Für treue Kunden rückt er auch am Sonntag aus

Mit seinem nostalgisch wirkenden Fachgeschäft für Blas- und Schlaginstrumente in Pratteln trotzt Beat Hirschi der harten Konkurrenz von Grossunternehmen und Online-Anbietern.

Instrumentenbauer Beat Hirschi bei seiner Arbeit in seinem Geschäft Colombo Hirschi in Pratteln.
«Im Flow»: Beat Hirschi. (Bild: Peter Knechtli)

Sein Laden liegt an einem peripheren Standort, nicht unbedingt Laufkundschaft-optimiert: an der Ecke Hardstrasse/Hardmattstrasse, ziemlich genau in der Mitte zwischen dem Sitz der Wirtschaftskammer und dem Wellness-Center Aquabasilea.

Im Erdgeschoss der Wohn-Liegenschaft, wo sich vor vielen Jahren ein Coop-Lädeli befand, dürften Vorbeifahrende kaum einen Gewerbebetrieb vermuten, der im wahrsten Sinn des Wortes mit Pauken und Trompeten von sich reden macht.

Angejahrte Arbeitsräume

Alleiniger Inhaber der Colombo Hirschi AG ist Beat Hirschi (59). Er ist mit den vier Geschäftsräumen, denen das Alter anzusehen ist, seit 34 Jahren vertraut: Verkaufsraum, Werkstatt, Waschraum, Polierraum. Zur Auffrischung der Wände greift er gelegentlich selbst zum Pinsel.

Auf Laufkundschaft ist Hirschi allerdings nicht angewiesen, er lebt von seinem Renommee. Wer – weit über Pratteln hinaus – ein Blasinstrument oder Schlagzeug spielt, weiss, dass hier ein Instrumenten-Doktor bei Kauf oder Reparatur professionell zur Stelle ist.

Beat Hirschi beherrscht sein Metier. Die Grundkenntnisse eignete er sich bei seinem Lehrmeister Christoph Gurtner an: Während dreieinhalb Jahren absolvierte er die vom damals bekannten Berner Unternehmen Musik Burri gegründete Instrumentenmacher-Schule in Zimmerwald. Die Ausbildung war spezialisiert auf Holz- und Blechblasinstrumente.

Später zog es Hirschi nach Paris in ein Atelier, dessen Inventar zwar «nicht bestens eingerichtet» war. «Aber dort lernte ich, handwerklich zu improvisieren.»

Verkauf, Reparatur, Zubehör

Einnahmen generiert sein Prattler Geschäft hauptsächlich aus zwei Bereichen. Zum einen ist es der Verkauf von Instrumenten wie Klarinette, Saxophon, Trompeten, Hörner jeder Art, Posaune und Tuba. Zum anderen sind es Serviceleistungen und Reparaturen.

Dazu bietet er auch Fahrgestelle für Fasnachts-Perkussionisten, Schlagzeug-Becken und -Schlägel und Zubehör wie Mundstücke, Blättchen, Schalldämpfer, Pflegematerial und Ventilöl an, das dicht gedrängt bis an die Decke seinen Platz findet.

Verkaufsraum
Im Verkaufsraum. (Bild: Peter Knechtli)

Für unser Gespräch ziehen wir uns in Beat Hirschis Werkstatt zurück, die sich in einem Nebenraum befindet. Immer wieder klingelt das Telefon oder schellt die Eingangstüre. Es geht zu wie im Bienenhaus.

Kritischer Blick auf zerbeulte Trompete

Da taucht gerade ein besorgter junger Mann in Shorts und Flip-Flops auf und bringt eine arg zerbeulte Trompete («sie ist mir heruntergefallen»), die an fast jedem Teilstück lädiert ist, zur Diagnose. Mit kritischem Blick schaut der Profi auf den ramponierten Messing-Patienten und meint: «Ich muss erst schauen, ob sich eine Reparatur noch lohnt. Vielleicht kaufen Sie für 500 Franken dann lieber ein neues Instrument.»

Hirschis Grundsatz lautet, «von der Guggenmusik bis zum Profi alle gleich und fair zu behandeln». Gerade den Fasnachtskunden stellt Hirschi ein unerwartet gutes Zeugnis aus: Sie nähmen es in Bezug auf den Service «vorbildlich». Denn wer will schon den Höhepunkt des Guggen-Kalenders wegen klemmender Ventile oder undichter Klappen verpassen.

Während den Narren-Tagen kann vorkommen, dass bis 40 Bläser bei Colombo Hirschi noch rasch Hilfe suchen.

Gründer war Mario Colombo

Der Doppelname in der Firmenbezeichnung hat einen historischen Hintergrund. Es war Mario Colombo, der das Geschäft 1984 in Füllinsdorf gründete, bevor er zwei Jahre später den heutigen Standort in Pratteln bezog. Colombo arbeitete ebenfalls bei Burri Musik. Das Berner Fachgeschäft bediente selbst Kundschaft aus dem Baselbiet. Hier sah er Entwicklungs-Potenzial, um der Klientel im Landkanton den weiten Weg in die Bundeshauptstadt zu ersparen.

1991 liess sich Hirschi bei Colombo anstellen, 2012 übernahm er die Aktiengesellschaft. Colombo blieb aber nach seinem altersbedingten Rücktritt Eigentümer der Liegenschaft, in der Hirschis Betrieb eingemietet ist.

