Die Grünliberalen sind der SP aufgesessen – doch wie verpflichtend sind 3000 Franken?

Die Parteien organisieren sich gerade neu. Der Ausgang der Regierungs-Ersatzwahl wird entscheiden, welche Bündnisse weiterverfolgt werden.

Adil Koller, Samira Marti, Sabine Bucher, Thomas Tribelhorn, Manuel Ballmer
Ein Coup – vor allem für die SP. Von links: Adil Koller, Samira Marti, Sabine Bucher, Thomas Tribelhorn, Manuel Ballmer. (Foto: ZVG)

Welchem Zweck dienen die neuen Allianzen im politischen Baselbiet? Wer profitiert davon, wer hat das Nachsehen? Sind diese Bündnisse auch noch bei den Wahlen in zwei Jahren gültig?

Für die Ersatzwahl der abtretenden freisinnigen Bildungsdirektorin Monica Gschwind haben die Parteien Entscheidungen getroffen, die Auswirkungen auf das Ergebnis vom 26. Oktober haben. Sie spielen aber auch längerfristig eine wesentliche Rolle, weil sie den Weg für mögliche Konstellationen im Wahljahr 2027 ebnen – oder erschweren.

Im Fokus steht der Deal zwischen der SP und den Grünliberalen: Die Sozialdemokraten unterstützen Sabine Bucher als Regierungskandidatin; als Gegenleistung werden sich die Grünliberalen hinter Samira Marti stellen, sollte sie im Herbst 2027 für den Ständerat antreten.

Schon am Tag von Monica Gschwinds Rücktritts-Ankündigung gab GLP-Co-Präsident Thomas Tribelhorn an, den Sitz angreifen zu wollen. Damals war der Antrieb für eine Kandidatur allerdings vor allem, mehr Sichtbarkeit zu erlangen. Dank der Abmachung mit der SP (22 Prozent) glaubt die Kleinpartei (8 Prozent) nun aber wirklich an ihre Chance. Vor allem, wenn auch noch die Grünen (13 Prozent) und Teile der EVP (5 Prozent) und der Mitte (11 Prozent) mitziehen.

Doch so simpel, wie die Grünliberalen in ihrer Euphorie geglaubt haben, ist die Rechnung nicht. Die Zahlen sind nur auf dem Papier verlockend; in der Realität spielen noch andere Aspekte mit. Etwa wie stark die SP tatsächlich für Sabine Bucher mobilisiert.

Prominenter SPler in Eigenmann-Komitee

Parteipräsident Nils Jocher deutete am Parteitag im Gespräch mit der Volksstimme jedenfalls an, dass es «einen engagierten Wahlkampf, wie ihn die SP sonst bei ihren eigenen Kandidaturen und Kernanliegen mit Telefonkampagnen führt», nicht geben werde. Die Mitglieder würden schriftlich informiert und aufgefordert, die GLP-Kandidatin zu unterstützen. Der finanzielle Beitrag an Buchers Wahlkampf beläuft sich auf «einem kleinen vierstelligen Betrag». 3000 Franken sollen es sein.

Peter Vetter, Gemeinderat Arlesheim und früherer Landschreiber Baselland
Unterstützt seinen Arlesheimer Gemeinderatskollegen: Peter Vetter. (© Foto: SP Arlesheim)

Zudem halten längst nicht alle Sozialdemokraten Sabine Buchers Kandidatur für unterstützenswert. Den Juso etwa ist die Grünliberale zu wenig sozial und zu wenig links. Die Jungpartei fällt den definitiven Entscheid am 25. September.

Abgesehen davon ist zu erwarten, dass einige Vertreterinnen und Vertreter der Linken von der Partei-Empfehlung abweichen und stattdessen gar nicht wählen oder gleich den freisinnigen Kandidaten Markus Eigenmann aufschreiben. Zu diesen gehört der Sozialdemokrat Peter Vetter. Der frühere Landschreiber ist ein Gemeinderatskollege von Eigenmann in Arlesheim und unterstützt diesen als Mitglied im Komitee.

Es fällt schwer zu glauben, dass die SP als staatstragende Partei trotz ihres angeblichen Wunschs nach neuen Mehrheitsverhältnissen eine Regierung anstrebt, die die Konkordanz in keiner Weise respektiert. Zumal nach der SVP als stärkste dann auch die FDP als drittstärkste Kraft von der Kantons-Exekutive ausgeschlossen wäre.

