«Man sieht mir an der Nasenspitze an, dass ich SVP bin»
Regierungskandidatin Caroline Mall will mit Volksnähe überzeugen und nicht extrem wirken, tritt aber mit Sarah Regez und Andi Trüssel auf. Die Partei rechnet fest mit einem zweiten Wahlgang – und lässt einen allfälligen Rückzug noch völlig offen.
Die Signale sind schwer einzuordnen. Die Baselbieter SVP-Regierungskandidatin Caroline Mall wehrt sich dagegen, als extrem dargestellt zu werden: «Ich gehöre nicht zum rechten Flügel», sagt sie im Gespräch mit OnlineReports. Sie verstehe sich vielmehr als kompromissbereite Bildungspolitikerin, aber scheue sich nunmal nicht davor, «in die Wunden zu greifen». Sie bringe im Bildungsbereich «mit Sicherheit» den grössten Rucksack mit – sei also fachlich besser geeignet als der Freisinnige Markus Eigenmann oder die Grünliberale Sabine Bucher, die am 26. Oktober ebenfalls für die Nachfolge von Bildungsdirektorin Monica Gschwind antreten.
Mall hat am Donnerstag zum Wahlkampfauftakt in die Liestaler Rathausstrasse vor das Regierungsgebäude geladen. Sie schöpft selbstgemachte Suppe aus einer Piaggio Ape – jenem dreirädrigen Kleintransporter, den man vor allem von den Märkten in Italien kennt. Ein Mann spielt Alphorn. Es sind vor allem Medienschaffende da, SVP-Funktionäre und Landratsmitglieder, die gerade in der Mittagspause sind. Die 58-Jährige setzt auf den Slogan «nöcher bi euch!», will bodenständig sein, das Gespräch suchen – «mich kann man anfassen». Ob das auf Eigenmann und Bucher nicht zutreffe? «Das weiss ich nicht.»
An diesem Mittag sind aber auch andere Zeichen zu erkennen, die klar im Widerspruch zu einem moderaten Stil stehen. Sarah Regez, ganz am Rand politisierend, zupft Caroline Mall noch rasch die Kleidung zurecht. Wahlkampfleiter ist Landrat Andi Trüssel, der beim SVP-Jubiläumsfest am 1. August auf dem Oberbölchen mit den Rednern Roger Köppel und Albert Rösti einen «Tschäppel» im Trump-Stil mit der Aufschrift «Make Switzerland neutral again» trug. Und Parteipräsident Peter Riebli hat den SVP-internen Richtungsstreit für sich entschieden – man will einen pointierten Auftritt, keinen gemässigten. Caroline Mall und Andi Trüssel hatten ihn dabei unterstützt.
Nicht im rechten Flügel? Mall sagt, sie erfahre auch von anderen «Bürgerlichen, die bürgerlich sind», Unterstützung. Aber es sei ja klar, dass diese sich nicht exponieren könnten.
Hellgrün und rosa
Auf dem Plakat wiederum deutet nicht allzu viel auf die SVP hin, wäre da nicht das kleine Logo in der oberen rechten Ecke. Die Schriftfarben sind fein, hellgrün und fast schon rosa. Da könnte auch das Gesicht von Maya Graf platziert sein – «Unsere Ständerätin», stand bei der Grünen auf den Wahl-Unterlagen. Nein, sie stelle die Parteizugehörigkeit nicht bewusst in den Hintergrund, wehrt sich Mall: «Man sieht mir an der Nasenspitze an, dass ich SVP bin.»
Im Unterschied zu Gemeindepräsident Eigenmann und der früheren Gemeindepräsidentin Bucher kann die Reinacherin Mall keine Exekutiv-Erfahrung vorweisen. Das sei kein Nachteil, findet sie. 2017 kandidierte sie erfolglos für den Reinacher Gemeinderat – warum sollte es nun klappen? Reinach sei «schwierig», sagt Mall. Nun aber wähle nicht nur eine Gemeinde, sondern der ganze Kanton.
Riebli erklärt, man wollte den Wahlkampfauftakt absichtlich draussen begehen und nicht etwa im Regierungsgebäude – das wäre vermessen. Ein Seitenhieb an die Freisinnigen, die Markus Eigenmann bei der Medienkonferenz bereits auf die Regierungsbank setzten. Riebli stellt Mall als Frau vor, die zwar klare Positionen vertritt, aber «immer in der Lage für Kompromisse» sei. Sie vertrete die bürgerlichen Werte und die Anliegen des Mittelstands. Wie die Partei selbst, die kritisch den Finger darauf halte, wo etwas falsch laufe. Zum Beispiel bei der Basellandschaftlichen Kantonalbank mit dem bis anhin wenig erfolgreichen Tochter-Unternehmen Radicant (die gleichentags das externe Gutachten vorstellte).
