Was geschieht mit den Stimmen von Caroline Mall?
Der Oberbaselbieter SVP-Basis dürfte es nicht leicht fallen, Markus Eigenmann zu unterstützen. Der Freisinnige könnte sich stattdessen voll aufs Unterbaselbiet konzentrieren – und auf den Einfluss der Wirtschaftskammer Baselland hoffen.
Würde man die Ausgangslage vor dem zweiten Wahlgang vom 30. November mathematisch beurteilen, wäre die Sache klar: Nach dem Rückzug der SVP-Kandidatin Caroline Mall gehen deren Stimmen gemäss bürgerlicher Polit-Logik mehrheitlich an den Freisinnigen Markus Eigenmann. Und dieser würde dann im zweiten Wahlgang durchmarschieren.
Doch das Baselbiet wäre nicht das Baselbiet, wenn es so einfach wäre. Denn nach all den Rempeleien und Verletzungen zwischen der SVP und der FDP in den vergangenen Monaten geht diese Rechnung nicht auf. Dies umso mehr, als man auch in einigen inhaltlichen Fragen weit voneinander entfernt ist. Etwa in der Europafrage oder bei der Finanzausgleichs-Initiative, bei der Markus Eigenmann bisher an vorderster Front agiert hat. Nur schon Letzteres führt zum Schluss: Längst nicht alle Mall-Stimmen werden ins FDP-Lager wechseln – schon gar nicht im Oberbaselbiet.
Wenn es eines Beweises dafür bedurft hätte, so hat ihn die SVP an ihrer Versammlung am Montagabend in Diegten gleich selbst geliefert. Von Eigenmann als das «kleinere Übel» war dort in Anwesenheit des Arlesheimer Kandidaten und des FDP-Präsidenten Melchior Buchs etwa die Rede. Und SVP-Chef Peter Riebli bestätigte mit seiner Aussage gegenüber dem Regionaljournal, wonach wahrscheinlich ein Teil seiner Partei sich im zweiten Wahlgang der Stimme enthalten werde, gleich selbst, dass die Unterstützung der SVP für Markus Eigenmann im besten Fall eine lauwarme sein wird.
Wird das Oberbaselbiet zum Zünglein an der Waage?
Das könnte dafür sorgen, dass es im zweiten Wahlgang zwischen Markus Eigenmann und Sabine Bucher noch richtig eng wird. In gut 20 Oberbaselbieter Gemeinden belegte Mall nämlich am Sonntag den Spitzenplatz – praktisch überall dort, wo nicht Sabine Bucher auf Platz eins lag. Und Markus Eigenmann? Er landete jeweils auf Platz drei.
In Diegten beispielsweise erzielte Caroline Mall 131 Stimmen, Sabine Bucher 85, und Markus Eigenmann kam auf 62. In Buus lautete das Resultat: 84 Stimmen für Mail, 70 für Bucher und 32 für Eigenmann. In Gelterkinden, wo Bucher mit 613 Stimmen gewann, landete Mall immerhin mit 285 auf Platz zwei, und Eigenmann wurde wiederum nur Dritter. Übrigens: In Gelterkinden und in ihrer Wohngemeinde Sissach verzeichnete Bucher mehr Stimmen als die beiden anderen zusammen.
Zieht man in Betracht, dass Sabine Bucher auch im Unterbaselbiet zu punkten vermochte – in Allschwil, Birsfelden, Muttenz und Pratteln, aber auch in Laufen lag sie vorne, und in Gemeinden wie Binningen und Bottmingen mit Eigenmann praktisch gleichauf –, so könnten im zweiten Wahlgang die Resultate in den Oberbaselbieter Gemeinden das Zünglein an der Waage spielen.
Verschiedene Handicaps
Wie sich für Sabine Bucher ihre geringe Linkslastigkeit für die SP-Stimmen als Handicap erweisen könnte, dürfte sich die fehlende Verankerung Eigenmanns im Oberbaselbiet wiederum als sein Nachteil erweisen. Der Kampf um Malls Stimmen wird auf jeden Fall für Spannung sorgen.
Von einem Teil der SVP-Basis ist anzunehmen, dass er – wie Peter Riebli angetönt hat – gar nicht erst am zweiten Wahlgang teilnimmt. Ein weiterer Teil wird Stand heute allein schon deshalb nicht für Eigenmann stimmen, weil man ihm als Unterbaselbieter das Verständnis für die kleinen Landgemeinden abspricht, und stattdessen Bucher wählen. Denn sie kennt man im Oberbaselbiet. Die restlichen SVP-Stimmen dürften dann auf Eigenmann entfallen. Ob diese für einen Sieg der FDP ausreichen, ist derzeit offen.
Schwieriger zu beurteilen ist, wohin Malls Stimmen im Unterbaselbiet gehen. Dass der Wechsel ins FDP-Lager hier in grösserem Umfang erfolgen könnte, ist zumindest nicht ausgeschlossen. Oder anders gesagt: Eigenmann könnte es gerade im Birseck etwas leichter haben als Sabine Bucher.
Strategie Unterbaselbiet und Wirtschaftskammer
Möglicherweise könnte es sich dadurch für Markus Eigenmann als lukrativ erweisen, das Oberbaselbiet quasi preiszugeben und sich darauf zu konzentrieren, im Unterbaselbiet – insbesondere in seiner näheren Heimat Arlesheim, Reinach und Münchenstein, aber auch im Leimental – möglichst viele Mall-Stimmen zu sichern. Diese Rechnung würde vor allem dann aufgehen, wenn Sabine Bucher ihr Potenzial dort im ersten Wahlgang bereits ausgeschöpft hätte. Das kann, muss aber nicht sein.
Seit Dienstag ist bekannt, dass die Wirtschaftskammer Baselland, die im ersten Wahlgang auf eine Empfehlung verzichtet hatte, nun den Freisinnigen Kandidaten unterstützen wird. Was dieser Support genau beinhaltet, werden Eigenmann und der KMU-Verband demnächst entscheiden.
Das Engagement der Wirtschaftskammer für Eigenmann könnte neuen Schwung in den Wahlkampf bringen und die Wahl beeinflussen. Der Organisation sind viele Betriebe auch aus dem oberen Kantonsteil angeschlossen. Zudem gilt sie als SVP-nah. Die Wirtschaftskammer könnte also Eigenmanns Defizite im ländlichen Baselbiet kompensieren. Der Freisinn, der sich in den vergangenen Jahren bewusst vom Verband distanziert hat – Diplomaten sagen lieber «emanzipiert» –, wird diese Hilfe wohl oder übel dankend annehmen müssen.
Aus heutiger Sicht ist der Kampf um Malls Stimmen und damit die Wahl vom 30. November jedenfalls noch längst nicht entschieden. Für die FDP gilt daher: Will sie weiterhin der Baselbieter Regierung angehören, muss sie sich kräftig ins Zeug legen und darf die wahlkämpferische Knochenarbeit nicht allein dem Kandidaten überlassen.
Alle Artikel über die Ersatzwahl von Monica Gschwind finden Sie in unserem Dossier.