Die SP ist den Deal mit der GLP in erster Linie aus Eigennutz eingegangen. Um davon abzulenken, dass sich in den eigenen Reihen niemand wirklich aufgedrängt hat, obwohl anfänglich von einer «breiten Personaldecke» mit vielen erfahrenen Politikerinnen und Politikern die Rede gewesen war. Aber vor allem, um eine ideale Ausgangslage für die designierte Ständeratskandidatin Samira Marti zu schaffen.

Von den Grünen darf sich die GLP noch weniger Support erhoffen. Ihr Regierungsrat Isaac Reber befindet sich in der vierten Legislatur. Dass er 2027 nochmals antritt, ist zwar nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich. Die Grünen stehen also vor der Herausforderung, ihren Sitz bei den kantonalen Gesamterneuerungswahlen zu verteidigen. Das würde noch schwieriger, wenn mit der GLP bereits eine Partei in der Regierung vertreten wäre, die «Grün» im Namen trägt.

Die GLP verliert durch den Deal auch Handlungsfreiheit.

Die Grünliberalen könnten bei der Ersatzwahl also leer ausgehen. Sie verlieren durch die Vereinbarung mit der SP auch Handlungsfreiheit. Sabine Bucher positioniert sich im Wahlkampf krampfhaft links. Es steht der GLP zudem nicht mehr offen, in zwei Jahren eine gemässigtere Ständeratskandidatur als jene der pointiert linken Samira Marti zu unterstützen, beispielsweise aus der politischen Mitte. Eine solche steht mit Pascal Ryf tatsächlich im Raum.

Ryf noch nicht gesetzt

Der Chef der Mitte-Fraktion im Landrat und einstige höchste Baselbieter hat seine Ambitionen mehrfach öffentlich geäussert. Um sich für eine allfällige Ständeratskandidatur alle Optionen auf linker und rechter Seite offen zu lassen, wollte er verhindern, dass sich seine Partei bei der Regierungs-Ersatzwahl positioniert, und plädierte deshalb für Stimmfreigabe. Der Parteitag beschloss dann aber, den Freisinnigen Markus Eigenmann zu unterstützen.

Nun ist Ryf Mitglied im Eigenmann-Komitee – in der Hoffnung, dass die FDP ihm dann den Vortritt gewährt? Sein Vorpreschen kam bei den Freisinnigen nicht gut an. Und selbst Mitte-intern bestehen Zweifel, ob eine Ständeratskandidatur angebracht wäre oder ob die Partei sich nicht besser auf ihre Sitze in Regierung und Nationalrat konzentrieren sollte.

Bei den vergangenen zwei Nationalratswahlen ist die GLP eine Listenverbindung mit der Mitte und der EVP eingegangen. Es stellt sich die Frage, ob der Deal mit der SP eine solche überhaupt zulässt.

Co-Präsident Thomas Tribelhorn sagt auf Anfrage von OnlineReports: «Wir behandeln den Ständerat immer separat.» Man werde unabhängig von der Abmachung mit der SP entscheiden, mit wem man bei den Nationalratswahlen zusammenarbeitet. 2019 habe er sich trotz der Listenverbindung der GLP mit den Mitte-Parteien im Unterstützungskomitee von SP-Nationalrat Eric Nussbaumer als Ständeratskandidat engagiert. Zur Wahl standen auch Elisabeth Augstburger von der EVP, die Grüne Maya Graf und die Freisinnige Daniela Schneeberger.

«Derzeit ist die Mitte keine verlässliche Partnerin.»
Thomas Tribelhorn, Co-Präsident GLP Baselland

Tribelhorn schliesst nicht aus, dass 2027 erneut eine Listenverbindung mit der Mitte zustande kommt. Allerdings müsse hierfür die Zusammenarbeit im Landrat unbedingt besser werden. «Derzeit ist die Mitte keine verlässliche Partnerin», sagt der Grünliberale und nennt etwa die fehlende Unterstützung bei der Stellvertretungs-Lösung fürs Kantonsparlament oder bei den erneuerbaren Energien.

Wer soll Schneider-Schneiter ersetzen?