Veränderung in der Branche

Über die Jahre hat Beat Hirschi markante Veränderungen in seinem Gewerbe erlebt. So seien «in den letzten 20, 30 Jahren die Erwartungen der Kundschaft punkto Auswahl und Termindruck gestiegen». Das Internet habe ausserdem dazu geführt, «dass die Kunden über Neuheiten und Entwicklungen besser Bescheid wissen».

Auch nahm aufgrund sinkender Mitgliedschaften die Zahl der treuen Musikvereine ab; sie schlossen sich mit Nachbarvereinen zusammen. Gleichzeitig gab es mehr Einzelkunden, zu denen Hirschi eine Art «private Beziehung» pflegt. So bringt ein Saxophon-Lehrer mit 70 Schülern regelmässig Aufträge.

Marktmächtige Online-Konkurrenz

Die stärkste Konkurrenz entwickelte sich durch marktmächtige Online-Anbieter, die neben Instrumenten auch Zubehör feilbieten und die Preise drücken: Ihr alleiniges Interesse ist der Verkauf, um Reparaturen scheren sie sich nicht. Manchmal betreten Leute Hirschis Laden, die um Ankauf oder Reparatur eines Instruments nachfragen, das sie über das Internet oder einen Grossanbieter gekauft haben. Kein Wunder, verdüstert sich dann Hirschis Miene.

So stiess ein Schlagzeuger auf taube Ohren, der sein Fell online zu gross bestellt hatte und nun im Laden einen Tausch auf die korrekte Grösse vorschlug.

Beat Hirschi vor seinem Instrumenten-Geschäft Colombo Hirschi in Pratteln.
Beat Hirschi vor seinem Geschäft. (Bild: Peter Knechtli)

Hirschi hat hier einen klaren Standpunkt, wie er in seinem unverkennbaren Berner Dialekt («gället») offenbart: «Treue Kunden haben einen Service-Bonus. Notfälle bearbeite ich sofort. Dann rücke ich auch noch am Sonntag aus» – Töne, die in durchautomatisierten digitalen Verkaufsbetrieben leider nicht mehr zu hören sind.

Diese Ausrichtung auf Dienstleistung und Kundeninteresse ist es, die Hirschi auch unter veränderten Rahmenbedingungen die Existenz sichert.

Seitenblick auf Google-Bewertungen

Allerdings muss er auch verbal moderat bleiben, wenn er eine Reparatur ablehnt, und dabei auch ein Auge auf den Online-Diskurs werfen: Kritische Google-Bewertungen möchte er verhindern. Das tut er erfolgreich («Danke für die stets rasche, kompetente und fürsorgliche Behandlung»), wie die zahlreichen positiven Einträge zeigen: Der Durchschnitt der 206 Bewertungen liegt bei 4,9 von 5 Sternen.

Doch die Strukturveränderung in der Branche zollt ihren Tribut: Innerhalb von zwanzig Jahren sanken die Margen um ein Drittel. Gleichzeitig arbeitet der Instrumentenbauer in einem Geschäftszweig, in dem seine Kunden das reparierte Instrument schnellstmöglich abholen möchten.

«Wenn ich spüre, dass ich mein Wochenziel nicht erreiche, dann stresst mich das», beschreibt Beat Hirschi einen kritischen Aspekt seines Alleinunternehmertums: Allein an seiner zuverlässigen Präsenz hängen Erfolg und Überlebensfähigkeit – ein Druck, den auch andere Kleingewerbler kennen.

Langfristige Zukunft: «Fragezeichen»

Die Öffnungszeiten diktieren seinen Arbeitsrhythmus, spontan mal das «Geschlossen»-Schild an die Türe zu hängen, kann sich Hirschi nur selten leisten. Für jährlich mehr als drei bis vier Wochen Ferien reicht es nicht – «den Kunden zuliebe». Eine zweite Fachkraft einzustellen, wäre finanziell untragbar.

So fragt sich sein Kundenstamm nicht ohne Sorge, wie es mit den vertrauten Lokalitäten weitergeht. Hirschi weiss von drei Berufskollegen aus der Region, die ihren Laden altershalber und mangels einer Nachfolge aufgegeben haben.

Werkstatt im Instrumenten-Geschäft Colombo Hirschi in Pratteln.
In der Werkstatt. (Bild: Peter Knechtli)

In einem Jahr wird Beat Hirschi, Vater zweier erwachsener Töchter, 60. «Es wäre mein Traum, das Pensum dann zu reduzieren. Aber ob das möglich ist?» Vielleicht gelingt ihm auf seine Pensionierung hin, den Betrieb durch einen Verkauf weiterhin am Leben zu erhalten. «Es wäre ja schön, wenn das Geschäft eine Zukunft hat. Aber da gibt es Fragezeichen.»

Aktiv bei den Silver Birds

Sicher ist nur, dass der frühere Brassband- und Militärtrompeter als Privatmann ausserhalb der Werkstatt auch künftig die Trompete blasen wird: in der Tanz-Formation Silver Birds oder an Kirchen-Anlässen, begleitet von Orgel oder Keyboard.

«Das mache ich mit Herz und Seele», fügt Beat Hirschi hinzu. Genau so, wie ihn seine Kundschaft im Laden an der Hardstrasse erlebt.

Instrumenten-Doktor

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