Steuergeschenke heute – Abbau morgen
Die Kolumnistin und SP-Grossrätin ärgert sich über die Bürgerlichen, die zuerst Steuersenkungen durchsetzen und dann Abbaurunden auf Kosten der Schwächsten fordern.
In der Politik lernt man verlieren.
Das sagt man so leicht, und manchmal stimmts auch. Aber ehrlich gesagt: Mir fällt das nicht immer einfach. Die jüngste Abstimmung zur Abschaffung des Eigenmietwerts hat mich tatsächlich getroffen. Nicht, weil ich besonders am Eigenmietwert hänge, sondern weil ich weiss, was sein Wegfall bedeutet: ein grosses Loch in den öffentlichen Finanzen – rund zwei Milliarden.
Und wer schon nur ein bisschen politisch unterwegs ist, weiss: Sobald das Loch da ist, kommt der Abbau. Wir sehen das in Bundesbern, wo derzeit zum Beispiel beim öffentlichen Verkehr, der Suchtprävention, der Entwicklungszusammenarbeit und bei den Hochschulen gekürzt wird. Wie so oft trifft es die Bildung, die Kultur, das Soziale – also genau jene Bereiche, die eine Gesellschaft zusammenhalten und Chancengerechtigkeit schaffen.
In Basel-Stadt war es in den vergangenen Jahren einfacher, das gebe ich zu. Gute Finanzlage, wenig Druck. Doch das Polster ist kleiner geworden, weil wir verschiedene Steuersenkungen gutgeheissen haben. Und zack, heisst es schon: «Die Ausgaben dürfen auf keinen Fall mehr wachsen!» oder «Mehr liegt nun einfach nicht mehr drin». Der politische Verhandlungsspielraum wird damit kleiner. Und ich bin sicher, diese Entwicklung geht weiter. Selbstverschuldet, weil wir Steuern gesenkt haben.
Abbau ist kein Naturgesetz. Es ist eine politische Entscheidung – eine Folge von anderen politischen Entscheidungen.
Der Zusammenhang zwischen Steuersenkungen und Sparrunden respektive Abbaurunden wird oft ausgeblendet. Erst verteilt man grosszügig Steuergeschenke, und wenn dann die Einnahmen fehlen, heisst es plötzlich, man müsse halt abbauen und kürzen. Man nennt es dann «Entlastungspaket», obwohl es eigentlich fast immer eine Mehrbelastung für die Bevölkerung bedeutet.
Dieses Spiel beherrschen die bürgerlichen Parteien perfekt. So sehr, dass selbst Linke manchmal diesen Reflex übernehmen: «Wir können uns das nicht leisten.» Und: «Jetzt ist Sparen halt notwendig.» Nein, ist es nicht. Es ist kein Naturgesetz. Es ist eine politische Entscheidung – eine Folge von anderen politischen Entscheidungen. Zum Beispiel weil Vermögenssteuern gesenkt werden, es praktisch keine Erbschaftssteuern oder kaum Kapitalgewinnsteuern gibt. Oder zum Beispiel wegen der Abschaffung des Eigenmietwerts.
Ja, an solchen Abstimmungssonntagen bin ich eher eine schlechte Verliererin. Es betrübt mich. Auch weil ich weiss, dass der Abbau von Service public jene am meisten trifft, die ohnehin schon wenig haben. Und sicher nicht jene, die die Abstimmung gewonnen haben.