Der Basler Balanceakt

Es sei wichtig, dass die Politik auch im Umgang mit Novartis und Roche den demokratischen Prozess einhält, schreibt die SP-Grossrätin in ihrer aktuellen Kolumne.

Roche-Gebäude – rechts der Bau 52
Roche-Gebäude in Basel – rechts der Bau 52. (© Foto: Tlamichin, CC BY-SA 4.0)

In Basel dreht sich wieder einmal vieles um die Pharma. Neuestes Beispiel ist die Debatte um das Hochhaus der Roche, den sogenannten Bau 52. Der Grosse Rat wird im Oktober darüber entscheiden. Soll er stehen bleiben oder abgerissen werden?

Ich interessiere mich sonst nicht so für Bebauungspläne. Aber dieses Geschäft finde ich spannend. Denn es wirft einmal mehr eine sehr grundsätzliche Frage auf: Wie gehen wir in der Basler Demokratie eigentlich mit der Pharma um, insbesondere mit den beiden Riesen Roche und Novartis?

Vorweg: Basel verdankt der Pharma viel. Sie schafft Arbeitsplätze, zahlt Steuern und macht die Region weltweit sichtbar. Niemand bestreitet, dass die Branche wichtig ist für unseren Wohlstand. Gleichzeitig gilt der demokratische Prozess: Wenn ein Bauprojekt dieser Dimension angestrebt wird, prüft dies die Bau- und Raumplanungskommission (BRK), und das Parlament entscheidet darüber. Punkt. Nimmt man diesen Prozess ernst, müssen auch Auflagen möglich sein, ohne dass dies sofort als Affront gegenüber der Bauherrin verstanden wird. Denn Demokratie lebt davon, dass Regeln für alle gleich gelten – selbst für die mächtigsten Unternehmen.

Demokratie bedeutet zudem, dass Macht geteilt und kontrolliert wird. In den USA sehen wir, wie leicht dieses Gleichgewicht ins Wanken gerät, wenn die Politik Tech-Grosskonzernen freie Bahn lässt, die Institutionen schwächt und die Demokratie dadurch Schaden nimmt.

Aus der Ferne lässt sich das leicht kritisieren und als problematisch erkennen. Doch was uns in den USA so klar erscheint, ist hier in Basel schwieriger. Wenn die Pharma etwas will, insbesondere die beiden Riesen, ist Kritik plötzlich unerwünscht und Dankbarkeit für die Steuereinnahmen Pflicht. Schon wer nur leise Bedenken äussert, läuft Gefahr, als «standortfeindlich» oder gar als «Wohlstandsgefährder» abgestempelt zu werden.

Warum reagiert die Roche mit einer Gewinnmarge von 40 Prozent und einem Reingewinn von 9,2 Milliarden Franken wegen eines denkmalgeschützten Bürogebäudes so überreizt?

Die Angst vor Wohlstandsverlust wird medial und politisch massiv geschürt, was gerade in unsicheren Zeiten Wirkung zeigt. Ich kann diese Angst gut nachvollziehen. Im Gegensatz dazu habe ich kein Verständnis dafür, dass die Roche mit einer Gewinnmarge von 40 Prozent und einem Reingewinn von 9,2 Milliarden Franken wegen eines denkmalgeschützten Bürogebäudes so überreizt reagiert.

Mir geht es nicht darum, die Verhältnisse in Basel mit jenen in den USA gleichzusetzen. Im Gegenteil: Wir haben starke demokratische Abläufe, die funktionieren. Zum Glück. Das ist auch ein Standortvorteil. Und doch gibt es auch bei uns einen politischen Balanceakt im Umgang mit der Pharma, über den wir selten offen reden.

Ich finde, gerade weil unsere wirtschaftliche Abhängigkeit von der Pharma in Basel so stark ist, müssen wir sorgfältig darauf achten, dass politische Entscheidungen nicht einfach nach deren Interessen ausgerichtet werden. Sonst kippt irgendwann das Gleichgewicht, wie in den USA. Demokratie heisst nämlich, dass niemand über den Institutionen steht, auch nicht jene, von denen wir wirtschaftlich abhängig sind. Demokratische Stärke zeigt sich dort, wo man auch dem Stärksten Grenzen setzen darf.

Das braucht Mut – die geltenden Regeln und Prozesse auch bei den Grössten anzuwenden. Grenzen zu setzen. Und die Diskussion so zu führen, dass nicht zwischen «Standortfreundlichen» und «Standortfeindlichen» gespalten wird. Nur wenn wir die Debatte offen, ohne Angst und ohne Scheuklappen führen, bleibt Basel sowohl ein attraktiver Wirtschaftsstandort als auch eine starke und lebendige Demokratie.

Kolumne: «Mit links»

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