So ist die Stimmung bei den Parteipräsidenten

OnlineReports hat mit Melchior Buchs, Peter Riebli und Thomas Tribelhorn gesprochen. Mit welchen Erwartungen blicken sie auf den kommenden Sonntag?

Markus Eigenmann, Sabine Bucher, Caroline Mall
Wer macht das Rennen – Markus Eigenmann, Sabine Bucher oder Caroline Mall? (© Foto: Simo Schlumpf)

Wenige Tage vor der Ersatzwahl für die scheidende Regierungsrätin Monica Gschwind dürften die meisten Baselbieterinnen und Baselbieter ihre Entscheidung getroffen und auch bereits gewählt haben. Weil an diesem Sonntag keine Abstimmungsvorlagen anstehen, ist von einer tiefen Wahlbeteiligung auszugehen.

Die Medien scheinen sich mehr oder weniger einig zu sein: Sie tippen darauf, dass der Freisinnige Markus Eigenmann das beste Resultat erzielen wird. Zu Beginn des Wahlkampfs sahen viele noch die Grünliberale Sabine Bucher im Vorteil. SVP-Kandidatin Caroline Mall attestiert man zwar einen soliden Auftritt, glaubt aber nicht an eine Überraschung.

Doch wie sehen es die Parteipräsidenten von FDP, SVP und GLP? OnlineReports hat mit Melchior Buchs, Peter Riebli und Thomas Tribelhorn über Stimmung, Auffälligkeiten im Wahlkampf, Prognosen und Strategien für den zweiten Wahlgang gesprochen.

Die Stimmung    

Während FDP und SVP grundsätzlich positiv und zuversichtlich auf den Wahlsonntag blicken, ist bei den Grünliberalen sogar Euphorie zu spüren. Co-Präsident Thomas Tribelhorn zeigt sich begeistert vom riesigen Engagement der Basis. Die Kleinpartei mit ihren rund 180 Mitgliedern habe alles gegeben und sei sowohl auf der Strasse als auch in den Sozialen Medien sehr präsent gewesen. Natürlich erreiche man nicht alle.

SVP-Chef Peter Riebli beschreibt die Stimmung in seinem Lager als «optimistisch». Caroline Mall habe einen sehr guten Wahlkampf gemacht, was man auch ausserhalb der SVP wahrgenommen habe.

Von allen drei Parteien hat die FDP am meisten zu verlieren. Sie muss den Sitz ihrer Bildungsdirektorin Monica Gschwind verteidigen. Gelingt es ihr nicht, sind die Freisinnigen erstmals in ihrer Geschichte nicht in der Kantonsregierung vertreten. Entsprechend gibt sich FDP-Präsident Melchior Buchs etwas zurückhaltender als die beiden anderen Parteichefs, aber dennoch zuversichtlich. Das Wahlkampfteam mit seiner Zentrale in Arlesheim habe einen «hervorragenden» Wahlkampf geführt. Dieser habe im Übrigen bereits vor der Nominationsversammlung im August begonnen. Eigenmanns Team sei von Anfang an bestens organisiert gewesen.  

Der Wahlkampf

Der Wahlkampf verlief unspektakulär und ohne Skandale. Es gab kaum laute Zwischentöne – weder von den Kandidierenden noch von den Parteispitzen. Buchs, Riebli und Tribelhorn haben den Umgang insgesamt als fair empfunden. Für Riebli, der es gerne pointiert und manchmal auch laut mag, seien die Kandidierenden fast schon «zu lieb» gewesen.

Buchs erklärt den «pfleglichen» Umgang der Kandidierenden mit dem Bewusstsein, dass sie in eine Kollegialbehörde passen müssen. «Exzentriker haben da schlechte Karten.» Das hätten vergangene Wahlen auf nationaler, kantonaler und kommunaler Ebene immer wieder gezeigt.

Jan Amsler und Alessandra Paone, Chefredaktion und Inhaberschaft OnlineReports
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Insbesondere der Auftritt von Caroline Mall war mit Spannung erwartet worden. Die Reinacher SVP-Landrätin gilt als Riebli-nah und ist dafür bekannt, sehr direkt und manchmal etwas schroff zu sein. In den vergangenen Wochen versuchte sie aber beinahe krampfhaft, das Etikett der Hardlinerin abzulegen, und gab sich betont moderat. Sie habe wohl aus ihrer Niederlage in Reinach gelernt und sich deshalb für eine gemässigte Gangart entschieden, sagt der frühere Reinacher Gemeindepräsident Buchs. Mall hatte 2017 für den Gemeinderat kandidiert und trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer harten Positionen zur sogenannten Asylheimaffäre überraschend schlecht abgeschnitten.

Am letzten Podium in Liestal trat Mall allerdings angriffig, zeitweise gar populistisch auf. Das dürfte wohl an der Themenwahl gelegen haben. Es ging für einmal nicht um das den Wahlkampf dominierende Thema Bildung, sondern vor allem um die Europafrage. Aber auch um Gesundheits- oder Energiepolitik. Mall schoss – nicht immer ganz faktentreu – gegen Bucher und ihre Partei. «Vielleicht war sie ein bisschen nervös», sagt Thomas Tribelhorn.

