Nachsitzen mit Imark, Christ, Brenzikofer und Arslan
Gute Beziehungen zu Bundesräten können helfen – aber nicht immer. In der Sondersession lässt Bundesrat Beat Jans die Basler Basta-Politikerin auflaufen.
Der Nationalrat muss einmal im Jahr nachsitzen, weil er einen grossen Pendenzenberg an nicht behandelten Vorstössen vor sich herschiebt und sich mit Vorlagen im Rückstand befindet. Auch mit wichtigen Geschäften wie der zivilstandsunabhängigen Individualbesteuerung.
Der Nationalrat hat einen Kompromiss verabschiedet. Damit könnte möglicherweise auch der Ständerat davon überzeugt werden, dem Wechsel von der Ehepaarbesteuerung zur Individualbesteuerung und somit der Abschaffung der Heiratsstrafe zuzustimmen. Von den Vertreterinnen und Vertretern aus der Nordwestschweiz sind vier mit einem Nein unterlegen: Sandra Sollberger (SVP, Liestal), Thomas de Courten (SVP, Rünenberg), Christian Imark (SVP, Fehren) und Elisabeth Schneider-Schneiter (Mitte, Biel-Benken).
Imark setzt sich mit den Pannenstreifen durch
Der Solothurner SVP-Politiker konnte in der Session aber dennoch einen Erfolg verbuchen: Der Nationalrat teilt Imarks Auffassung, dass der Pannenstreifen auf Schweizer Autobahnen in einem vereinfachten Verfahren umgenutzt werden soll. Er hat einem entsprechenden Postulat mit 127 zu 59 Stimmen zugestimmt.
Dabei erhielt Imark Unterstützung von oberster Stelle: Obwohl Bundesrat Albert Rösti betonte, dass er zuvor nicht mit seinem Parteikollegen darüber gesprochen habe, wie ihm dies die Grünen vorgeworfen hatten. Auch Imark liess die Kritik nicht gelten und wies in der Debatte darauf hin, das Anliegen schon 2017 eingebracht zu haben – zu einem Zeitpunkt, als Bundesrätin Doris Leuthard noch für den Verkehr zuständig war. 2019 stimmte der Nationalrat dann der Motion zu, obwohl sich Bundesrätin Simonetta Sommaruga dagegen ausgesprochen hatte. Der Ständerat habe sein Anliegen aber sechs Jahre lang verschleppt und danach «ohne Diskussion und ohne Gegenvorschlag versenkt», reklamierte Imark.
Jetzt habe er das Anliegen als Postulat eingereicht, damit der Nationalrat den Bundesrat direkt beauftragen könne, Vorschläge auszuarbeiten. Und damit der Ständerat nicht länger in seinem «Müssiggang» gestört werde und sich auch nicht wie damals mit einer «zweitklassigen Forderung» beschäftigen müsse – angenommene Postulate müssen nicht in den Zweitrat.
Imark betonte, nichts Unanständiges zu verlangen. Er wolle nur dafür sorgen, dass chronische Engpässe auf Schweizer Autobahnen «effizienter und schneller» beseitigt werden. Damit überzeugte er mit Röstis Segen eine deutliche Mehrheit von der SVP bis zu den Grünliberalen.
Christ engagiert sich für grosszügige Kita-Finanzierung
«Eltern sollen selbstbestimmt entscheiden können, wie sie Beruf und Familie vereinbaren»: So formulierte es Katja Christ (GLP, Riehen) in der Debatte um die Kita-Finanzierung. Es dürfe nicht sein, dass sich Arbeit nicht lohnt, weil die Betreuungskosten zu hoch sind. Die Grünliberalen und die Mitte sorgten im Nationalrat dafür, dass sich die Grosse Kammer für eine finanziell grosszügigere Bundesunterstützung aussprach.
