UKW-Ausstieg: Die SRG zahlt die Zeche für den Entscheid des Bundesrats
Die Radiohörerinnen und -hörer laufen der SRG in Scharen davon. Doch das Medienunternehmen setzt aus Spargründen nur etwas früher um, was den Privaten noch bevorsteht.
So richtig überrascht hat eigentlich nur das Ausmass. Weil die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) am 31. Dezember 2024 die UKW-Frequenzen all ihrer Radios abgeschaltet hat, soll das Unternehmen im Januar 2025 rund ein Viertel ihrer Hörerinnen und Hörer – zirka eine halbe Million – verloren haben. Zu diesem Ergebnis kommt das unabhängige Unternehmen Mediapulse, das die Hörerzahlen misst. Die Privatradios haben hingegen auf Kosten der SRG-Sender zugelegt.
Zwar sind diese Zahlen hochgradig provisorisch. Konsolidierte Resultate dürften wohl erst nach mehreren Monaten vorliegen. Tatsache aber ist: Die SRG bekommt zurzeit für ihren Ausstieg aus der UKW-Technologie so richtig eins auf den Deckel. Ein Teil der Hörerschaft reagiert verdrossen, wechselt zu den Privatradios – und schlägt damit den Sack statt den Esel.
Eine Sparmassnahme
Es war nämlich der Bundesrat, der entschieden hat, Ende 2026 die UKW-Sender in der Schweiz abzustellen und voll auf DAB+ zu setzen. Die SRG hat somit lediglich den Ausstieg vorgezogen. Und sie hatte dafür ihre Gründe: Wegen fehlender Werbeeinnahmen und weil der Bundesrat beschlossen hat, die Serafe-Gebühren für private Haushalte schrittweise auf 300 Franken zu senken sowie 80 Prozent der mehrwertsteuerpflichtigen Unternehmen von Gebühren zu befreien, wird die SRG im Stichjahr 2029 noch einen Abgabenanteil von rund 1,2 Milliarden Franken erhalten. Insgesamt muss die SRG 270 Millionen Franken sparen.
Das Medienunternehmen steht damit unter erheblichem Druck. Eine Sparmassnahme war demnach, die UKW-Frequenzen vorzeitig abzuschalten. Wenn Radiopionier Roger Schawinski unter diesen Umständen von einem kapitalen Eigentor der SRG spricht, die als Service-public-Anbieter ihre Vorbildfunktion nicht wahrgenommen habe, dann blendet er möglicherweise einiges aus.
Privatradios zurückhaltend
Spätestens Ende 2026 nämlich sehen sich die privaten Radios in der gleichen Situation. So erstaunt es dann auch nicht, dass man etwa bei Radio Basilisk keineswegs mit Häme auf das Schicksal der SRG reagiert, auch wenn die Basilisk-Hörerzahlen vielleicht gestiegen sind.
Basilisk-Programmleiter Benjamin Bruni gibt sich jedenfalls – anders als Schawinski – sehr zurückhaltend: «Die angesprochenen Zahlen sind noch nicht aussagekräftig. Erst im Juli, wenn die Ergebnisse für das erste Semester 2025 veröffentlicht werden, können Aussagen über mögliche Zusammenhänge gemacht werden», sagt er auf Anfrage von OnlineReports. Immerhin kündigt er an, «dass wir bei Radio Basilisk unser Programm bis 2026 über UKW ausstrahlen».
UKW-Treue
Das wirft zumindest die Frage auf, ob man allenfalls doch bei der SRG einerseits und beim Bund anderseits die «UKW-Treue» oder vielleicht auch nur die Gewohnheiten der Radiohörerschaft etwas unterschätzt hat. Bei der SRG versucht man derzeit, den Ball flach zu halten und nicht in Panik auszubrechen.
Marco Derighetti, als Direktor Operationen zuständig für die UKW-Angelegenheiten, spricht in den Tamedia-Zeitungen von einem «Winterreifen-Effekt». Man denke eben erst an die Umstellung, wenn es notwendig wird – «ähnlich wie bei den Winterreifen, die man erst bei Schnee aufzieht». Im Übrigen bestreitet Derighetti den von Roger Schawinski beschworenen Shitstorm.
Auch auf offizieller Seite wehrt man sich gegen den Vorwurf, die Situation unterschätzt zu haben. Caroline Sauser, Mediensprecherin beim Bundesamt für Kommunikation (Bakom), erklärt auf Anfrage: «Die Nutzungsdaten wurden seit 2015 zweimal jährlich erhoben und zeigen über diese Zeit eine deutliche Abnahme der UKW-Hörer auf. Heute nutzen weniger als zehn Prozent der Bevölkerung Radio ausschliesslich über UKW.»
Das mag wohl zutreffen, schliesst aber nicht aus, dass der UKW-Nutzeranteil etwa in den Autos noch wesentlich höher lag, beziehungsweise liegt. Durchaus möglich, dass der Hauptfrust auf das Rauschen in den Auto-Empfängern zurückzuführen ist. Und so mancher Automobilist und manche Automobilistin bekommt wegen Lieferschwierigkeiten in seiner Hausgarage auf die Schnelle auch kein DAB-Gerät montiert. Dabei ist von den Kosten noch gar nicht die Rede.
Erst der Anfang?
Spricht man mit SRG-Kennern, so können diese in der Regel den Ärger der Hörerinnen und Hörer nach der Abschaltung durchaus verstehen. Sie geben aber zu bedenken, dass diese Massnahme möglicherweise weit weniger schmerzt als das, was noch kommen wird.
Tatsächlich gab SRF inzwischen bekannt, dass die Fernsehsendungen «G&G – Gesichter und Geschichten», «SRF bi de Lüt – Live» sowie die Produktion der «Swiss Comedy Awards» aus Spargründen eingestellt werden. Bei Radio SRF verzichtet man auf das Wirtschaftsmagazin «Trend» sowie auf das «Wissenschaftsmagazin».
Die frei werdenden Ressourcen sollen ins wirtschaftliche und wissenschaftliche Tagesprogramm integriert werden. Andere Formate werden umgestaltet und/oder verschlankt. Damit streicht das Medienhaus bis Anfang des kommenden Jahres 50 Vollzeitstellen und will auf Ende 2026 acht Millionen Franken einsparen.
Im Umfeld der SRG befürchtet man, dass die Gebührenkürzung der Anfang vom Ende des Unternehmens in der bisherigen Form sein könnte. Ein Szenario, das etwa bei Annahme der Halbierungsinitiative alles andere als unrealistisch wäre.
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