Chaudet ging erst nachher, Amherd schon vorher

Die Wirren um den Kauf der F-35-Kampfflugzeuge wecken Erinnerungen an die Mirage-Affäre vor über 60 Jahren.

Dassault Mirage III beim Militärflugplatz Payerne
Die Mirage-Kampfflugzeuge wurden im Jahr 2003 ausgemustert. Hier ein Erinnerungsexemplar auf dem Militärflugplatz Payerne. (Bild: VBS/DDPS, Philipp Schmidli)

Die Beschaffung von Kampfflugzeugen ging in der Schweiz selten geräuschlos über die Bühne. Und manchmal flogen richtig die Fetzen. So überrascht es kaum, dass dem jetzt wieder so ist, da eine Kostenüberschreitung beim Kauf von 36 F-35-Kampfjets von bis zu 1,3 Milliarden Franken droht. Diesmal liegt es daran, dass man in den USA und in der Schweiz unter einem Fixpreis (der bei sechs Milliarden Franken liegen sollte) offenbar nicht dasselbe versteht.

Seit der zweiten Präsidentschaft von Donald Trump überrascht auch das nicht. Und man darf durchaus damit rechnen, dass unterschiedliche Lesarten nicht auf den Begriff Fixpreis beschränkt bleiben.

Allerdings war auch der Kauf des F/A-18 Hornet in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine harzige Angelegenheit. So kurz nach dem Fall der Berliner Mauer, als Krieg in Europa zum Fremdwort wurde, stiess die Beschaffung eines Kampfflugzeugs in der Schweiz auf erheblichen politischen Widerstand. Schliesslich versuchte die GSoA – die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee – das Geschäft gar mit der Volksinitiative «Stop F/A-18» zu verhindern.

Versuchter Abschuss per Volksinitiative

Das Volksbegehren, das damals hohe Wellen warf und innerhalb eines guten Monats von rund einer halben Million Personen unterschrieben worden war, wurde schliesslich 1993 bei einem Ja-Stimmenanteil von fast 43 Prozent abgelehnt. Und der F/A-18 ist immer noch im Einsatz.

Wäre es damals anders gelaufen, könnte heute kaum mehr von einer Schweizer Luftwaffe die Rede sein. So verfügt die Armee in einer wesentlich ungemütlicheren weltpolitischen Grosswetterlage immerhin noch über 30 Jets für die Luftverteidigung und Luftpolizei-Einsätze.

Ganz turbulent wird es indessen, wenn wir nochmals 30 Jahre zurückgehen. Die nicht mehr ganz jungen Semester unter uns mögen sich vielleicht noch an die sogenannte «Mirage-Affäre» erinnern. In den frühen 60er-Jahren hatten die Eidgenössischen Räte die Beschaffung von 100 Mirage-Kampfflugzeugen zu einem Preis von 870 Millionen Franken beschlossen.

Die erste PUK

Allerdings war der Preis damals von den militärischen Verantwortungsträgern – fahrlässig oder bewusst – viel zu tief veranschlagt worden, sodass die Kosten sehr schnell aus dem Ruder liefen. Einen Nachtragskredit von über einer halben Milliarde Franken lehnte das Parlament ab. Stattdessen setzte es die erste eidgenössische Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) ein, die die Hintergründe der Kostenüberschreitung untersuchen sollte.

Das Fazit der PUK, der im Übrigen die drei späteren Bundesräte Kurt Furgler (CVP), Pierre Graber (SP) und Rudolf Gnägi (SVP) angehörten, war für die Verantwortlichen vernichtend. Die Botschaft des Bundesrates von 1961 wurde im Bericht der Untersuchungskommission von 1964 als «zum Teil tendenziös, zum Teil unsorgfältig und an einzelnen Stellen geradezu irreführend abgefasst», bezeichnet.

Ein Bundesrat muss gehen

Die politischen Konsequenzen glichen für Schweizer Verhältnisse einem Erdbeben. Nach zwei Zusatzkrediten von insgesamt 350 Millionen Franken wurden schliesslich nur 57 statt der geplanten 100 Mirage-Kampfjets bestellt. Der Chef der Flugwaffe wurde entlassen, und der zuständige Bundesrat, Vorsteher des Eidgenössischen Militärdepartements Paul Chaudet (FDP, Waadt), sowie Generalstabschef Jakob Annasohn traten nicht eben freiwillig zurück.

Gewisse Parallelen zu den gegenwärtigen F-35-Wirren sind offensichtlich. Zufällig sind sie angesichts der Schwierigkeiten, mit denen diese Geschäfte hierzulande offenbar belastet sind, wohl kaum. Einen grösseren Unterschied gibt es aber gleichwohl: Bei der Mirage-Affäre ging der verantwortliche Bundesrat nach dem Debakel. In der Angelegenheit F-35 trat die Verteidigungsministerin Viola Amherd schon vorher zurück.

Anschaffung mit Folgen

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