Zämmestoh!

Der Rücktritt von Monica Gschwind rüttelt den Baselbieter Freisinn auf. Ob diese Aufbruchstimmung reicht, um den Regierungssitz zu verteidigen?

Wahlkampfauftakt von Markus Eigenmann
Der Wahlkampf für Markus Eigenmann (Mitte) als Regierungskandidat ist lanciert. (Bild: Alessandra Paone)

Behäbig, uninspiriert und resigniert – so wirkte der Baselbieter Freisinn in den vergangenen Jahren. Siege gab es wenige zu feiern, man lebte von der Vergangenheit und vom Leitsatz, der lange die Erklärung für alles zu sein schien: Wir sind FDP.

Mit wenig Lust kandidierte die Partei mit Sven Inäbnit 2023 für den Ständerat und merkte zu spät, dass mit mehr Engagement und Verbundenheit zum Kandidaten mehr drin gelegen wäre als ein beachtliches Resultat gegen die amtierende Maya Graf.

Die Rücktrittsankündigung von Bildungsdirektorin Monica Gschwind hat die FDP Baselland nun aber aufgerüttelt. Die Angst davor, auch noch den einzigen Regierungssitz zu verlieren, war für die einst mächtigste Partei im Kanton wohl zu gross, um so weiterzufahren wie bisher. Bereits am Nominations-Parteitag im Bildungszentrum Jardin Suisse beider Basel in Liestal war eine gewisse Aufbruchstimmung zu spüren.

Nachdem sich die Delegierten für den Arlesheimer Gemeindepräsidenten Markus Eigenmann ausgesprochen hatten, hiess es: Zämmestoh! Die frühere Parteipräsidentin Saskia Schenker, die wenige Minuten zuvor noch eine flammende Rede für Kandidatin Nadine Jermann gehalten hatte, ging mit gutem Beispiel voran und liess sich geschickt inszeniert mit Eigenmann ablichten. Schenker, soeben aus dem Landrat ausgeschieden, gehört auch dem Präsidium von Eigenmanns Unterstützungskomitee an.

Seither ist Eigenmann viel unterwegs. Am KMU-Networking-Grill der Wirtschaftskammer Baselland sei der 54-Jährige die Attraktion des Abends gewesen, erzählt man sich. Fotos mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Wirtschaft, die nach dem Anlass in den Sozialen Medien gepostet wurden, sollen als Beleg dazu dienen.

Am vergangenen Wochenende war Eigenmann auch am Wy-Erläbnis anzutreffen. Der Event, der traditionell in den Gemeinden Buus, Maisprach und Wintersingen stattfindet, war für den Unterbaselbieter eine gute Gelegenheit, auch im oberen Kantonsteil Kontakte zu knüpfen. Dort kennt man ihn bisher kaum.

Arlesheim dominiert

Der nötige Schwung scheint also vorhanden zu sein, ebenfalls der Glaube daran, dass sich Eigenmann gegen die Grünliberale Sabine Bucher und Caroline Mall von der SVP durchsetzen kann – wenn nicht im ersten, dann doch im zweiten Wahlgang. Das ist auch am Montagmorgen im Landratssaal in Liestal zu spüren. Mit frisch gedruckten Plakaten im Vorzimmer und Eigenmanns Gesicht, das auf den Touch-Bildschirmen eingeblendet wird, läutet die FDP als erste Partei offiziell den Wahlkampf ein.

Parteipräsident Melchior Buchs ist zwar nicht anwesend, dafür ist der Arlesheimer Flügel mit Landrat Balz Stückelberger als Eigenmanns engagiertestem Fürsprecher und Gina Barra als Wahlkampfleiterin umso präsenter. Der Wahlkampf dürfte denn auch vor allem von Arlesheim aus gesteuert werden.

Mit dabei sind an diesem Morgen auch FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger, die insbesondere im Oberbaselbiet auf Stimmenjagd gehen wird, FDP-Fraktionschef Alain Bai und Mitte-Fraktionspräsident Pascal Ryf.

Pascal Ryf in Erklärungsnot

«Dass ich die FDP unterstütze, das habe ich schon am Tag von Monica Gschwinds Rücktrittserklärung klargemacht», sagt Ryf und betont, dass auch die Mitte überzeugt hinter Eigenmanns Kandidatur stehe. Diese Aussagen bringen den früheren Landratspräsidenten in Erklärungsnot. So eindeutig, wie Ryf beschreibt, war der Entscheid seiner Partei, den Freisinnigen zu unterstützen, nämlich nicht.

Dem Beschluss des Parteitags war ein parteiinternes Hickhack vorausgegangen, an dem Ryf massgeblich beteiligt war. Nachdem Präsident Simon Oberbeck der FDP-Spitze öffentlich den Support des Vorstands zugesichert hatte, stellte Letzterer am Parteitag dann den Antrag auf Stimmfreigabe. «Die Auseinandersetzung zwischen FDP und SVP ist nicht unser Kampf», erklärte Ryf die Pirouette gegenüber OnlineReports.

