben jedes Weibchen einzeln zu Yeba geführt und ihm so die Möglichkeit gegeben, jedes einzelne zu dominieren. Er konnte jedem Weibchen sagen: Ich bin hier der Chef, und du musst mir folgen. Klar gab es Kämpfe und sogar Bisswunden. Doch es hat gut funktioniert. Danach setzten wir die ganze Gruppe zusammen.

Sind diese Kämpfe gefährlich?

Yeba macht das sehr vorsichtig. Denn in der Natur laufen die Weibchen einfach davon, wenn ein Silberrücken zu aggressiv ist. Und er weiss ja nicht, dass die Weibchen dies hier gar nicht tun können. Es gibt Verletzungen, aber Gorillas sind viel härter im Nehmen als wir Menschen.

Worin unterscheidet sich Yeba vom früheren Silberrücken M’Tongé?

Yeba ist viel kleiner und wiegt etwa 160 Kilogramm – M’Tongé war 200 Kilogramm schwer. Aber das heisst nichts. Yeba ist mutiger und selbstsicherer. Er ist seit Anfang an sehr zutraulich und hat seine neuen Pflegenden sofort akzeptiert. M’Tongé war eher ängstlich und auch mal überfordert.

Adrian Baumeyer
Seit 20 Jahren im Zolli tätig

Adrian Baumeyer ist 45 Jahre alt und stammt ursprünglich aus Freiburg. 2005 kam er als Biologiestudent nach Basel und arbeitet seither im Zolli. Als Kurator ist er seit 2012 tätig. Baumeyer ist nicht nur für das Affenhaus zuständig, sondern unter anderem auch für die Flusspferde, die australischen Tiere, das Antilopenhaus, für die Bisons und die Schneeleoparden. (ned.)

Sie arbeiten im Zoo als Kurator. Was sind Ihre Aufgaben?

Wir Kuratoren sind verantwortlich für die ganze Tierhaltung. Das fängt bei der Frage an, wie die Gehege eingerichtet sein müssen, damit die Tiere hier gut leben können. Als Vorgesetzte der Tierpfleger ist es aber auch unsere Aufgabe, dass die Tiere richtig gefüttert und betreut werden. Zudem sind wir für die Sicherheit zuständig, damit weder den Menschen noch den Tieren etwas zustösst. Auch schauen wir, dass solche Prozesse wie mit dem neuen Silberrücken richtig funktionieren und entscheiden, wenn ein Tier eingeschläfert oder ein neues hinzugeholt werden muss – wie hier bei Yeba.

Was gefällt Ihnen bei Ihrer Arbeit mit den Gorillas am besten?

Gorillas sind so oder so faszinierend, aber am wichtigsten ist für mich, dass ich abends mit gutem Gewissen sagen kann, dass es allen Tieren gut geht.

*Neva Dürrenberger hat diesen Beitrag am 13. November 2025 im Rahmen des Zukunftstags bei OnlineReports umgesetzt. Sie ist 13 Jahre alt, wohnt in Lupsingen und besucht die Klasse 1PX an der Sekundarschule Frenke in Liestal.

Weiterführende Links:

Neuer Silberrücken im Zoo Basel

Kommentare