Für Tribelhorn ist auch entscheidend, wer die Spitzenkandidatin oder der Spitzenkandidat auf der Nationalratsliste der Mitte sein wird. Landrat Marc Scherrer dürfte als Mitarbeiter der Wirtschaftskammer Baselland bei den Grünliberalen wohl eher einen schweren Stand haben. Mit der amtierenden Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter habe man hingegen immer gut zusammengearbeitet.

Es ist allerdings fraglich, ob die 61-jährige Schneider-Schneiter, die seit rund 15 Jahren im Nationalrat politisiert, noch eine zusätzliche Legislatur in Bern anhängen will. Stimmen die Schweizerinnen und Schweizer noch vor den nationalen Wahlen im Herbst 2027 den Bilateralen III zu, hat die Europa-Politikerin ihr grösstes Ziel erreicht und wenig Gründe, weiterzumachen. Ausser sie muss, weil sonst der Sitzverlust droht.

Caroline Mall, Markus Eigenmann, Sabine Bucher
Wer tritt die Nachfolge von Monica Gschwind an? Von links: Caroline Mall, Markus Eigenmann und Sabine Bucher. (Foto: ZVG)

Neben Scherrer wird als mögliche Nachfolgerin von Schneider-Schneiter auch immer wieder Marie-Caroline Messerli genannt. Sie erreichte 2023 den zweiten Platz hinter der amtierenden Nationalrätin und leitete nach Hannes Hänggis Ausfall bis zur Wahl des neuen Präsidenten Simon Oberbeck interimistisch die Kantonalpartei. Messerli, so erzählt man, sei Schneider-Schneiters Favoritin. Doch die Juristin, die Partnerin in einer Basler Anwaltskanzlei mit mehreren Grünliberalen ist, setzt vorwiegend auf den Beruf.

Andere zwingende Kandidatinnen und Kandidaten sind nicht in Sicht. Simon Oberbeck werden Regierungsambitionen nachgesagt, Pascal Ryf will in den Ständerat. So oder so wird die Listenverbindung massgebend sein, um den Sitz zu verteidigen.

Breite Mitte von FDP bis EVP

In den Reihen der Mitte kursiert die Idee einer breiten Allianz, die von der FDP bis hin zur EVP reicht. Damit sollten die bisherigen zwei Sitze gesichert sein.

GLP-Co-Chef Thomas Tribelhorn zeigt sich offen für eine solche Lösung. Als früheres Vorstandsmitglied der Baselbieter Jungfreisinnigen habe er persönlich viele Überschneidungspunkte mit der FDP. «Es würde dem Freisinn gut anstehen, sich von der SVP zu distanzieren. Man stelle sich vor, die FDP wäre mitverantwortlich für die Wahl von Sarah Regez in den Nationalrat», sagt Tribelhorn. Regez gehört dem extremen Flügel der SVP an und ist auch parteiintern umstritten.

Die Kooperation mit der SVP sorgte beim Freisinn bereits 2023 für Ärger. Grund waren die extremen Positionen der Partei etwa in Ausländerfragen. Der damalige FDP-Präsident Ferdinand Pulver sprach denn auch von einem Zweckbündnis, das «aus rein arithmetischen Gründen» helfe, den Sitz von Nationalrätin Daniela Schneeberger zu sichern.

Nun greift die SVP mit Caroline Mall den bisherigen FDP-Sitz an. Damit ist die Stimmung zwischen den beiden bürgerlichen Parteien endgültig gekippt. Ob sich die einstigen Bündnis-Partnerinnen wieder zusammenraufen können?

Wenn SVP und FDP sich im zweiten Wahlgang einigen können und Eigenmann zum Nachfolger von Monica Gschwind gewählt wird, ist eine weitere Zusammenarbeit möglich. 

Gleichzeitig ist der Deal zwischen GLP und SP für 2027 kaum mehr verpflichtend, sollte die GLP-Kandidatur vor allem wegen mangelnden Supports der Sozialdemokraten floppen.

Die Ergebnisse vom 26. Oktober und vom 30. November sind entscheidend. Sie werden den Ausschlag dafür geben, welche Allianzen weiterverfolgt werden.

Weitere Artikel über die Ersatzwahl von Monica Gschwind finden Sie in unserem Dossier.

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Analyse: Allianzen im Baselbiet

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