Die Schnittpunkte und die Unterschiede

Von den drei Kandidierenden sind sich Bucher und Eigenmann politisch am ähnlichsten. Die Grünliberale vertrat ausser bei der Energiepolitik insgesamt eher bürgerliche Positionen und sprach sich sogar gegen die Kita-Initiative aus, obwohl das Anliegen von der SP stammt, die die GLP-Kandidatin unterstützt. Sie sei gegen das Giesskannen-Prinzip, sagte Bucher am Podium in Liestal.

«Gäbe es innerhalb der FDP noch einen stärkeren sozial-liberalen Flügel, was ich sehr begrüssen würde, wäre Bucher wohl dort zu Hause.»
Melchior Buchs, FDP-Präsident

Die Grünliberale habe im Wahlkampf Mühe gehabt, sich klar zu positionieren, findet FDP-Präsident Buchs. «Gäbe es innerhalb der FDP noch einen stärkeren sozial-liberalen Flügel, was ich sehr begrüssen würde, wäre Bucher wohl dort zu Hause.»

Bucher politisiere tatsächlich am rechten Rand des liberalen GLP-Flügels und stehe bei sozialpolitischen Fragen rechts von ihm, sagt Co-Chef Tribelhorn. Seine Kandidatin habe sich aber etwa beim Thema Finanzausgleich sehr deutlich von Eigenmann unterscheiden können. Als Oberbaselbieterin und ehemalige Gemeindepräsidentin von Läufelfingen bringe sie viel Verständnis für die finanzielle Lage und die Aufgabenlast der kleinen Gemeinden mit. Dies im Gegensatz zum freisinnigen Unternehmer aus Arlesheim, der in den Augen Tribelhorns manchmal auch etwas arrogant gewirkt habe.

Die Europafrage

Die Delegierten der FDP Schweiz haben am vergangenen Wochenende für die EU-Verträge gestimmt und das Ständemehr abgelehnt. Das hat insbesondere im konservativen Lager des Freisinns für Ärger gesorgt. EU-Skeptiker haben ihren Parteiaustritt angekündigt – die SVP empfängt sie mit offenen Armen.

Der Präsident der Baselbieter SVP, Peter Riebli, glaubt, dass dieser Entscheid auch Auswirkungen auf die Regierungswahl haben könnte. Einige bürgerliche Wählerinnen und Wähler, die zuvor noch unsicher gewesen seien, seien nach der Delegiertenversammlung der FDP auf ihn zugekommen und hätten ihm ihre Stimme für Caroline Mall zugesichert.

Riebli geht zudem davon aus, dass sich nach dem freisinnigen Ja zu Europa die Reihen in der SVP definitiv schliessen werden. «Die SVP-Wählerinnen und -Wähler wünschen sich jemanden in der Regierung, der die Verträge mit der EU kritisch einordnet.»

Melchior Buchs bezweifelt hingegen, dass die Europa-Frage die Wahl massgeblich beeinflussen werde. Die meisten hätten schon vor der Delegiertenversammlung abgestimmt, sagt der FDP-Präsident. Abgesehen davon hätte das Risiko, Stimmen zu verlieren, auch bei einem Nein bestanden. Dann wären diese aber nicht zur SVP, sondern zur GLP gegangen, die sich von Anfang an für die Bilateralen III ausgesprochen hat.

«Die FDP hat wieder zu ihrer staatstragenden Rolle gefunden», sagt denn auch GLP-Co-Chef Thomas Tribelhorn. Er begrüsse den Entscheid der Freisinnigen – obschon dieser am kommenden Sonntag eher die SVP begünstigen werde.

Der SP-GLP-Deal

Im Wahlkampf wurde viel darüber diskutiert, wem der Deal zwischen der SP und der GLP dient. Man war sich rasch einig: vor allem der SP. Die Sozialdemokraten haben sich für ihre Unterstützung der Kandidatin Bucher den Support der Grünliberalen für Samira Marti bei den Ständeratswahlen 2027 gesichert – sofern die amtierende Maya Graf von den Grünen nicht mehr antritt. Später schlossen sich wenig euphorisch auch die Grünen dem Bündnis an.

Bis auf einige Testimonials in den Sozialen Medien und vereinzelte Auftritte an Medienkonferenzen kam von der SP und insbesondere von den Grünen vergleichsweise wenig. Das grosse Engagement, wie man es von eigenen Kandidaturen kennt, fehlte. Die SP trug einen bescheidenen Beitrag von ein paar Tausend Franken bei, die Grünen gar nichts.

Buchs und Riebli rechnen nicht mit einer übermässigen Mobilisierung von Rot-Grün. Weder die SP noch die Grünen hätten wirklich ein Interesse daran, dass Bucher gewählt wird, sagt der FDP-Präsident. Denn mit Bucher in der Regierung würde es den Grünen noch schwerer fallen, ihren Sitz zu verteidigen – unabhängig davon, was Baudirektor Isaac Reber macht. Und die SP strebe ja bekanntlich einen zweiten Sitz an. Mit Bucher in der Regierung rücke dieses Ziel in weite Ferne, sagt Buchs.