Der Antrag auf Stimmfreigabe sei auch aus strategischen Überlegungen und unabhängig von seinem persönlichen Versprechen erfolgt, sagt Ryf nun am Montag. Tatsächlich steuert die Mitte auf ein für sie schwieriges Wahljahr 2027 zu. Je nachdem muss die Partei sowohl den Regierungssitz von Anton Lauber als auch den Nationalratssitz von Elisabeth Scheider-Schneiter neu besetzen. Zudem hat Ryf bereits mehrfach seine Ständerats-Ambitionen geäussert. Die Mitte will sich daher alle Möglichkeiten offen lassen und nicht jetzt schon potenzielle Allianzpartner vergraulen.

Auch für unbequeme Lösungen

Markus Eigenmann geht es am Montag vor allem darum, sein Programm zu präsentieren. Dies tut der Unternehmer wie schon am Parteitag sachlich und unaufgeregt.

Im Bereich Bildung setzt Eigenmann auf mehr Freiheit für Schulen und Lehrkräfte. Zudem möchte er das Fremdsprachenkonzept, zu dem das stark umstrittene Frühfranzösisch gehört, gemeinsam mit den Nachbarkantonen überarbeiten und Schüleraustausche mit der Westschweiz fördern. Auch am Modell der integrativen Schule will der Arlesheimer arbeiten. Integration solle nur dort stattfinden, wo sie pädagogisch, sozial und wirtschaftlich sinnvoll sei, sagt er. Für die Universität fordert Eigenmann eine «faire Finanzierung». Was so viel heisst: Nicht nur die Trägerkantone sollen zahlen. Die Gemeindeinitiative aus Rünenberg, die diese Forderung beinhaltet, unterstützt er jedoch nicht.

Die Themen des Freisinnigen gehen aber über jene der freiwerdenden Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion hinaus. Das dürfte ihn etwa von der SVP-Kandidatin Caroline Mall unterscheiden, deren Fokus vor allem auf Bildungsthemen liegt. Eigenmann sieht etwa in der Strukturentwicklung des Kantons grossen Handlungsbedarf. Mit den 86 Gemeinden und faktisch nicht mehr existierenden Bezirken sei die heutige Struktur nicht mehr zeitgemäss, sagt er und spricht sich für Gemeindefusionen aus. Diese seien zwar kein Selbstzweck, sie spielten aber Ressourcen frei und verbesserten die Dienstleistungsqualität – wichtig sei, dass diese Prozesse von unten nach oben getragen würden und der Kanton nur eine beratende Rolle übernehme.

Wahlkampfbudget: 100’000 Franken

Wirtschaftspolitisch will sich der Arlesheimer dafür einsetzen, dass sich die Standortförderung gezielt auf Entwicklungsgebiete konzentriert. Baselbieter Lösungen sollen für Unternehmen attraktiv sein. Nach der Reform der Vermögenssteuer sei nun auch die Einkommenssteuer an der Reihe, um gegenüber Basel-Stadt, Aargau und Solothurn konkurrenzfähig zu bleiben. Eigenmann war daran beteiligt, dass der renommierte Pharma-Konzern Straumann von Basel-Stadt wieder zurück ins Baselbiet kehrt.

Im Gesundheitsbereich hält Eigenmann angesichts der steigenden Kosten auch unpopuläre Lösungen für nötig und plädiert dafür, die volle Patientenfreizügigkeit zu überprüfen. Das Spitalangebot im Baselbiet solle sich konsequent an den Bedürfnissen der Bevölkerung und der Wirtschaftlichkeit orientieren. Was der Oberst der Schweizer Armee aber auf jeden Fall verhindern möchte, ist ein Abbau im Bereich der Sicherheit.

Für den Wahlkampf steht Eigenmann ein Budget von rund 100’000 Franken zur Verfügung. Wie sich dieses zusammensetzt, ist nicht bekannt. Dem Vernehmen nach dürften aber einige Spenden zusammenkommen. «Markus Eigenmann ist der Kandidat von vielen Menschen», sagt Balz Stückelberger. Viele Leute hätten spontan ihre Unterstützung angeboten.

Wie sehr «diese Begeisterung» Eigenmann hilft, wird sich zeigen. Und hängt auch davon ab, wie stark die Linke für die GLP-Kandidatin Sabine Bucher mobilisiert und ob es Caroline Mall gelingt, links von ganz rechts zu punkten.

Weitere Artikel über die Ersatzwahl von Monica Gschwind lesen Sie in unserem Dossier.

Weiterführende Links:

Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung!

Ich unterstütze OnlineReports monatlich für CHF 0.-

Spam-Schutz

Jederzeit kündbar
100'000 für Markus Eigenmann

Kommentare