Mit maximal 200 Millionen Franken während vier Jahren sollen die Kantone einen Anreiz erhalten, in die frühe Förderung zu investieren, Angebotslücken zu schliessen und Betreuungsplätze für Kinder zu schaffen. «Die finanzielle Belastung für die Kinderbetreuung ist mit durchschnittlich einem Viertel des Familieneinkommens viel zu hoch», argumentierte Christ. Damit sollen vor allem Frauen besser in den Arbeitsmarkt integriert werden. Arbeit für Zweitverdienende soll sich lohnen. Ob der Ständerat dem Nationalrat folgen wird? Eher nicht.
Brenzikofer schreibt die gewaltfreie Erziehung ins ZGB
Für hitzige Diskussionen sorgte in der Sondersession auch die gewaltfreie Erziehung, die im Zivilgesetzbuch verankert werden soll. Dagegen wehrten sich die 56 SVP-Ratsmitglieder. Vergeblich. Komissionssprecherin Florence Brenzikofer (Grüne, Oltingen) wies darauf hin, dass noch immer viele Kinder Gewalt in der Familie erfahren. «Der Handlungsbedarf ist gross und akut.» Das zeige die Kinderschutzstatistik der Spitäler und die Bilanz der Beratungsstellen für Kinder und Jugendliche.
Es brauche diese Korrekturen im Zivilgesetzbuch, meinte auch Patricia von Falkenstein (LDP, Basel). «Die Idylle von Erziehung und Begleitung ins Leben durch erwachsene Bezugspersonen, wie wir sie aus den wunderbaren Bildern von Albert Anker kennen, erleben leider nicht alle Kinder.» Und Bundesrat Beat Jans hielt fest: «In Zukunft sollen keine Zweifel mehr bestehen, dass auch in der Schweiz der Grundsatz der gewaltfreien Erziehung von Gesetzes wegen gilt.»
Arslan zwei Mal in der Minderheit
Nationalrätin Sibel Arslan (Grüne, Basel) musste in der Sondersession gleich zwei Mal eine Niederlage einstecken. In der einen Debatte ging es um die Motion des freisinnigen Ausserrhodener Ständerats Andrea Caroni, der den Bundesrat beauftragen will, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) an seine Kernaufgabe zu erinnern und den Mitgliedstaaten den Ermessensspielraum zu lassen, den sie haben – auch dann, wenn Klima-Seniorinnen dies anders sehen.
Arslan argumentierte als Sprecherin der Komissionsminderheit vergeblich, dass der EGMR die Pflicht habe einzuschreiten, wenn die nationalen Gerichte wie im Falle der Klima-Seniorinnen eine Klage formell abweisen, ohne darauf einzugehen. «Der EGMR schützt nämlich Menschenrechte dort, wo nationale Mechanismen versagen, und er tut dies gerade im Namen von Minderheiten, Schutzbedürftigen oder Menschen ohne politische Lobby.»
Doch Jans unterstützte den Motionär, der gemeinsam mit anderen Staaten ein entsprechendes Protokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention aushandeln möchte. Dies sei «der rechtsstaatlich korrekte Weg, um der kritischen Würdigung des Urteils Rechnung zu tragen», entgegnete der Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements der Minderheit um Arslan. Der Bundesrat sei zudem der Ansicht, dass die Schweiz die Forderung der Klima-Seniorinnen bereits erfülle.
Keine Chance hatte Arslan auch mit dem Vorstoss, der die Krankenkassenprämien im Landesindex der Konsumentenpreise abgebildet haben will. Die Baslerin hatte ein Modell verlangt, das die Verwaltungskosten und die Reserven der Krankenkassen bei der Berechnung der Teuerung berücksichtigt. Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider wollte davon nichts wissen. Der Landesindex stütze sich auf eine international anerkannte Berechnung. Das Verdikt: Nein mit 127 zu 66 Stimmen.
Die Rubrik BundeshausReports beleuchtet Themen der Bundespolitik aus Nordwestschweizer Perspektive. Sie erscheint unregelmässig alle paar Wochen. Hier finden Sie die bisherigen Beiträge.
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