Im Gespräch mit OnlineReports haben zudem namhafte SP-Vertreter das Abkommen mit den Grünliberalen zwar als strategisch sehr geschickt gelobt. Sie haben aber auch zu verstehen gegeben, dass sie Eigenmann klar als Favoriten sehen und diesen teilweise auch gewählt haben. Mit dem Arlesheimer Gemeinderat Peter Vetter sitzt sogar ein Sozialdemokrat in Eigenmanns Komitee.  

Tribelhorn wehrt sich gegen den Vorwurf der mangelnden Unterstützung. Er habe vor allem von der SP-Spitze viel Support gespürt. Nationalrätin Samira Marti habe etwa ein Unterstützungsvideo für Sabine Bucher gedreht. Es sei überdies verständlich, dass man nicht gleich viel Aufwand betreibe wie bei einer eigenen Kandidatur.

Die Prognosen

Die Präsidenten von FDP und SVP wagen keine Prognosen. Sie rechnen aber beide mit guten Ergebnissen ihrer Kandidierenden. Diese hätten sich keine groben Fehler geleistet und kaum Angriffsfläche geboten.

«Alles unter 40 Prozent wäre eine Enttäuschung.»
Thomas Tribelhorn, Co-Präsident GLP

Thomas Tribelhorn ist da etwas mutiger. Rein arithmetisch müsste Sabine Bucher am Sonntag vorne liegen, sagt er. Der Grünliberale geht von über 40 Prozent aus – «alles andere wäre eine Enttäuschung». Spannend sei, wer den zweiten Platz erreiche, ob Eigenmann oder Mall. Bei der SVP stelle sich die Frage, wie sich die Moderaten verhalten. Wählen sie zähneknirschend, aber loyal Mall, legen sie leer ein, oder stimmen sie sogar für Eigenmann? 

Die Strategie nach dem ersten Wahlgang

Da es bei drei Kandidierenden schwierig sein dürfte, dass jemand auf Anhieb über 50 Prozent erreicht, gehen die meisten von einem zweiten Wahlgang aus. Die Strategie wird erst nach dem Wahlsonntag festgelegt.

Für Riebli ist klar, dass die SVP ihre Kandidatur zurückzieht, sollte Caroline Mall deutlich hinter Markus Eigenmann liegen. Falle der Unterschied aber marginal aus, müsse man nochmals darüber sprechen.

«Ich wäre ein schlechter Stratege, wenn ich die Unsicherheit der FDP nicht thematisiert hätte.»
Peter Riebli, SVP-Präsident

Ein Kandidatentausch innerhalb der SVP kommt für den Präsidenten jedoch nicht infrage. Die Idee eines dritten Kandidaten, den man anstelle von Mall und Eigenmann bringen könnte, habe nicht er, sondern die FDP selbst an ihrem Nominations-Parteitag ins Spiel gebracht. «Ich wäre ein schlechter Stratege, wenn ich die Unsicherheit der FDP nicht thematisiert hätte.»

Landrat Rolf Blatter hatte an der Nominations-Veranstaltung der FDP seine Kandidatur wegen mangelnder Empfehlung des Vorstands beleidigt zurückgezogen und angekündigt, dass seine Zeit noch kommen werde.

Die Freisinnigen schliessen Stand heute ebenfalls aus, den Kandidaten auszutauschen. «Trotzdem kann es bei einer Wahrscheinlichkeit von gegen 0 eine Möglichkeit geben, dass wir uns einen Austausch überlegen müssen», sagt Parteipräsident Buchs. «Dann müssten wir uns und auch viele andere Politbeobachter in der Beurteilung des möglichen Ausgangs aber gründlich getäuscht haben.»

Buchs hofft, dass die SVP Wort halte und ihre Kandidatur zurückziehe, sollte Mall hinter Eigenmann landen. Und zwar egal, wie gross der Abstand sei. «Sonst ist wirklich nichts mehr gut zwischen uns.» Liegt am Sonntag aber Eigenmann überraschend hinter Mall, ist ein Rückzug nicht sicher. In diesem Fall trifft sich die FDP-Spitze am Montagabend zu einer Sondersitzung. «Im Unterschied zur SVP haben wir nie gesagt, dass wir unseren Kandidaten zurückziehen. Es geht hier schliesslich um einen FDP-Sitz.»

Für die GLP kommt ein Rückzug nur infrage, wenn Sabine Bucher abgeschlagen auf Platz drei landen sollte. Dass jemand von der SP oder den Grünen Anspruch erhebe, anstelle von Bucher anzutreten, hält Tribelhorn weder für realistisch noch für glaubwürdig. Die SP habe sich bewusst gegen eine eigene Kandidatur entschieden und könne nun schlecht die Meinung ändern. Und die Grünen müssten sich voll auf die Gesamterneuerungswahlen 2027 konzentrieren und versuchen, ihren Sitz zu verteidigen.

Alle Artikel über die Ersatzwahl von Monica Gschwind finden Sie in unserem Dossier.

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