Mall arbeitet im Immobilienbereich und hat drei Kinder. Eines davon ist noch in Ausbildung. Die langjährige Landrätin ist der Meinung, dass sich Lehrer wieder mehr auf ihre eigentliche Arbeit konzentrieren sollten – «Die Erziehung gehört wieder zurück ins Elternhaus.» Bildungsdirektorin Gschwind habe gute Arbeit geleistet. Doch es gebe schon ein paar Punkte: Man müsse eine neue Lösung für die Uni-Finanzierung finden. Es sei eine legitime Frage, das Frühfranzösisch abzuschaffen, wenn dafür die Mankos in Deutsch und Mathematik beseitigt werden können. Mall glaubt nicht, dass dies dem Zusammenhalt im viersprachigen Land schaden könnte.
Kandidatur austauschen?
Der Zusammenhalt der Baselbieter Bürgerlichen jedenfalls hat mit der Kandidatur Mall arg gelitten. Dass die SVP dem Freisinn den Regierungssitz streitig machen will, bringt die anderen bürgerlichen Parteien in Rage. Dort ist man der Meinung, die SVP hätte noch warten sollen bis zu den Gesamterneuerungswahlen 2027, um dann auf einem gemeinsamen Ticket anzutreten und auf diese Weise wieder in die Regierung zurückzukehren. Die SVP, die aktuell fast 23 Prozent der Wählenden vertritt und damit die grösste Parteistärke aufweist, ist seit dem Rücktritt von Thomas Weber nicht mehr in der Kantonsregierung vertreten.
Der Streit führt aber dazu, dass die bürgerliche Zusammenarbeit (Büza) auch mit Blick auf kommende Wahlen völlig offen ist. Es ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht einmal klar, ob sie sich im zweiten Wahlgang, der rechnerisch sehr wahrscheinlich ist, finden werden. Mall sagt zwar, für sie würde es stimmen, wenn diejenige bürgerliche Kandidatur in den zweiten Wahlgang steigt, die am 26. Oktober mehr Stimmen erzielt. Aber das müssten die Parteileitungen entscheiden.
Präsident Riebli lässt alles offen. Er habe nie gesagt, dass die Stimmenzahl entscheidend sei. Allerdings bestätigte er gegenüber OnlineReports im Juli folgende Passage in einem Artikel: «Eine ‹potenzielle Möglichkeit› ist laut Riebli auch, dass sowohl FDP als auch SVP antreten und dann im zweiten Wahlgang jene Kandidatur weiterverfolgt und gemeinsam unterstützt wird, die am 26. Oktober mehr Stimmen erzielt hat.»
Davon will Riebli nun aber nichts mehr wissen. Er bringt sogar die Option ins Spiel, dass die Bürgerlichen auch mit einer neuen Kandidatur antreten könnten, also weder mit Mall noch mit Eigenmann. Jedenfalls hätten die anderen bürgerlichen Parteien «nie ernsthaft» mit der SVP über den zweiten Wahlgang gesprochen, sondern immer nur gefordert, dass sie verzichtet. Nun müsse man den Wahlsonntag abwarten, sagt Riebli. Im Moment bestehe keine Abmachung, wie danach vorzugehen sei. Aber er halte sich gerne an die militärische Strategie: «Getrennt marschieren, vereint schlagen.»
Budget ist Nebensache
Dem Freisinnigen Markus Eigenmann stehen für den Wahlkampf rund 100’000 Franken zur Verfügung. Bei GLP-Kandidatin Sabine Bucher sind es laut eigenen Angaben gegen 60’000. Riebli spricht von einer «Grössenordnung von 50’000 Franken von der SVP plus Spenden». Man erbringe viel Eigenleistung, hänge etwa die Plakate selbst auf. Und bei Bedarf liesse sich bestimmt noch ein Unterstützer finden.
Das Geld ist in diesem Wahlkampf aber längst nicht das interessanteste Thema.
Weitere Artikel über die Ersatzwahl von Monica Gschwind finden Sie in unserem Dossier.