Der Landrat gerät aus dem Tritt
Das Baselbieter Kantonsparlament verschiebt die Beratung über zwei Initiativen und riskiert ein Gerichtsverfahren, weil wahrscheinlich die gesetzliche Abstimmungsfrist nicht eingehalten wird.
Ist es wegen des zu Sitzungsbeginn bekanntgegebenen Rücktritts von Regierungsrätin Monica Gschwind (FDP), oder ist die Hitze schuld? Jedenfalls gerät der Landrat an seiner Sitzung vom Donnerstag etwas aus dem Tritt.
Nach einer Reihe von – erfolglosen – Rückweisungsversuchen von zwei Vorlagen zu den Gerichten und einer längeren Diskussion streicht das Baselbieter Kantonsparlament die beiden Hauptgeschäfte kurzerhand von der Traktandenliste und verschiebt sie auf später.
Vorgesehen war die Beratung der formulierten Gesetzesinitiative «Vollumfänglicher Steuerabzug der selbstgetragenen Prämien der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (‹Prämienabzug für alle›)» inklusive Gegenvorschlag sowie der «Solar-Initiative», ebenfalls mit Gegenvorschlag.
Grund: Wahlgeschäfte
Dazu kommt es dann aber nicht. Die Geschäftsleitung des Landrats beantragt am frühen Nachmittag, die erste Lesung der beiden Geschäfte nicht mehr vor den Sommerferien durchzuführen. Dies, so Landratspräsident Peter Hartmann von den Grünen, weil die nächste Sitzung eine Wahlsitzung sei. Dann werden die Präsidien von Landrat und Regierung neu bestellt; ausserdem ist die Tagung auf den Morgen beschränkt, weil am Nachmittag die Fraktionsausflüge stattfinden.
Unter diesen Umständen «könnte die zweite Lesung erst nach den Sommerferien stattfinden», erklärt Peter Hartmann weiter. Damit würde das Geschäft zweifellos etwas auseinandergerissen.
Die Verschiebung beider Lesungen auf die Zeit nach den Sommerferien hat allerdings zur Folge, dass eine Volksabstimmung über die Initiativen in diesem Jahr aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr stattfinden kann – und die gesetzliche Frist von 18 Monaten nicht eingehalten wird.
Welch ein Signal
Vor allem die SVP hat für dieses Vorgehen keinen Sinn. «Da machen wir nicht mit», sagt Parteipräsident Peter Riebli. Und der Allschwiler Florian Spiegel fragt rhetorisch: «Welches Signal senden wir damit aus?» Spiegel befürchtet möglicherweise nicht zu Unrecht, es könnte der Eindruck entstehen, die Politikerinnen und Politiker würden die Festivitäten höher gewichten als die Bearbeitung von anstehenden Sachgeschäften.
Kommt hinzu, dass die Initianten offenbar bereits mit dem Gang ans Kantonsgericht gedroht haben, das im schlimmsten Fall den Abstimmungstermin ansetzen würde. So ganz sicher scheinen sich die Landrätinnen und Landräte am Schluss jedenfalls nicht zu sein. Die Verschiebung wird bloss mit 43 Ja- zu 37 Nein-Stimmen gutgeheissen.
10 statt 20 Prozent
Immerhin berät das Parlament am Donnerstag das Geschäft über die Erhöhung des Vermögensverzehrs. Der Regierungsrat hat beantragt, den Vermögensverzehr für Bezügerinnen und Bezüge von Ergänzungsleistungen, die in Heimen und Spitälern leben, von bisher 10 auf neu 20 Prozent zu erhöhen. Baselland sei der einzige Kanton, der von diesem bundesrechtlich gewährten Spielraum bisher keinen Gebrauch mache. Bestehen bleiben soll der bisherige Vermögensfreibetrag von 30’000 Franken für Alleinstehende und 50’000 Franken für Ehepaare.
In der ersten Lesung spricht sich nur die SP mehr oder weniger geschlossen dagegen aus. Ronja Jansen weist insbesondere darauf hin, dass das Stimmvolk vor zehn Jahren eine Erhöhung auf 15 Prozent abgelehnt hat. Die Fraktion Grüne-EVP ist hingegen geteilt. SVP, FDP, Mitte und GLP sind dafür, was darauf hindeutet, dass das Geschäft in der Schlussabstimmung angenommen wird.
Für den Kanton brächte die Erhöhung Einsparungen in der Höhe von 1,5 Millionen und für die Gemeinden solche von 1,75 Millionen Franken.
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